Wahl-O-Mat abgeschaltet

Regelmäßig haben wir hier auf unterströmt ja auch immer auf den Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) hingewiesen, wenn Wahlen anstanden. Das Ding ist zwar nicht perfekt, aber immerhin recht nützlich, um sich mal einen groben Überblick über die Programme der Parteien zu verschaffen und diese mit den eigenen Präferenzen abzugleichen – und das ist ja wesentlich sinnvoller, als wenn man nur danach geht, wer am nettesten auf dem Wahlplakat grinst oder dort die schönste Krawatte umhat. Nun hat gerade das Verwaltungsgericht Köln geurteilt, dass der Wahl-O-Mat abgeschaltet werden muss (s. dazu hier) – und das in der Woche vor der Europawahl.

Geklagt hatte nämlich die neue Kleinpartei „Volt“, die in dem Tool eine Benachteiligung von kleinen Parteien gegenüber den großen etablierten Parteien sah, die dem Grundsatz der Chancengleichheit widerspricht. Die Richter sahen das auch so, und ich kann das durchaus auch nachvollziehen, denn mich hat der Umstand auch immer schon gestört, dass man acht Parteien auswählen muss, mit deren Programm man die eigenen Angaben zu den verschiedenen abgefragten Themen vergleichen konnte.

Diese Einschränkung fand ich noch nie einleuchtend. Wenn man nämlich CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne, AfD und Linke auswählt, hat man nur noch zwei weitere Optionen für kleine Parteien übrig. Klar, niemand wird genötigt, so auszuwählen, aber da die Parteien nun mal in der Reihenfolge wie auf dem Wahlzettel dort auftauchen, stehen die großen Parteien dann auch oben. Und da viele User die Namen von Kleinparteien erst mal nicht viel sagen dürften, suchen sich dann eben viele zum Vergleich das aus, was sie schon mal aus der täglichen Berichterstattung kennen.

Die Argumentation der BpB ist dabei recht dürftig, warum es so eine Beschränkung auf acht Parteien gebe: Die Seite solle eben übersichtlich gestaltet sein. Und auch „Volt“ hatte nicht die Absicht, mit der Klage zu erreichen, dass das Wahl-O-Mat nun deaktiviert wird, sondern wollte eben eine dahin gehende Umgestaltung, dass den Nutzern alle Parteien automatisch angezeigt werden im Übereinstimmungsranking.

Dass nun die BpB den Wahl-O-Mat lieber komplett abschaltet, als eine Modifizierung vorzunehmen, die programmiertechnisch wohl auch nicht allzu schwierig umzusetzen sein dürfte, wirkt zunächst mal wie die Reaktion eines trotzigen Dreijährigen in der Sandkiste. „Wir spielen so, wie ich das will – oder ich mach nicht mehr mit!“

Ich könnte mir aber vorstellen, dass durchaus noch etwas mehr dahintersteckt, nämlich Gehorsam gegenüber dem politischen Establishment. Das hat nämlich kein Interesse daran, dass die Wahl-O-Mat-Benutzer einen Überblick über alle Parteien bekommen, denn dann könnten die Wähler ja vielleicht merken, dass es doch einiges gibt, was den eigenen Interessen mehr entspricht als die „üblichen Verdächtigen“.

Oft genug höre und lese ich von Politikverdruss und daraus resultierender Wahlmüdigkeit: „Was soll man denn wählen? Die machen doch eh alle das Gleiche …“ – das ist keine allzu seltene Aussage. Wenn solche Wähler nun den Wahl-O-Mat nutzen und dann angezeigt bekommen, dass sie irgendwas um 60 Prozent Übereinstimmung mit den etablierten Parteien haben, dann wählen sie halt von denen das aus ihrer Sicht kleinere Übel oder bleiben der Wahl gleich ganz fern.

Wie wäre es allerdings, wenn solche Wähler dann sähen, dass es sehr wohl Parteien gibt, die ihre Interessen zumindest vom Programm her vertreten? Da würde sich doch bestimmt der eine oder andere überlegen, eine Kleinpartei zu wählen oder sich zumindest mal mit deren Programm etwas näher zu beschäftigen.

Ich stell mir gerade vor, dass alle Nichtwähler sich so für eine Kleinpartei entscheiden würden. Da wäre dann aber was los in den Parlamenten!

Und darauf haben die etablierten Parteien – um nicht zu sagen: der neoliberale Block aus CDU/CSU, SPD, FDP, Grünen und AfD – natürlich überhaupt keinen Bock. Und die BpB macht sich so zum Handlanger für die Interessen dieser Parteien. Schon irgendwie schäbig, oder?

Da wird also ein Instrument, das der politischen Meinungsbildung dienen soll, so genutzt, dass es die bestehenden parteilichen Strukturen festigt und somit eben keine wirklich freie Meinungsbildung gewährleistet – und wenn dies dann zu Recht moniert und auch richterlich so bestätigt wird, dann stellt man den Laden einfach gleich ab, weil man nicht bereit ist, eine entsprechende Änderung umzusetzen.

Weder an die Partei „Volt“ noch an die Kölner Richter sollten nun also die Beschwerden wegen des abgeschalteten Wahl-O-Mat gehen, sondern an die BpB, die sich dann vielleicht besser in BpE (Bundeszentrale für politische Einseitigkeit) umtaufen sollte.

Und darüber hinaus zeigt dieser Vorgang auch, dass dem Politestablishment Machterhalt eben wichtiger ist als tatsächliche demokratische Strukturen und eine freie Meinungsbildung der Wählerschaft.

Dennoch sollte man nun erst recht zur Wahl gehen und sich selbst beispielsweise über Wikipedia informieren, wer denn überhaupt alles zu Wahl steht und was diese Parteien so in etwa wollen. Das ist natürlich etwas mehr Arbeit als mithilfe des Wahl-O-Mat, aber das nützt ja nun mal leider gerade nichts …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Wahl-O-Mat abgeschaltet“

  1. Und jetzt hat die BPB eingelenkt und einem Vergleich zugestimmt, sodass der Wahl-O-Mat jetzt wieder online ist und künftig diese absurde Beschränkung auf nur acht Parteien wegfallen wird, sodass man dann sich die Übereinstimmung der eigenen Präferenzen mit allen Parteien anzeigen lassen kann (s. hier).

    Sehr gut, wenngleich schade, dass das für die Europawahl am Sonntag noch nicht so umgesetzt sein wird.

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