Feinde der Demokratie

Immer wieder höre und lese ich diese Begrifflichkeit: „Feinde der Demokratie“. Im Prinzip geht es da meistens um die gleiche Diffamierungsformel, wie das die Türkei oder die USA mit dem Wort „Terroristen“ ausdrücken, und auch hier ist es das gleiche Prinzip: Ich unterstelle meinem Gegenüber das, was ich selbst praktiziere (siehe „Projektion“). Gleiches gilt aber auch für extrem links orientierte Menschen, die z. B. verallgemeinernd sagen: „Mit Rechten kann man nicht reden!“ (sie projizieren ihr Menschenbild pauschal auf eine Gruppe). Es ist schon schwer, aus zwei Menschen eine homogene (gleichgeschaltete) Gruppe zu machen. Aber wie soll das mit allen rechts denkenden oder mit 15 % AfD-Wählern gehen?

Ja, auch ich habe so meine Meinung, dass eine linke Orientierung eher für Gleichheit und Gleichberechtigung ist und die meisten links denkenden Menschen Dich eher Deiner Taten wegen beurteilen als Deiner Herkunft oder Hautfarbe nach verurteilen. Aber natürlich ist auch dieses Bild „links denkender Menschen“ nur ein konstruiertes Bild, das dem Individuum nicht gerecht wird. Ich kenne mittlerweile genug linke Arschlöcher, Menschen, die genauso radikal und gewalttätig sind, wie ich es von den schlimmsten Nazis in Springerstiefeln erwarte. Menschen, die Offenheit von rechts fordern, aber Andersdenkende an die Wand stellen oder rauswerfen wollen. „Nazis raus!“ ist nicht viel intelligenter als „Ausländer raus!“.

Was die Feindseligkeit gegen den Staat angeht, tun sich radikale Linke und Rechte aus meiner Sicht wenig. Allerdings ist deren Handwerkszeug doch in den meisten Fällen leicht zu unterscheiden: Linke zünden Gegenstände an, Rechte zünden Menschen an. Das sagt erst einmal nicht viel über deren Einstellung zur Demokratie aus, aber zu deren Einstellung zum Leben.

Ich habe schon oft von der Polarisierung (und dem Populismus) geschrieben und tue es auch hier wieder: Wer zur Stärkung der eigenen Position maßlos übertreibt, falsche Aussagen tätigt oder pauschal Gruppen diffamiert, der spielt in genau diesem Lager und ist damit auf dem besten Weg, ein echter Feind der Demokratie zu sein. Nehmen wir die AfD: Der Gauland ist einfach zu alt, um politisch noch anders zu wirken als mit dem eingeschlagenen braunen Kurs (was es nicht besser mach!). Die von Storch ist eben keine helle Kerze, und ihr Weltbild wird eben so einfach sein, wie ihre Synapsen das gerade noch tragen können. Die Weidel jedoch könnte sicher anders, und ihr unterstelle ich nackten Populismus, und damit ist sie auf jeden Fall auf Kurs, was Demokratiefreindlichkeit angeht. Und diese Bewusstheit im Handeln und Spalten, die macht einen Feind der Demokratie für mich aus.

Kürzlich habe ich mich auch wieder bei solch einem „Fauxpas“ erwischt: Eine südamerikanisch ausschauende Frau war in einem freundlichen Gespräch mit mir, als ich sie fragte, woher sie denn komme. Sofort war die Stimmung im Eimer, denn sie sagte: „Aus Deutschland, warum?“ Okay, musste sie nun gleich so unterkühlt reagieren? Nein. War meine (oberflächliche) Frage blöde? Ja. Habe auch ich Vorurteile, die auch auf Äußerlichkeiten beruhen? Aber sicher! Bei mir sind die allerdings seltener an die Hautfarbe gekoppelt als vielmehr an Frisur, Kleidung, Gang oder mitgeführten Kindern oder Haustieren, was die Vorurteile nicht besser oder schlechter macht. Und ja, manchmal spiele ich auch mit dem Gedanken, wie schön eine Welt ohne all den Hass und all die Angst wäre, und das Einfachste wäre es, alle Menschen, die voller Hass und Angst stecken, zu „beseitigen“. Aber ob raus, weg, tot oder eingesperrt, nichts von dem ist demokratisch tragbar!

Meiner Erfahrung nach sind die größten Feinde der Demokratie diejenigen, die überall Feinde der Demokratie sehen. Und jeder, der diese Feinde dann auf undemokratische Weise loswerden will, der ist nicht nur Feind der Demokratie, sondern Feind des Lebens und der Vielfalt. Und diesen Menschen wünsche ich: jede Menge Liebe und Glück, auf dass ihr Hass und ihre Angst in sich zusammenfallen und ich in jedem Feindbild mich selbst erkenne. Ach ja, ich träume schon wieder einen Quark zusammen …

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Dirk

Jahrgang 1974, in erster Linie Teil dieser Welt und bewusst nicht fragmentiert und kategorisiert in Hamburger, Deutscher, Mann oder gar Mensch. Als selbstständiger IT-Dienstleister (Rechen-Leistung) immer an dem Inhalt und der Struktur von Informationen interessiert und leidenschaftlich gerne Spiegel für sich selbst und andere (als Vater von drei Kindern kommt dies auch familiär häufig zum Einsatz). Seit vielen Jahren überzeugter Vegetarier und trotzdem der Meinung: „Alles hat zwei Seiten, auch die Wurst hat zwei!“

3 Gedanken zu „Feinde der Demokratie“

  1. Word!

    Irgendwie hat sich seit den Hexenprozessen des Spätmittelalters und der Renaissance hier nicht viel verändert. Immer noch suchen viel zu viele die Erklärungen für Zusammenhänge, die sie sich nicht erklären können, in der Verschwörung anderer gegen sie. Die Aufklärung scheint in den Köpfen keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen zu haben.

    Die Frage, die ich mir seit Jahren stelle lautet deshalb: Sind wir überhaupt schon reif für die Demokratie oder hat Yascha Mounk wirklich recht, dass wir nur dann Demokraten sind, wenn es uns wirtschaftlich auch ausreichend gut geht?

  2. Danke für Deinen Kommentar. Ich habe teilweise leider auch solche Gedanken, dass die Menschheit in Gänze nicht so weit ist in einem anderen Umfeld als einem kleinen Dorf zu existieren. Natürlich liegt es mir fern in einem Überwachungsstaat wie in China leben zu wollen, ABER auf der anderen Seite scheint es mir so, als wenn die Menschen ohne Kontrolle und Angst vor der Obrigkeit ihren egoistischen Trieben freien Lauf lassen. Nur woher eine Obrigkeit bekommen, die tatsächlich im Interesse der Gemeinschaft agiert? KI programmieren? Menschen scheinen mir da wenig erfolgversprechend. Kurz: Ich habe nicht das Gefühl, dass es mit dem derzeitigen politischen System möglich ist die derzeit vorhandenen Menschen mit ihrer verkrüppelten (schulischen und sozialen) Entwicklung auf einen Weg des Miteinanders zu bringen.

    Ich habe seit Wochen einen Beitrag in der Pipeline, in dem ich einen „Starken Staat“ für das Internet herbei wünsche. Damit meine ich konkret: Wenn ich etwas in die Welt setze, dann sollte ich dafür auch gerade stehen. Oder ich halte eben die Schnauze. Aber bisher habe ich auch noch nicht das richtige Drehmoment gefunden den Beitrag zu finalisieren und in die Welt zu lassen. Der Gegenwind ist vorherbestimmt, das ist klar, aber ich muss mich damit auch so gut fühlen ;)

  3. Über die Aussage „Mit Rechten kann man nicht reden!“ bin ich ja der Pauschalisierung wegen weniger glücklich, zumal mir die Alternativen fehlen. Deshalb möchte ich das hier noch einmal etwas ausdifferenzieren:

    A) Reden meint in meinem Sinne das persönliche (!) Gespräch. Davon würde ich allerdings die Situation ausschließen, in der ich auf einer Gegendemonstration gegen rechts in einer Gruppe stehe und versuche ein „persönliches Gespräch“ mit den Rechten zu führen. Genauso wenig kann man mit denen reden, die als Vorbild oder Führungsperson primär an einer Ausweitung ihrer Macht und ihres Einflusses interessiert sind (speziell im öffentlichen Raum, wie z. B. bei Talkshows). Und die unsozialen Medien halte ich ebenfalls für wenig erfolgsversprechend, da Menschen sich dort öffentlich profilieren wollen und sich auch hinter ihrer Anonymität verstecken.

    B) Der Begriff „Rechte“ sollte auch nicht pauschal angewendet werden. Wie schon in (A) angedeutet, ist es wenig zielführend sich mit Vorbildern und Politikern des rechten Milieus im öffentlichen Raum unterhalten zu wollen (Talkshows, Interviews, …), da diese ausschließlich eine Bühne suchen. Es geht ihnen bei solchen Auftritten um Anerkennung und Ausweitung ihres Einflusses.

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