Die IS(IS)-Typen sind schon ziemlich üble Gesellen, denen ich bestimmt keine Sympathie entgegenbringe. Religiöser Fundamentalismus, gepaart mit bestialischer Gewalt gegen alles Andersdenkende, gab und gibt es ja nun wahrlich schon genug, und jede so agierende Gruppierung ist eine zu viel. Dass nun allerdings als einziges Mittel, um diesen Fanatikern Einhalt zu gebieten, Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak angesehen werden, finde ich dann allerdings schon reichlich bedenklich, vor allem wenn man mögliche mittelfristige Folgen bedenkt.
Waffen haben nämlich eine unbestreitbare Eigenschaft, die leider bei deren Export selten bis gar nicht berücksichtigt wird: Sie lösen sich nach Gebrauch nicht einfach in Luft auf, sondern verbleiben in den belieferten Regionen – und das oft länger, als sich Regierungen und Regimes dort an der Macht halten können. Wenn ich also heute Waffen irgendwohin liefere, dann weiß ich nicht, wer diese morgen oder übermorgen eventuell in den Fingern hat. Oder wie diejenigen, denen ich sie verkauft habe, demnächst ticken werden. Oder wie sich die geopolitische Situation entwickelt: Sind die heutigen Waffenempfänger morgen noch meine Freunde? Beispiele für Fehlentwicklungen gibt es hier genug, da muss man sich ja nur vor Augen führen, dass die USA sowohl die Taliban (als diese noch gegen die russische Armee kämpften) als auch Saddam Hussein (als dieser gegen den Iran ins Feld geschickt wurde) bewaffneten – und diese dann ein paar Jahre später selbst bekämpften.
Auch die Bewaffnung der IS(IS) ist nun ja nicht vom Himmel gefallen, sondern besteht zu einem Großteil aus US-amerikanischen Waffen. Diese wurden zum Teil erbeutet, können aber durchaus auch über IS(IS) unterstützende Drittländer (zum Beispiel Türkei, Saudi Arabien) in deren Hände gelangt sein. Oder über die sich zunehmend radikalisierende syrische Opposition gegen Assad, die ja wohl auch mehr oder weniger direkt von den US mit Waffen versorgt wurde. Durchschlagskräftige und hochtechnische Waffen in diese Region zu liefern hat also maßgeblich dazu beigetragen, dass die IS(IS) überhaupt zu der Bedrohung werden konnte, die sie heute sind. Und was wird dann als Lösung für das Problem angesehen? Noch mehr Waffen dorthin zu liefern …
Ein anderer Aspekt soll hier auch zumindest kurz erwähnt werden: Militärische Operationen, die viele zivile Opfer fordern, haben bisher immer noch zu einer Radikalisierung von einzelnen Widerstandsgruppen geführt. Das war zum Teil schon im Zweiten Weltkrieg zu beobachten, richtig deutlich wird das an Beispielen wie den Roten Khmer, deren Wüten wohl schon in einem Zusammenhang damit stehen dürfte, dass US-amerikanische Bomben im Zuge des Vietnamkrieges auf kambodschanische Dörfer geschmissen wurde. Klar, mit so was macht man sich eben keine Freunde, und Hass wächst leider eher exponentiell …
Das Entstehe der IS(IS) kann also schon als Resultat einer vollkommen verfehlten Kriegspolitik vonseiten der westlichen Staaten (vor allem der USA) gesehen werden. Es wäre aber nun anscheinend zu viel verlangt, wenn hier mal irgendwelche Lernprozesse einsetzen würden – zumindest dürfte das nicht der Fall sein, solange an derartigen Massakern immer noch einige Leute mehr als gut verdienen.
Nun also Waffen an die Kurden. Die scheinen da ja momentan so ein bisschen die Einzigen zu sein, die IS(IS) Kontra geben können. Nur bitte auch mal weiterdenken: Was ist denn nun, wenn die Kurden mithilfe westlicher Bewaffnung tatsächlich IS(IS) zurückschlagen können? Dann sitzen da militärisch gut ausgerüstete Kurden in der Region, deren Ansprüche auf ein eigenes Territorium bestimmt durch einen solchen Erfolg nicht kleiner werden dürfte. Dies wiederum könnte zum einen die Situation im Irak weiter destablilisieren, zum anderen dürfte das der Türkei nicht richtig gut gefallen. Ich will hier nun gar nicht weiter auf den Konflikt Türkei gegen Kurden eingehen, aber in jedem Fall ist dann ein NATO-Mitgliedsland betroffen, dass u. U. dann militärisch gegen die von anderen NATO-Mitgliedern hochgerüsteten Kurden vorgehen wird. Man könnte fast die Vermutung haben, dass die Kurden dann ratzfatz zu den neuen Terroristen hochstilisiert werden, die eine militärische Auseinandersetzung mit einem unserer Bündnispartner suchen. Dann würzt man diesen Eintopf noch mit ein bisschen erdoganschen Großmachtfantasien, und schon hat man den nächsten Krisenherd im Nahen Osten, in dem es ordentlich scheppert.
Eine Patentlösung, wie man nun mit der IS(IS) und vor allem der von dieser ausgehenden massiven Gewalt umgehen soll, habe ich leider auch nicht, dazu kenne ich allerdings auch die regionalen Gegebenheiten vor Ort zu wenig. Doch irgendwie finde ich: Wenn der Pott überkocht, dann sollte man vielleicht mal überlegen, die Flamme runterzudrehen und nicht immer weiter aufzureißen …
Wolfgang Lieb schreibt sehr treffend auf den Nachdenkseiten zu dieser Thematik: