Progressive Umsatzsteuer

Heinz hat ja gestern einen lesenswerten Beitrag zur Umsatzsteuer hier auf unterströmt veröffentlicht, der meine volle Zustimmung findet. Ausgehend davon habe ich mir dann allerdings noch ein paar weitergehende Gedanken gemacht: Wie wäre es denn, wenn man die Umsatzsteuer nicht abschaffen, sondern als ein Mittel zur gezielten Steuerung nutzen würde, um ökologische und nachhaltige Produkte attraktiver und Dinge, die auf Ausbeutung von Mensch, Tier und Umwelt basieren, teuerer und somit unattraktiver zu machen?

Dazu bräuchte man natürlich einen Umsatzsteuersatz, der nicht fix immer den gleichen Wert hat, sondern der flexibel nach entsprechenden Kriterien für einzelne Produkte festgesetzt wird.

Je nachhaltiger, desto günstiger

Das Grundprinzip dabei wäre es, Produkte mit einer niedrigen oder gar überhaupt keiner Umsatzteuer zu versehen, die nachhaltig hergestellt wurden, also unter ökologischen Gesichtspunkten, ohne Ausbeutung von Menschen, ohne Tierqual und mit möglichst kurzen Transportwegen. Der Maxime „regional und saisonal“ ist ja für viele, die bewusst einkaufen, alltägliche Praxis, und genau dies würde dann eben attraktiver werden.

Natürlich kann man nun auch sagen, dass es ja auch möglich und sinnvoll wäre, Transportkosten so zu verteuern, sodass infolgedessen Produkte, die vom anderen Ende der Welt herangekarrt werden, auch entsprechend ihres transportbedingten CO2-Fußabdrucks teurer würden. Das Problem dabei: Der Welthandel ist nicht mal eben so einfach zu ändern, und wenn man hier nationale Gesetze erlässt für die einheimischen Spediteure, die eine Verteuerung zur Folge hätten, dann würden sich halt als anderen Ländern Unternehmen finden, die das Zeug nach wie vor günstig heranschaffen würden. Es gibt eben keine Weltregierung, die entsprechende Regulierungen umsetzen könnte, und solange hier die nationalen Regierungen zuständig sind, wäre eine progressive Umsatzsteuer eben auch von diesen Regierungen umsetzbar.

Achtung: kein „Germany first“!

Der Vorwurf, damit einen nationalistischen Protektionismus betreiben zu wollen, wäre vermutlich schnell zur Hand von den marktradikal-populistischen Freunde der derzeitigen Art, wie die Globalisierung funktioniert, aber darum geht es mir natürlich nicht. Nicht das deutsche Produkt wäre automatisch sinnvoller, sondern das regionale. Wer also in Schleswig-Holstein dänischen Käse isst, hat regionaler eingekauft, als wenn er Schinken aus dem Schwarzwald auf dem Tisch hat.

Und natürlich sind auch nicht nur die Transportwege ein Indikator für Nachhaltigkeit. Biologische Landwirtschaft ist beispielsweise ein weiteres Kriterium, um Produkte mit einer niedrigen oder gar vollkommen ohne Umsatzsteuer in den Handel zu bringen. Genauso wie fair gehandelte Waren oder unter korrekten Arbeitsbedingungen Hergestelltes.

Angenehmer Nebeneffekt: Auf diese Weise müssten Firmen dann ihre Lieferketten offenlegen und die Verantwortung dafür übernehmen. Wer das nicht macht, dessen Produkte werden dann eben entsprechend einer Schätzung mit einer Mehrwertsteuer versehen, und diese Schätzung sollte dann von eher nicht so guten Produktionsumständen ausgehen.

Wichtig: soziale Verträglichkeit

Nun sollte das Ganze natürlich nicht dazu führen, dass vor allem die ärmeren Menschen die Hautplast tragen müssten, also ist eine soziale Komponenten unabdingbar. Konsumgüter des alltäglichen Grundbedarfs sind insofern von der Umsatzsteuer zu befreien. Dazu zählen Grundnahrungsmittel, aber auch kultureller Grundbedarf, beispielsweise Kommunikation (Telefon und Internet), Zeitschriften und Bücher (wobei hier besondere Luxusausgaben dann schon wieder auszunehmen wären), sowie auch Dinge wie Transport, alltäglich genutzte (Elektro-)Geräte oder Möbel (abgesehen von Designerstücken oder Antiquitäten).

Darin klingt ja schon an, dass dann eben auch eine unterschiedliche Besteuerung für Produkte, die man als Basics ansehen kann, und solche, die als reiner Luxus gelten, als sozialverträgliches Element installiert werden sollte: Das 300-Euro-Fahrrad wird als Grundbedarf angesehen und ist zudem eine ökologisch sinnvolle Sache, also wird das von der Umsatzsteuer befreit. das 4000-Euro-Designer-Mountainbike hingegen ist dann schon eher ein Spielzeug für Leute mir reichlich Geld, also kann da auch noch mal ordentlich Umsatzsteuer aufgeschlagen werden. Denn wer 4000 Euro für ein Fahrrad ausgeben kann, dem tun auch 5000 Euro dafür nicht so richtig weh.

Mit Autos wäre es natürlich das Gleiche: Der spritsparende Kleinwagen, den der Pendler braucht, ist mit weniger Umsatzsteuer zu versehen als das SUV-Monster mit 450 PS. Hier hätte dann die progressive Umsatzsteuer eine ähnlichen Effekt wie eine Luxussteuer.

Was nun natürlich nicht bedeutet, dass alles, was etwas besser ist, teurer würde. Regionale Biolebensmittel, guter Wein aus dem In- oder  nahen Ausland, fair hergestellte Klamotten – das alles würde günstiger werden. Und da die Menschen beim täglichen Grundbedarf sparen würden, hätten sie auch mehr Geld zur Verfügung, um es dann für solche Produkte auszugeben.

Konsumregulierung funktioniert nun mal vor allem über der Geldbeutel

Auf Freiwilligkeit zu setzen, damit die Menschen weniger schädliches Zeug kaufen, funktioniert leider nicht. Das kann man jeden Tag sehen. Wenn das hinhauen würde, wären beispielsweise McDonald’s-Restaurants genauso leer wie kik-Filialen. Also würden durch eine progressive Mehrwertsteuer entsprechende Anreize gesetzt.

Was noch hinzukäme: Wenn dann die Umsatzsteuer auf Produkten auch separat ausgezeichnet würde, könnte der Endverbraucher gleich erkennen, welche Produkte denn nun nicht gerade nachhaltig hergestellt werden. „Warum sind auf Schnitzel A 30 % Mehrwertsteuer, auf Schnitzel B hingegen nur 2 %?“ Solche Fragestellungen wären dann alltäglich und führten m. E. mit Sicherheit auch zu einem bewussteren Konsum. Und die Angebotsseite würde auch ordentlich unter Druck geraten, wenn ihnen klar würde, dass eine minderwertige Produktqualität und eine ausbeuterische Herstellungsweise dann zwar dazu führten, dass man seinen Kram billiger produzieren kann – aber es dann dennoch nicht billiger in den Läden angeboten wird.

Großer Aufwand

Natürlich wäre eine solche progressive Umsatzsteuer, zumal wenn man sich noch weitere Bereiche ausmalt, auf die das auch ausgedehnt werden kann (z. B. auf sehr ungesunde Lebensmittel), schon mit einem gewissen Umsetzungsaufwand verbunden. Es müssten möglichst klare Kriterien geschaffen werden, und dann gäbe es bei neuen Produkten eben auch immer wieder Prüfungen, um eine faire Umsatzsteuereinstufung festzulegen.

Wir leisten uns allerdings auch haufenweise Staatsangestellte, die Bedürftige gängeln, und eine ineffektive (s. Cum-Ex-Skandal), aber aufgeblähte Finanzadministration. Da sollten dann doch schon ein paar Kapazitäten abgezweigt werden können, um sich um eine sinnvolle Sache wie eine progressive Mehrwertsteuer zu kümmern. Zudem: Wenn dadurch dann neue Arbeitsplätze geschaffen würde, wäre das ja nun auch nicht das Verkehrteste, oder?

Auch das Umsatzsteuerrecht müsste reformiert werden, sodass beispielsweise nur Umsatzsteuern bis zu einem bestimmten Prozentsatz abgesetzt werden könnten. Sonst würden ja Unternehmen, die selbst Umsatzsteuer abführen, davon nicht betroffen sein – und die Dienstwagen würden beispielsweise nach wie vor übermotorisierte Angeberkisten sein.

Dafür bekäme man dann aber ein politisches Regulierungsinstrument in die Hand, um den dringend notwendigen Umbau der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit gestalten zu können. Und das, ohne von internationaler Konkurrenz so ohne Weiteres unterlaufen werden zu können.

Mir erscheint daher eine progressive Mehrwertsteuer ein sinnvoller Baustein zu sein, um zusammen mit anderen Maßnahmen (Mietenobergrenzen, Bürgerversicherung, armutsfeste Alterssicherung, höhere Besteuerung von großen Erbschaften und Kapitalerträgen, Verkehrspolitik weg vom Individualverkehr, neue Arbeitszeitmodelle usw.) einen progressiven Wandel unserer Gesellschaft, der angesichts von Herausforderungen wie Klimawandel und Digitalisierung dringend notwendig ist, so zu gestalten, dass der Großteil der Menschen davon profitiert.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Progressive Umsatzsteuer“

  1. Dem Problem der Staatsfinanzierung zulasten der unteren Schichten und zugunsten der oberen Schichten – dem Kernproblem der Umsatzsteuer – wird man jedoch so nicht zu Leibe rücken können. Im Gegenteil, ich sehe hier große Probleme mit anwachsen, wenn dieser Gedanke der Steuerung über die Produktions- und Distributionssteuer nun progressiv ausgestaltet in die nächste Runde gehen würde, denn das ist der Kern der Umsatzsteuer, nicht der Ressourcenverbrauch.
    Dennoch ein guter Aufschlag, Karl-Heinz, der es durchaus wert ist, diskutiert zu werden, auch weil es unbedingt notwendig ist, über diese Art der Steuer zu diskutieren, und sei es nur, um ein größeres Verständnis darüber vermitteln zu können.

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