Gesellschaft zum Verzweifeln

Kaum kommt von einem Politiker der Vorschlag, Fleisch höher zu besteuern, laufen die Medien und mit ihnen viele Menschen Amok. Das ist nicht zu fassen. Dabei geht es mir in erster Linie gar nicht um die Frage, ob das nun sinnvoll oder gerecht ist, es geht darum, dass der hemmungslose Fleischkonsum in hohem Maße zum Klimawandel beiträgt und nebenbei Antibiotikaresistenzen fördert, global unsere Umwelt zerstört, von den Qualen der Tiere mal ganz abgesehen. Und dann kommen ernsthaft solche Fragen wie von der Zeit, ob Fleisch zu billig wäre?

Da muss man sich wirklich fragen, was die Leute in den letzten Jahrzehnten so angestellt haben, wenn sie in großen Teilen immer noch nicht wissen, unter welchen Umständen ihre Lebensmittel erzeugt worden sind, bevor sie auf den Teller landen. Und das betrifft bei Weitem nicht nur Tierprodukte.

Und es geht hier nicht einmal darum, dass der Preis verdoppelt oder verdreifacht werden soll, es geht lediglich um eine Erhöhung von ca. 11 %. Das Schweinefilet würde dann statt 4,75 Euro pro 500 g (Rewe, Ja,) 5,28 € kosten, Hühnerbrust (Landjunker, Lidl, 600 g) statt 3,69 € 4,10 €. Beides ergäbe eine Mahlzeit für mehrere Personen und ist immer noch viel zu billig, denn wenn das tatsächlich der Preis wäre, der Massentierhaltung und Umweltzerstörung vermieden hätte, wäre das schon ein unsäglicher Skandal, das nicht einmal so viel über ist. Aber der Preis liegt schon um einiges höher.

Darauf will ich auch gar nicht näher eingehen, es geht mir einfach nur darum, dass wirklich jeder Ansatz und Gedanke, umweltschonender zu leben, schon im Keim Empörung oder zumindest große Verunsicherung auslöst: Umweltschutz ja, aber bloß nicht auf meine Kosten.

Die Hauptfrage ist daher: Wie will man mit einer Gesellschaft, die in großen Teilen zwar erkannt hat, dass der Klimawandel menschengemacht ist und dass etwas geändert werden muss, aber nicht in der Lage ist, das auch wirklich zu tun, irgendetwas erreichen? Soll man tatsächlich nur die Preise anheben wie mit der Fleischsteuer? Damit Wohlhabende, übrigens auch die Gruppe mit der schlechtesten Ökobilanz, weiter die Umwelt drangsalieren und den Klimawandel vorantrieben können, während der Rest verzichten muss? Ist das Klimagerechtigkeit? Ganz bestimmt nicht.

Was also tun? (Finanzielle) Anreize schaffen? Und wenn, wie soll ein Anreiz aussehen, kein Fleisch mehr zu essen? Wie will man die Leute überzeugen, freiwillig nicht mehr in den Süden zu fliegen? Wie erklärt man ihnen wirkungsvoll, dass sie keine Kreuzfahrten mehr machen sollten?

Oder wollen wir doch so weitermachen, darauf warten, dass emmissionsfreie Schiffe und Flugzeuge marktreif werden (wohl am Sankt-Nimmerleins-Tag), und hoffen, dass es schon gut gehen wird? Während das Eis schmilzt, die Arktis brennt, Permafrostböden auftauen und immer mehr CO2 abgeben, täglich irgendwo neue Temperaturrekorde gemessen werden?

Nein, wir brauchen Veränderungen, Regeln und Verbote. Produktionsverbot von Ressourcen- und Benzinschleudern, dafür Ausbau eines bezahlbaren ÖPNV, Abschalten von Kohlekraftwerken, dafür massive Investitionen in erneuerbare Energien und Speichertechnologien, keine Inlandsflüge mehr, dafür die Bahn entprivatisieren und zukunftsfähig – und damit ist nicht gewinnträchtig gemeint – aufstellen, Massentierhaltung abschaffen, Importverbot von Futtermitteln, deren Herstellung die Umwelt schädigt.

Das alles kann Teil der Veränderung sein, aber auch wir müssen alle zu mehr Bescheidenheit bereit sein. Muss man tatsächlich jeden Schnickschnack kaufen? Braucht man alle zwei Jahre ein neues Smartphone, ein neuen Fernseher, ständig neue Möbel? Muss es wirklich die Fernreise sein?

Vielleicht sollten die Angehörigen des Mittelstands auch mal hinterfragen, was in ihrem Leben falsch läuft, dass sie sich mit sinnlosem Konsum glücklich machen, sich selbst darstellen oder zumindest befriedigen müssen? Und sich deswegen dann oft in stressigen Jobs kaputt arbeiten.

Ist die Gesellschaft tatsächlich bereit dafür? Ich befürchte nicht.

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Markus

Jahrgang 1967, Informatiker, pflegt und entwickelt 3-D-CAD-Software in einem kleinen Unternehmen. Träumt von einer progressiven, sozial gerechten und ökologischen Gesellschaft und verzweifelt manchmal an der Frage, warum die meisten Menschen das nicht auch wollen.

2 Gedanken zu „Gesellschaft zum Verzweifeln“

  1. Es fehlt den Menschen die Wertschätzung der Dinge, die wirklich wichtig sind im Leben. Sie haben sie ersetzt durch eine Wertschätzung der Dinge, die recht unwichtig eigentlich sind für ein gutes Leben. Der Preis ist heilig und deshalb wird auch der Fleischpreis nichts bringen, außer Widerstand auf der einen Seite und weiterhin Konsum derer, die es sich leisten können, dann wieder mit einem besseren Gewissen. Fazit: es muss wirklich umgedacht werden, von den Existenzen her und nicht weiter von den Idealen her. Es braucht dazu auch eine andere Sprache, eine beschreibende, umkreisende, keine, die sich in Begriffe verliert. Es braucht Visionen – und deine teile ich -, aber keine wertegetriebene Utopie. Die bringt nur Dogmen hervor und damit gar nichts.

  2. Ich freue mich ja immer wieder, wenn ich sehe, dass Menschen bereit sind Veränderungen und Verzicht in Kauf zu nehmen, für eine lebenswertere Zukunft. Allerdings sehe ich die Schere auch: Wenn es um Konzerne geht machen wir uns über Selbstverpflichtung lustig, weil die Konzerne auf so etwas pfeifen (dem eigenen Gewinn verpflichtet). Wenn man aber Verbote von Menschen fordert, dann wird geschrien: „Verbote? Wir wollen Anreize, keine Verbote!“.
    Ja, wenn es nicht genügend Anreiz ist, allen künftigen Generationen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen (und nicht alle größeren Säugetiere auszurotten), dann bleibt es beim ICH und dem eigenen Wunsch nach mehr Anerkennung, Wertigkeit und Beachtung durch die augenscheinliche Aufwertung meiner Person durch Produkte, die ein bessere ICH aus mir machen. Konsum ohne Verzicht im Heute. Armselig, egoistisch, kurzsichtig und, die scheinbar schlimmste aller Eigenschaften, menschlich …

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