Das esoterische Denken

Aus aktuellen Anlässen ein paar Worte dazu.

Früher dachte ich, die größte Gefahr für den Menschen und seine Freiheit wären die Religionen und die Ideologien. Das glaube ich immer noch.

Hinzu gekommen ist nun das esoterische Denken. Vielleicht ist dieses Denken heutzutage sogar die größte Gefahr.

Warum?

Weil sie den Selbstbezug auf das eigene Ich zum Ideal erhebt und damit vom Handeln außerhalb des Ideals auch abhält.

Es fordert quasi ein Handeln hin zum eigenen, idealisierten Ich. Es überlässt denen damit das Handeln, die dieses esoterische Verhalten für sich, für ihre eigenen Interessen, zu nutzen wissen. Denn, man bedenke, die menschliche Lebenszeit ist begrenzt und wird auch durch das esoterische Denken und dann Handeln, gerade durch das Handeln, gebunden.

Mehr noch, wenn Aufforderungen, wie die zuerst bei sich selbst Veränderung zu suchen und zu finden, bevor man Veränderungen in der Gesellschaft, von der Gesellschaft verlangen darf, allgemein anerkannt werden – und das wird es zunehmend mehr – dann wird dieses Denken sogar zum Instrument für die, die währenddessen das Sein verändern, hin zu noch mehr esoterischem Denken derzeit, wie mir scheint. Individuelles Handeln, anstatt das Handeln der Gemeinschaft zu fokussieren, ist die Folge. Steuern auf Verbrauch, anstatt Handeln zu untersagen, sind deshalb auch Ausdruck dieser esoterischen Denkweise allein im eigenen Ich, der eigenen Verantwortung, ja der eigenen Schuld, wenn das Ergebnis des Handelns im Negativen deutlich wird.

Denkweisen, wie die über Umsatzsteuern die Welt retten zu wollen, wie derzeit aus der SPD und von Teilen der Grünen gefordert, heute beim Fleisch, morgen bei anderen Dingen, sind dann Folgen genau dieser Schuld des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft, dem Ganzen, welches letztendlich dieses Denken hervor bringt.

Die Praxis der Jobcenter, das konsequente Denken in der Ich-AG auch in den Betrieben, den eigenen Arbeitsplatz damit als eigenes Unternehmen zu definieren, selbst verantwortlich für das zu sein, was eigentliche Verantwortung des Unternehmers, des Unternehmens ist, sind von Anfang an Ausdruck dieser Schuld, dieser Denkweise der Selbstoptimierung zugunsten des Ganzen, eben weil man das Ganze aus den Augen verloren hatte.

Ja, auch die Kritik als Meckern zu verunglimpfen, wie von vielen Politikern gerade auf der kommunalen Ebene empfunden, ist Folge dieses esoterischen Denkens erst einmal sich selbst zu optimieren, denn dann würde ja auch die Optimierung des Ganzen zwangsläufig erfolgen.

Irrtum, denn wer das Ganze aus den Augen verliert, der muss sich nicht wundern, wenn ihm dann die Einzelteile um die Ohren fliegen!

Das eigene Ich kann nie das Ganze sein und wird doch zunehmend so gedacht, seit Poppers Positivismus dieses Denken in Teilen als gesellschaftstauglich erklärt hat, seit die Gesellschaft es als gesellschaftstauglich akzeptierte – ich schriebe darüber. Deshalb verwundert mich auch nicht, dass der Neoliberalismus so krass wirken kann. Ist er doch letztendlich auch Ausdruck der Fokussierung auf das Teil, das eigene Ich, die Negation der Gemeinschaft und damit dann in Folge der Entmachtung der Gemeinschaft.

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Heinz

Jahrgang 1958, am Leben interessiert, auch an dem anderer Menschen, von Rückschlägen geprägt. Nach diversen Tätigkeiten im Außendienst für mehrere Finanzdienstleister und zuletzt als Lehrkraft auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ökonomie und Gesellschaft, den Kapitalismus in all seinen Formen zu verstehen und seit Jahren zu erklären ist meine Motivation. Denn ich glaube, nur wer versteht, wird auch Mittel finden, die Welt zu einer besseren Welt zu machen. Leid und Elend haben ihre Ursache im Unverständnis.

2 Gedanken zu „Das esoterische Denken“

  1. Ich bin etwas schwer in den Text gekommen, die Sätze für mein kleines Hirn zu komplex und verwunden, aber so langsam fiel der Groschen: Ja, dieses ICH ist sicherlich nicht schlecht als Ausgangspunkt, um dann auf das Gesamtbild und die Gesellschaft/Gemeinschaft zu schwenken. Aber wirken müssen wir auch in unserem Umfeld, wollen wir ja sogar, selbst die stark ICH bezogenen tun dies ja auch, um sich gesehen zu fühlen. Selbst wenn der Mensch doch eine Insel ist, dann ist zwischen den Inseln eine Menge Wasser, das uns verbindet. Together we stand, together we fall … and we will.

  2. Eigentlich ist es die Existenz, die ich als Ausgangspunkt hier setze und nicht das eigene ICH, Dirk. Das man natürlich von seiner eigenen Existenz auszugehen hat, ist klar, aber das auch die anderen Existenzen immer mit zu denken sind, das war eigentlich beabsichtigt von mir zu sagen.

    Dass das eigene ICH wenig ausrichten kann, wenn es sich nur dem eigenen ICH widmet, war eigentlich, die von mir gedachte, Essenz des Ganzen. Das die, die nur auf das ICH setzen, diesem Ganzen sogar Schaden zufügen, wollte ich sagen.

    Aber auch hier gilt, was immer gilt in der Kommunikation: der Sender (ich) ist verantwortlich dafür, was der Empfänger (du) verstehen kannst. Danke also für die Kritik an meiner Sprache, ich werde mich bemühen diese, doch sehr schwer verständlichen Zusammenhänge, irgendwie verständlicher zu machen in Zukunft.

    Vielleicht aber hilft dir dieser Hinweis. Wir denken zumeist von oben nach unten, immer vom Ideal her, so wie Platon schon, so wie auch die Aufklärer. Ich habe gelernt von unten nach oben zu denken. Von der Existenz zur Vision zu denken – Ideale lehne ich gänzlich ab, somit auch Ideologien. So sind dann auch meine Texte meist nur dann verständlich, wenn man sich dem Ideal verweigert, zumindest anerkennt, dass es hier nie um Ideale geht, sondern um die Vielfältigkeit der Existenz und der Existenzen.

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