Scheindebatten – wohin man schaut, Scheindebatten

In der derzeitigen Politik geht es nicht mehr um Politik im Sinne des friedlichen Zusammenlebens von Menschen, welches ein allgemeines Sicherheitsgefühl in der Gesellschaft voraussetzt, sondern um Anpassungen an das System der Marktwirtschaft. Es geht nicht mehr um Mensch und Natur, um die Qualität, sondern nur noch um Quantität, nur noch darum, Mensch und Natur und alles, was Mensch und Natur ausmacht, an das System der Marktwirtschaft anzupassen. Der Marktwirtschaft, der großen allgemeinen Überzeugung unserer Zeit, hat sich alles anzupassen, lange schon auch die Politik. Die Marktwirtschaft ist deshalb auch ursächlich dafür, warum wir uns in immer mehr Scheindebatten verzetteln, verzetteln lassen.

Gut ist das daran zu sehen, wie wir Begriffe setzten, wie falsch und/oder inhaltsleer die Begriffe verwendet werden, wenn man nur mal kurz hinter die Begriffe schaut. Erschreckend ist für mich, wie wenig noch hinter die Begriffe geschaut wird, Debatten damit nur eine Richtung kennen: Marktwirtschaft.

Dieser Tage ist mir das wieder einmal aufgefallen, als ich den Diskussionen um die „Verkehrswende“ folgte, einem Begriff, der inhaltlich nicht einmal annähernd mehr etwas mit dem zu tun hat, was man unter Wende verstehen müsste, wenn es wirklich um Wende ginge. Es geht in jeder Diskussion, welche diesen Begriff missbraucht, bei jedem Vorschlag von Regierung und Opposition zum erreichen dieser „Wende“, nur um Anpassung, nicht um Wende. Der Verkehr und der Mensch und die ihn umgebende Natur soll angepasst werden, an die Marktwirtschaft, um die Schäden der Marktwirtschaft an Mensch und Natur ein wenig zu heilen, kleiner zu machen. Zu mehr ist man derzeit nicht bereit, auch die nicht, die von einer flächendeckenden E-Mobilität gerade träumen oder vom Car-Sharing oder vom – längst von der Industrie als unmöglich erkanntes – autonomen Fahren. Um eine echte Wende geht es nicht. Nicht bei der Regierung und auch nicht bei der Opposition und meist auch nicht in der gesellschaftlichen Diskussion.

Eine Wende, eine echte Wende, würde nämlich die Frage nach Lebensqualität zentral stellen, nicht erst, wenn sie offensichtlich schon verloren gegangen ist. Es würde, sowohl in der Stadt, wie auch auf dem Lande, um die Lebensqualität gehen, eine bessere, weil andere. „Wie wollen wir in Städten und auf dem Lande leben?“ diese Frage gelte es zuerst zu stellen und zu beantworten. Denn erst nach Beantwortung dieser Frage stellt sich die Frage der Mittel. Gehen die Mittel voraus, so kann man von Anpassung sprechen, aber nicht mehr von Wende.

Eine echte Wende wäre in Zeiten des immer mehr Verkehrs, mal auf weniger Verkehr zu setzen, etwas, was ich meist schmerzlich in den Kommentaren vermisse.

Eine wirkliche Verkehrswende ist deshalb auch nur möglich, wenn wir eine Wende insgesamt vollziehen, dem Markt die Deutungshoheit entziehen, die er sich über die Preise aneignen konnte und diese Deutungshoheit darüber, wie wir leben wollen, wieder den Menschen zu übertragen und seinen Institutionen.

Eine wirkliche Verkehrswende ist deshalb auch erst nach einer gesellschaftlichen Diskussion darüber wie wir leben möchten möglich, nicht vorher. Ohne diese erneute Diskussion, ohne die alten Antworten insgesamt in Frage zu stellen, Neue zu finden, wird das nichts mit einer Wende, in welchem Bereich auch immer, den die Marktwirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hat.

Alle, die anderes behaupten, wollen keine Verkehrswende, sie wollen eine Verkehrsanpassung, eine Anpassung des Menschens und der Natur an die Bedürfnisse der Wirtschaft, eine Veränderung rein unseres Verhaltens im Sinne der Marktwirtschaft, des Denkens in Wohlstand, nicht in Wohlfahrt. Sie glauben nur, wenn sie sich selbst Glauben schenken, eine Wende zu wollen, eine Wende erreichen zu können.

Sie irren sich!

Sie verschwenden wertvolle Zeit mit diesen vielen Scheindebatten á la „Verkehrswende“!

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Heinz

Jahrgang 1958, am Leben interessiert, auch an dem anderer Menschen, von Rückschlägen geprägt. Nach diversen Tätigkeiten im Außendienst für mehrere Finanzdienstleister und zuletzt als Lehrkraft auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ökonomie und Gesellschaft, den Kapitalismus in all seinen Formen zu verstehen und seit Jahren zu erklären ist meine Motivation. Denn ich glaube, nur wer versteht, wird auch Mittel finden, die Welt zu einer besseren Welt zu machen. Leid und Elend haben ihre Ursache im Unverständnis.

2 Gedanken zu „Scheindebatten – wohin man schaut, Scheindebatten“

  1. Das trifft es meiner Meinung nach auf den Kopf: Anpassung. Eine Wende bedeutet zumindest inhaltlich einen Richtungswechsel (oder auch „einschneidende Veränderung“). Der Plan sollte lauten: Idealvorstellung/Vision als Zielvorstellung und die „Anpassungen“ sollten genau diese Vision Stückweise umsetzen, bis das (u. U. vorläufige) Ziel erreicht ist. Denn welches Ziel ist schon endgültig? Aber ohne Vision wird es bei monetär ausgerichteten Anpassungen bleiben. Kein Tag, an dem ich nicht eine Phantasie zum kompletten Umbruch unserer Regierungsformen und -praktiken habe … bisher noch immer gewaltfrei … außer in Anflügen ;)

  2. Dirk, ein Richtungswechsel würde das Primat der Politik voraussetzen und dem steht die Marktwirtschaft entgegen, die nämlich das Primat der Märkte ist und nichts anderes letztendlich. Märkte sind auf Anpassung gepolt und zwar an Anpassung an die Märkte nicht an die gesellschaftlichen Notwendigkeiten. Letztere Interessen nur dann, wenn sie nicht mehr zu leugnen sind und wenn sie dadurch zu einer Gefahr für die Märkte werden, wenn, wie ich es sage „Marktwirtschaft auf die Realität trifft“. Dicke Bretter sind da noch zu bohren.

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