Noch mal was zur Nachfrage …

Vor fast fünf Jahren schrieb ich hier auf unterströmt schon mal einen Artikel zu dem Thema „Angebot und Nachfrage“, in dem ich aufzeigte, dass das Angebot die Nachfrage bestimmt – und nicht umgekehrt. Da sich allerdings immer noch der Mythos hält, dass die Nachfrage einen entscheidenden Einfluss auf das Angebot hätte, hier noch mal eine kleine Ergänzung zum damaligen Artikel.

Im Rahmen meines gerade vollzogenen Umzugs habe ich nämlich die reichlich Erfahrung mit einer „Errungenschaft“ unserer Zeit machen müssen: Callcenter. Wenn man etwas von größeren Unternehmen möchte und deswegen dort anruft, landet man eigentlich mittlerweile fast immer zunächst in irgendwelchen Warteschleifen, bekommt zuweilen auch eine automatische Stimme, die einige Angaben abfragt, an die Strippe, und schließlich hat man dann einen Callcenter-Mitarbeiter am Apparat, dem man sein Anliegen schildern kann.

Kennt Ihr irgendjemanden, der das toll findet, der meint, dass dieses Prozedere besser wäre als der klassische Sachbearbeiter? Dieses Hotline-Callcenter-Gedöns ist ja auch etwas, was durchaus Nerven kosten kann: Man hängt in Warteschleifen fest, was u. U. viel Zeit kostet, man wird zuweilen komplett abgebügelt, ohne mit einem richtigen Menschen gesprochen zu haben, man wird aufgefordert, später noch mal anzurufen, da gerade niemand Zeit für einen hätte, und wenn man wegen eines Vorgangs mehrmals anrufen muss, dann darf man den ganzen Sermon jedes Mal von Neuem berichten, da man in den seltensten Fällen zweimal den gleichen Callcenter-Agent am Telefon haben dürfte.

Mir ist zumindest nicht bekannt, dass es vor einigen Jahren mal eine Nachfrage nach derartigem Service gegeben hätte – und dennoch wird man heute andauernd damit konfrontiert, ob man nun will oder nicht.

Die Begründung dafür ist die gleiche wie immer: Nicht die Nachfrage bestimmt das Angebot, sondern das Angebot wird von Rentabilitätsüberlegungen und Profitstreben dominiert, und im Zweifel wird dann eben noch mithilfe von Werbung, PR und Marketing dafür gesorgt, dass der Konsument das auch haben will.

So wie beispielsweise bei den SUVs. Kennt Ihr jemanden, der vor 15 Jahren gesagt hat: „Och, so ein Pseudogeländewagen mit enormen Ausmaßen, das wäre doch genau das Richtige für den Stadtverkehr – so was müsste es mal geben!“? Ich nicht … Und dennoch fahren diese hässliche Proll-Panzer heute in großen Massen in den Städten umher. Ein sehr offensichtliches Beispiel, wie sich die Nachfrage über Werbung ihre Nachfrage schafft.

Wobei natürlich Callcenter nicht beworben werden müssen. Aber hier greift dann ein anderer Mechanismus, nämlich dass große und marktbeherrschende Unternehmen eben einfach Dinge nicht im Sinne der Verbraucher, sondern des eigenen Profits machen. Da werden die Kunden erst mittels Werbung geködert, und wenn man sie dann erst am Haken hat, springt man mit ihnen um, wie man möchte, und nervt sie mit Callcentern und Hotlines sowie dem daraus resultierenden miesen Service. Und solange die Mitbewerber das auch alle so machen, ist es für den Kunden auch letztendlich wurscht, mit welchem Unternehmen er sich rumärgert.

Doch mit der Legende der Nachfrage, die das Angebot bestimmt, lässt sich ja auch so schön Stimmung machen im Sinne der marktradikalen Ideologie, denn man kann darauf abstellen, dass der Einzelne ja durch sein (Konsum-)Verhalten großen Einfluss auf das Gebaren von Unternehmen habe. Dass das nicht so ist, hat vor einiger Zeit ja bereits die Autorin Kathrin Hartmann in einem sehr lesenswerten Interview zum Thema Greenwashing in der Süddeutschen Zeitung treffend beschrieben. Nur ist eben so die Politik schön aus dem Schneider, wenn der Konsument angeblich komplett selbst die Verantwortung hätte, und man kann allen Ansinnen nach Regulierung mit dem Totschlagargument kommen, dass ja die Freiheit angeblich durch übermäßige Verbote eingeschränkt wurde.

Denn eines muss man sich vor Augen halten: Solche neoliberalen Mythen werden nicht umsonst am Leben gehalten, obwohl sie mit der Realität nichts zu tun haben, sondern dienen immer dem Zweck, die marktradikale Agenda in den Köpfen der Menschen zu manifestieren. Weswegen man diesem Umfug auch tunlichst widersprechen sollte, wenn man ihm begegnet.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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