Das Märchen von den zu hohen Lohnnebenkosten

Manchmal denke ich, dass wir hier im Lande „Peterchens Mondfahrt“ oder irgendein anderes Märchen aufführen, aber nicht wirklich Politik machen in den Parlamenten, den Talkshows oder wo auch immer gerade öffentlich das Stück „Gesellschaft“ aufgeführt wird. Alle reden davon, es besser zu können als die anderen, aber niemand scheint wirklich zu wissen, wie. Sie können dies auch ungestraft tun, weil sie nicht als das erkannt werden, was sie in der großen Mehrzahl sind: Märchenerzähler.

Märchen, Märchen, wohin man nur schaut, derzeit wieder einmal das Märchen von den zu hohen Lohnnebenkosten und wie man sie durch Privatisierung der Daseinsvorsorge senken könne, ohne dabei die Gesellschaft zu zerstören, sie sogar besser machen könnte. Selten, sehr selten habe ich ein dümmeres Märchen zu hören bekommen.

Wer diese Gesellschaft wieder zu einer besseren Gesellschaft machen will, der darf die Lohnnebenkosten nicht weiter senken, muss sie sogar erhöhen, muss die Steuerzuschüsse erhöhen und damit Änderungen bei der Besteuerung von Einkommen, Vermögen und Erbschaften durchsetzen, die diese Steuerzuschüsse dann ermöglichen. Auf keinen Fall darf er die Verbrauchssteuern noch weiter erhöhen, denn wer das macht, macht die Gesellschaft zu einer schlechteren Gesellschaft.

Wer die Lohnnebenkosten nicht erhöhen will, auf Private setzt, der muss die Löhne erhöhen, die Brutto- wie die Nettolöhne, und zwar drastisch. Denn das Private muss bezahlt werden können, auch von denen, die es derzeit nicht bezahlen können, wenn wir wirklich Altersarmut, Kinderarmut und die vielen anderen Notstände beheben wollen.

So oder so, aber ohne Erhöhung der Arbeitskosten geht es nicht

Wer will, dass die Gesellschaft besser wird, der darf keine Märchen erzählen, der muss die Arbeitskosten erhöhen für die Betriebe, denn Arbeitskosten für die Betriebe sind das Einkommen der Belegschaften, sind deren Anteil an der Wertschöpfung, sind Nachfrage, auch Nachfrage nach Alters- und Gesundheitssicherung, die damit aus den Arbeitskosten von den meisten zu zahlen sind, ganz gleich, ob dafür Lohnnebenkosten benutzt werden oder die Nettolöhne oder – wie bei der betrieblichen Altersversorgung – die Bruttolöhne. Wer anderes behauptet erzählt Märchen.

Wer alles will, Lohnnebenkosten senken, Löhne niedrig halten, die Wohlhabenden vor Steuern beschützen, das Klima oder was auch immer über Verbrauchssteuern retten, der wird die Gesellschaft weiter schlechter machen, noch aggressiver, noch kälter, noch geteilter. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Denn so sind die Zusammenhänge und nicht anders in einer Gesellschaft, die sich der Marktwirtschaft verschrieben hat: Was von Wert ist, das kostet Geld, und irgendwer muss es irgendwie bezahlen, wenn es gebraucht wird. Ein sicheres Leben im Alter, gute Gesundheit und Pflege, werden gebraucht, mehr denn je werden sie gebraucht. Noch weniger davon können wir nicht gebrauchen. Beides, gute Versorgung und immer weniger dafür bezahlen zu müssen, ist Nonsens und bleibt Nonsens. Wer anderes erzählt, erzählt Mumpitz, erzählt Märchen, und es ist bewusste Täuschung von denen, die sie erzählen, und jeder, der sie glaubt, wäre gut beraten, sich das auch klarzumachen.

Märchen und ihre Erzähler

Vom BDI, von den Banken, von deren Lobbyisten, auch denen in den beiden marktradikalen Parteien FDP und AfD, kann ich diese Täuschung ja noch ertragen, ist sie normal, denn denen geht es nicht um Gesellschaft, sondern um ihre Profite, um das, was sie uns täglich um die Ohren hauen, weil ihnen ja sonst auch nichts anderes einfällt, die Wettbewerbsfähigkeit nämlich. Alte, Kranke, Pflegebedürftige, hohe Löhne und Gehälter, Arbeitslose, die Kinder der anderen, hohe Sozialausgaben stehen dieser im Wege. Verständlich, dass sich die, die von dieser Wettbewerbsfähigkeit reden, von ihr profitieren, nichts anderes mehr im Kopf haben, als diese Wettbewerbsfähigkeit. Es scheint ihnen schon in den Privatschulen und Privatunis eingetrichtert worden zu sein, vielleicht saugen sie es aber auch schon mit der Muttermilch auf. Manch eine arrogante Äußerung, mich für dumm verkaufen wollende Argumentation aus diesen Kreisen lässt mich das vermuten, viele Gesetze aus den letzten Dekaden auch.

Wenn aber Gewerkschaften und Parteien mich für dumm halten (oder selbst dumm sind, ich weiß es nicht), dann schmerzt mich das. Denn dann heißt das nur eines: Es wird so weitergehen, wie es seit Jahrzehnten hier geht. Der Kleine zahlt die Zeche für den Großen, denn der Kleine wird immer weniger übrig haben, um für das Alter, die Pflege, die Gesundheit auch vorsorgen zu können. Viele Kleine, immer mehr Kleine, werden gar nicht mehr vorsorgen können, werden von Almosen leben müssen, seien es die der Tafeln oder des Staates.

Solidarität mit den Wohlhabenden, mehr Solidarität scheint es in Deutschland nicht zu brauchen, um sich als Partei und als Gewerkschaft noch das Mäntelchen von Solidarität umhängen zu können. Wirkliche Solidarität sehe anders aus, wäre kein Märchen, wie es uns derzeit rund um die Uhr erzählt wird.

Hört also bitte auf, mich für dumm zu halten. Hört auf, mir immer wieder erzählen zu wollen, dass es das Perpetuum mobile geben würde, ihr Märchenerzähler von links bis rechts, ihr Märchenerzähler der CDU/CSU, der FDP, der Grünen und der SPD, ihr Märchenerzähler in Regierung und Opposition.

Nichts ist umsonst, auch der Sozialstaat nicht

Der Sozialstaat kostet Geld, und irgendwoher muss das Geld kommen. Wer weniger Geld für den Sozialstaat aufbringen will, weil ihm die Wettbewerbsfähigkeit wichtiger ist, der soll das zugeben, der soll endlich ehrlich sagen, dass Humanität nicht die erste Priorität hat in seinem und ihrem Denken und aufhören, so zu tun, als ob. Er und sie sollte sich nicht hinter Gerechtigkeitsgeschwafel verstecken, über Generationsgerechtigkeit labern, wenn es ihm und ihr doch nur um eines geht, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und damit um die Kapitalprofite. Sie sollten zugeben, dass ihnen die Wertschöpfung der Belegschaft genauso am verlängerten Rücken runterrutscht wie eine gerechte, weil wieder wirklich solidarische Gesellschaft.

Weder die Quadratur des Kreises ist möglich, noch gibt es das Perpetuum mobile, und wer anderes erzählt, der und die sollte seine und ihre Zertifikate zurückgeben, denn sie taugen nichts, oder sich dorthin scheren, wo der Pfeffer wächst, solange er dort noch wachsen kann. Am besten machen sie beides!

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Heinz

Jahrgang 1958, am Leben interessiert, auch an dem anderer Menschen, von Rückschlägen geprägt. Nach diversen Tätigkeiten im Außendienst für mehrere Finanzdienstleister und zuletzt als Lehrkraft auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ökonomie und Gesellschaft, den Kapitalismus in all seinen Formen zu verstehen und seit Jahren zu erklären ist meine Motivation. Denn ich glaube, nur wer versteht, wird auch Mittel finden, die Welt zu einer besseren Welt zu machen. Leid und Elend haben ihre Ursache im Unverständnis.

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