Angst vor Veränderungen oder einfach aggro

Die Schnittmenge der Menschen mit Angst vor Veränderungen treibt bunte Blüten: ob der menschgemachte Klimawandel trotz erdrückender Beweise angezweifelt wird, die Versäumnisse der Politik auf Zuwanderer abgewälzt wird oder eine irrationale Angst vor der Auslöschung der Deutschen diese Ablehnung schürt. Derzeit fordert die junge Generation Verbote zur Rettung des Klimas, und die ältere Generation wehrt sich nach Kräften, möchte „Anreize anstatt Verbote“ (was wir in der Wirtschaft oft als lächerlich abtun, wird schnell zum Dogma, wenn es um die persönlichen Einschränkungen geht).

Aber auch die bürgerliche Mitte hat solche wenig rationalen Ängste: Anders ist es nicht zu erklären, dass trotz massiver Unzufriedenheit mit der Regierung die Menschen weiter die Großparteien wählen und trotzdem auf eine Veränderung zum Guten hoffen. Wenn der blinde Fleck beim Blick nach vorn in die Zukunft so groß ist, dass man nur noch in die Vergangenheit schaut, dann muss man die Hosen schon gestrichen voll haben. Wahrscheinlich gibt es diese Angst vor Veränderung schon so lange wie die Menschheit selbst, aber in Deutschland ist diese sehr ausgeprägt (nicht umsonst gibt es auch im Ausland den Begriff „German Angst“).

Ich dachte immer, gerade der rechte Rand der Gesellschaft sei besonders ängstlich, was die Zukunft angeht. Im bürgerlichen Spektrum der rechts Denkenden ist das wahrscheinlich auch zutreffend, denn dort wird sich immer wieder auf die alten Zeiten berufen und auf das Zurück zu vermeintlich besseren Zeiten (wobei man natürlich seinen heutigen Lebensstandard und die medizinischen Fortschritte mit in die alte Zeit nehmen möchte). Allerdings kam mir neulich der Gedanke, dass es bei den extrem gewalttätigen Menschen (nicht nur vom rechten Rand) oft andere Gründe hat: Befriedigung durch Adrenalin-Stimulation (ich kenne viele Menschen, die sich „scheinbar gern aufregen“ und in Rage reden), eigne Aufwertung durch Abwertung anderer, Abbau von wirtschaftlichem oder gesellschaftlichem Druck, Gruppenzwang oder Angst vor Ausgrenzung (was am paradoxesten scheint: ausgrenzen, um nicht ausgegrenzt zu werden).

Und weil Menschen mit einem solchen Dogma meistens eher dazu neigen, einfach zu denken, nicht die Mühen des Hinterfragens auf sich nehmen, lieber uninformiert bleiben wollen und Tatsachen ignorieren, deshalb machen sie ihren Hass einfach an äußeren Kriterien fest: dunkle Haut oder leicht zu stigmatisierende Behinderungen. Zu Zeiten der NSDAP gab es noch nicht so viele dunkelhäutige Menschen in Deutschland, sodass der Hass staatlich reglementiert auf die Menschen umgelenkt wurde, deren Besitz man für den Krieg benötigte: die Juden. Und wieder machten sich die mit Hass erfüllten Menschen zu den Erfüllungsgehilfen der politischen Egomanen. Wie auch heute wieder ein Höcke, körperlich mehr Lamm als Wolf, mehr zart als hart, die vermeintlich harten Jungs lenkt und deren Hass kanalisiert. Es fällt mir schwer, hier nicht auch das Bild des Soldaten zu thematisieren.

Wer an „Gewalt gegen andere“ auch nur mit einem Funken Verstand herangeht, der weiß: Gewalt erzeugt Gegengewalt. Deshalb ist es sicherlich sinnvoll, solches Verhalten auszugrenzen, aber mit Anfeindung und Gegengewalt wird kein Mensch sein Weltbild überdenken (sondern es wird eher gefestigt, da die eigene Annahme vom „feindlichen Lager“ reflektiert wird). Und auch die harten Jungs weinen um die Opfer, wenn die Gegengewalt die eigenen Freunde und Verwandten trifft, es Tote zu beklagen gibt, das Unwiederbringliche eintritt. Oder um es philosophischer auszudrücken: Auge um Auge macht am Ende alle blind.

Das soll keine allgemeine Erklärung für rechtes Denken oder das aggressive Verhalten einer Minderheit sein, sondern einfach nur eine Meinung, eine Perspektive, ein Gedanke. Deshalb heißt dieser Blog auch „Meinung statt Mainstream“, denn die Gedanken sind frei oder sollten es zumindest sein. Auch wenn das leider in Zeiten der einfachen Propaganda durch TV und Internet nicht immer so ist und vielleicht nie anders war. Denn wie sagte einmal ein Mensch, der dieser Gewalt abgeschworen hatte:

„Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt.“ (Mahatma Gandhi)

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Dirk

Jahrgang 1974, in erster Linie Teil dieser Welt und bewusst nicht fragmentiert und kategorisiert in Hamburger, Deutscher, Mann oder gar Mensch. Als selbstständiger IT-Dienstleister (Rechen-Leistung) immer an dem Inhalt und der Struktur von Informationen interessiert und leidenschaftlich gerne Spiegel für sich selbst und andere (als Vater von drei Kindern kommt dies auch familiär häufig zum Einsatz). Seit vielen Jahren überzeugter Vegetarier und trotzdem der Meinung: „Alles hat zwei Seiten, auch die Wurst hat zwei!“

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