Nichts ist so schön wie ein konkreter Anlass, um mal wieder Werbung betreiben zu können. Weltfrauentag – ick hör dir trapsen. Im Dunstkreis dieses Tages wabert jährlich so mancher Marketingspaß ans Tageslicht. Ich erinnere mich noch (hier) mit Grauen daran, wie Rossmann mit der „facettenreichen Rossfrau“ aufwartete – von „Naschkatze“ bis „Diva“, hihihi kicherkicher. Was erwartet mich dieses Jahr? Mal sehen …
Auf Facebook blinkte mir die Tage eine Werbeannonce entgegen: „Frauen stärken Frauen“ von Baur. Hey super, denke ich mir, was soll ich tun? Ach so, ich soll ein T-Shirt kaufen und damit „nachhaltige und soziale Projekte unterstützen“. Das Shirt hat dann auch den klangvollen Namen „Menschenrechte“. (Quelle)
Die Vogue bringt auch ein T-Shirt raus: „Weltfrauentag sollte immer sein. Setzen Sie mit diesem T-Shirt ein Statement – oder beschenken Sie eine Frau, die Ihnen wichtig ist.“
Ach ka: Und hier geht es übrigens zum Shop … (Quelle)
Noch ein Beispiel: „Ein Armband gegen Gewalt an Frauen!“
Diese Anzeige von UN WOMEN Nationales Komitee Deutschland e. V. befindet sich regelmäßig in Zeitschriften, nicht nur zum Weltfrauentag, passt hier aber m. E. gut ins Thema. Aktuell habe ich es in der InStyle, Ausgabe März 2020, gefunden. Abgebildet sind hübsche, handgefertigte, fair gehandelte Armreifen zum Preis von 39,90 Euro. (Der Preis findet sich online; Quelle.)
Auf der Seite gegenüber Ohrringe von Luxusmarken, von denen der Teuerste 1.050,- Euro kostet. (Ich erwähne Letzteres hier nur, weil das für sich genommen schon einfach nur absurd ist. Die Rolle von Luxusgütern und deren Auswirkung auf Gesellschaft und Umwelt soll aber an anderer Stelle erzählt werden.)
Mal nachdenken: Wer liest und kauft das? Frauen.
Die Website Wunderweib schreibt dazu in einem etwas älteren Beitrag:
„Für 39 Euro (inklusive Versandkosten) kann jede Frau das Armband HIER kaufen – für sich oder als Geschenk für die Tochter, Schwester, Nichte, Mutter, Enkelin, Cousine oder sogar Großmutter. Je mehr Charity-Armbänder verkauft werden, umso besser!“ (Quelle)
Darf ich an der Stelle nachfragen, in wie vielen Zeitschriften/Medien mit der Zielgruppe „Mann“ Produkte feilgeboten werden, die Frauen „helfen“ sollen?
Ich habe mir den Spaß gegönnt, Auto- und Hifi-Zeitschriften durchzublättern. Ergebnis = null. (Freue mich über Hinweise, die mein Ergebnis widerlegen.)
Fassen wir kurz zusammen: Gleichberechtigung und „Empowerment“ sind (mal wieder) als Trend angekommen. „Trend“ heißt: verkauft sich. Zielgruppe dieses Trends sind Frauen.
Überspitzen wir das Ganze: O. k., wir haben ein Problem mit dieser „Gleichberechtigung“. Wir müssen etwas dagegen tun. Am besten, indem wir etwas kaufen, denn – hey – damit schagen wir ja gleich zwei Fliegen mit einer Klappe und tun das, was wir Frauen am besten können: shoppen.
Frauen sind hiermit zugleich Opfer und Problemlöser in einem. „Genial!“
Kann es so einfach sein? Nein.
Die schlechte Nachricht: Sorry, Freunde und „Mädels“, so wird es nicht gehen.
Die gemeine Wahrheit ist: Gleichberechtigung ist eine Herkulesaufgabe, die nur gesamtgesellschaftlich (und global) zu lösen ist. Respekt und Achtung aller Menschen voreinander ist nicht einfach zu erreichen. Und schon gar nichts, was sich shoppen lässt. Nein, es ist harte Arbeit. Sorry, nicht sexy und macht sich auch nicht so geil auf Insta.
Nun möchte ich sicherlich nicht die Arbeit von Hilfsorganisationen infrage stellen, ganz im Gegenteil. Mir ist es auch klar, dass für diese Arbeit Geld benötigt wird. Ebenso wenig möchte ich die Produkte konventioneller Unternehmen und Konzerne in einen Topf werfen mit solchen, die sozialverträglich produziert und fair gehandelt werden.
Was mich abstößt, ist der pure Slogan, auf den so viele aufspringen: „Jetzt kaufen und Gutes tun!“ Dieses Mantra vereint auf perfide Weise verschiedene Gedankengänge und Wünsche: Ich habe Bock auf Shoppen, ich helfe gern, ich erleichtere mein Gewissen. Es lenkt aber leider von der eigentlichen Arbeit komplett ab, in dem es „Hilfe“ zu einer Ware macht. Ein Klick und gut is’? Es ist auf traurige Weise mühelos.
Und bringt – so meine Schlussfolgerung – in der Sache vermutlich rein gar nichts. Denn die Ansprache ist einseitig an Frauen gerichtet. Männer bleiben außen vor. Aber so wird es ganz und gar nicht gehen.
Eine ketzerische Frage noch hinterher: Wenn Frauen sich Gleichberechtigung erkaufen können, obliegt ihnen selbst dann nicht auch ein Teil der Verantwortung dafür, ob das denn auch alles so klappt? Stichwort „Verantwortung des Konsumenten“ oder: Wie frau sich bettet, so liegt frau auch?
Ach ja: Am 8. März 2020 ist Weltfrauentag.
Und allen, die meinen, ein Weltfrauentag sei überflüssig, möchte ich abschließend Folgendes entgegnen: An dem Tag, an dem es keine Vergewaltigung mehr gibt, keine Zwangsprostitution, Genitalverstümmelung und sonstige Misshandlungen, keine Notwendigkeit von Frauenhäusern und sonstigen Hilfen physischer und psychischer Art, an diesem Tag können wir uns darüber unterhalten, den Weltfrauentag abzuschaffen. Ich wäre mehr als glücklich, solchen Gedenktag abschaffen zu können.