Was ist denn nun mit dem Asthmaspray?

Im April schrieb ich in einem Artikel von einer Studie, die bei dem Asthmaspray Budesonid eine gute Wirksamkeit gegen schwere Covid-19-Verkäufe attestierte. Jetzt hab ich mich gerade mal gefragt, was denn eigentlich aus dieser Sache geworden ist, denn immerhin war es SPD-Gesundheitsexperte und Dauergast in allen Talkshows zum Thema Karl Lauterbach, der dabei von einem „Gamechanger“ sprach.

Eine Internetrecherche brachte mich dann zu einigen Artikeln in medizinischen Fachzeitschriften und -portalen (s. beispielsweise hier und hier), aber auch vom MDR (s. hier), in denen die Studienergebnisse kritisch gesehen wurden. Die beiden Hauptkritikpunkte: Die Vergabe sei nicht blind erfolgt, sodass ein Placebo-Effekt möglich sei, und es seien nicht genug Probanden beteiligt gewesen. Wobei auch schon ein Artikel in der Pharmazeutischen Zeitung vom Februar dieses Jahres, also direkt nach Veröffentlichung der Studienergebnisse, genau dies anmerkte:

Allerdings müssen die Ergebnisse noch in unabhängigen, größeren klinischen Studien, am besten placebokontrolliert wiederholen lassen, bevor nun alle leicht an Covid-19-Erkrankten ein inhalatives Corticoid verordnet bekommen.

Was noch kritisch gesehen wurde: dass bei einer umfangreichen Gabe von Budesonid an Covid-19-Patienten nicht mehr genug davon für Asthmakranke vorhanden wäre.

Merkwürdig finde ich nun allerdings, dass ich nichts zu einer entsprechenden Folgestudie finden konnte. Diese dürfte ja nun nicht allzu aufwendig sein, da Budesonid ja ein bereits zugelassenes und erprobtes Medikament ist, das zudem wenig Nebenwirkungen aufweist. Die Schwäche der ersten Oxford-Studie bezüglich eines möglichen Placebo-Effekts hätte man auch schnell auflösen können, indem man von zwei Probandengruppen dann einer ein Dummy-Spray ohne jede Wirkung verabreicht. Ist ja nichts Neues, sondern im medizinischen Bereich gängige wissenschaftliche Praxis.

Warum ist es also noch nicht zu so einer Studie gekommen, wenn damit doch aller Voraussicht nach ein Medikament hätte gefunden werden können, das schwere Covid-19-Verläufe deutlich unwahrscheinlicher macht?

Ich hab da so meine Vermutung: Mit einem bereits vorhandenen und zudem noch recht günstigen Medikament kann man nicht so viel Geld scheffeln wie mit einem komplett neu entwickelten, und davon stehen ja gerade die ersten vor der Marktreife oder wurden sogar schon zugelassen. Insofern dürfte das wirtschaftliche Interesse an so einer Studie nicht sonderlich groß sein, und das ist ja leider fast immer ausschlaggebend in heutiger Zeit.

Wenn es tatsächlich ernst wäre mit der Bekämpfung der Pandemie, dann hätte man m. E. so eine umfassende Studie mit öffentlichen Geldern schleunigst in die Wege leiten sollen, und nebenbei hätte man schon mal abchecken können, wie denn die Produktionskapazitäten ausgeweitet werden könnten, sollte sich Budesonid tatsächlich als „Gamechanger“ erweisen.

Man stelle sich nur mal vor, wenn sich die Ergebnisse aus der Oxford-Studie belastbar bestätigt hätten. Oder selbst wenn nicht 90, sondern nur 50 Prozent der schweren Verläufe mit Budesonid hätten vermieden werden können – die Situation in den Krankenhäusern wäre dann wohl deutlich entspannter zurzeit.

Aber so wie es aussieht, verlässt sich die Politik mal wieder auf ihren viel geliebten „Markt“, der das schon irgendwie regeln wird, anstatt mal selbst beherzt das Heft zu ergreifen. Und dass die Erkenntnisse aus der Oxford-Studie in politischen Kreisen angekommen sein müssen, belegt ja die Aussage von Lauterbach dazu.

Und nun haben wir den Salat, denn dass eine virale Atemwegserkrankung im Herbst wieder vermehrt auftreten wird, ist ja nun auch keine Überraschung. Bitter ist daran vor allem, dass Anfang des Jahres eine tatsächlich nicht unwahrscheinliche Option aufgezeigt wurde, dem auf der symptomatischen Ebene zu begegnen – und das Ganze dann irgendwie nur im Sand verlaufen ist, so wie es aussieht.

Die Impfungen sind eine gute Sache. Sich ausschließlich darauf zu verlassen und ansonsten die Hände in den Schoß zu legen, wird der Komplexität einer solchen Pandemie nicht ansatzweise gerecht.

Aber das soll es wohl auch nicht, die Corona-Nutznießer wird es zumindest freuen.

Mal wieder wird deutlich: Es geht nicht um die Menschen und deren Gesundheit …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Was ist denn nun mit dem Asthmaspray?“

  1. Das hatte ich auch aus den Augen verloren. Was das Infektionsgeschehen angeht, wäre ja die Verhinderung von schweren Verläufen ja erst einmal nicht so relevant, aber sicherlich was die Auslastung der Krankenhäuser angeht (die ja mittlerweile auch als Maßstab des Infektionsgeschehens herangezogen wird) und vor allem könnte es schlicht und einfach Leben retten. Aber wie Du schon schreibst: Es geht nicht um die Menschen.

    Ob dahinter Kalkül der Politik im Sine der Konzerne steckt, lässt sich aus meiner Sicht nicht mit ja oder nein beantworten, denn es sind ja viele Akteur:innen und da wird es sicher auch diverse Beweggründe geben. Aber das sich die Regierung durch massive Inkompetenz immer wieder selbst verunglimpft, das ist schwerlich in Frage zu stellen.

    Gestern auf Frontal21 (ZDF) die 2-minütige Satire passt dazu. Ist die Inkompetenz nur eine Ablenkung vom Verkauf und Verrat an die Konzerne und die ökonomisch Mächtigen dieser Welt oder eher Ausdruck der totalen Selbstherrlichkeit der empathielosen Narzisst:innen der Regierung? In jedem Fall den ich mir denken kann disqualifiziert sich die politische Führung durchweg als unqualifiziert für ein soziales und ökologisches Miteinander.

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