Ugur Sahin auf einem Euroschein?

In ein paar Jahren sollen die Eurobanknoten neu gestaltet werden, und da sollen dann eventuell auch bedeutende europäische Personen drauf abgebildet werden. Der EU-Abgeordnete Moritz Körner (FDP) hat dahin gehend vorgeschlagen, die Biontech-Gründer Ugur Sahin und Özlem Türeci doch auf einem der Scheine zu verewigen (s. hier).

Mal abgesehen davon, dass ich bisher dachte, dass bis auf ein paar selbstgefällige Monarchen eigentlich immer verstorbene Persönlichkeiten auf Geldscheinen abgedruckt werden, so finde ich diese Idee doch ausgesprochen bezeichnend für unseren heutigen Zeitgeist.

Klar, durch die Entwicklung des mRNA-Impfstoffs gegen Covid-19 innerhalb kürzester Zeit hat Biontech schon etwas sehr Positives geleistet, was mit Sicherheit viele Menschenleben gerettet hat. Dennoch halte ich Ugur Sahin für keine besonders bewundernswerte Person, denn man sollte hier doch schon das Gesamtbild im Auge behalten:

  • Biontech hat bei der Entwicklung des Impfstoffes auf mit öffentlichen Geldern finanzierte Grundlagenforschung zurückgegriffen.
  • Biontech hat Personal angeworben, dass seine Expertise in mit öffentlichen Geldern bezahlten Positionen erworben hat.
  • Biontech hat einige Hundert Millionen Euro an öffentlichen Geldern bekommen, um den Impfstoff möglichst schnell fertig zu bekommen (s. hier – auch für die beiden vorherigen Bulletpoints).
  • Ugur Sahin ist mittlerweile einer der reichsten Deutschen und etwa 18 Milliarden Euro (!!!) schwer (s. hier).
  • Ugur Sahin weigert sich weiterhin, die Patente für den von seiner Firma entwickelten Impfstoff freizugeben, sodass dann endlich mal weltweit überall, wo es möglich ist, der Impfstoff auch hergestellt werden könnte (was 120 Produktionsstandorte wären – s. hier).
  • Ohne eine weltweite umfassende Impfung, die durch das Bestehen auf Patenten verhindert wird, wird die Covid-19-Pandemie deutlich verlängert (s. hier), was natürlich die Kassen auch bei Biontech weiter klingeln lässt.

Oder um es mal etwas abstrakter zu formulieren: Jemand nutzt öffentliche Infrastruktur und Gelder, um damit etwas zu entwickeln, was einigen Menschen hilft, wobei er dann aber wesentlich mehr Menschen durch sein Verhalten Schaden zufügt. Und dabei wird er selbst natürlich auch noch in obszönem und vollkommen unverhältnismäßigen Maße reich.

Das träfe dann so in etwa auch auf Leute wie Carsten Maschmeyer, Hanno Berger (den „Erfinder“ der Cum-Ex-Deals), Wirecards Jan Marsalek oder jede Managementniete, die sich und ihren Buddies ordentlich Kohle verschafft und dabei Unternehmen vor die Wand gefahren oder zumindest geschädigt hat, zu. Kommen solche Typen dann auch demnächst auf Eurobanknoten?

Wobei hier ja eine durchaus amüsante Fußnote ist, dass die Idee nun ausgerechnet von einem FDPler kam, dessen Parteikollege und bis vor Kurzem noch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki ja ebenjenen Hanno Berger anwaltlich vertreten hat. Man scheint also generell bei der FDP ein Herz für Menschen zu haben, die sich ohne Rücksicht auf andere bereichern – was allerdings auch nichts ganz Neues ist.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich will Ugur Sahin gar keine derartig kriminelle Energie unterstellen, wie das bei den anderen von mir genannten Gestalten der Fall ist, aber dennoch hat sein Beharren darauf, den Patentschutz nicht aufzuheben, schon ausgesprochen üble Auswirkungen. Und damit passt er dann doch wieder in diese Reihe, wie ich finde …

Dass ein verdienter Wissenschaftler auf einer Banknote abgebildet wird, wäre nach meinem Dafürhalten nicht zu beanstanden. Wenn nun allerdings jemand wie Sahin, der offensichtlich vor allem den eigenen Reichtum im Sinn hat und dabei dann das Ziel, eine globale Pandemie auch global bekämpfen zu müssen, bewusst sabotiert, dort sein Konterfei wiederfinden würde, wäre das schon etwas, was in Richtung Finanzfeudalismus ginge. Feudale Herrscher haben ja schließlich auch schon oft ihre Visagen auf Währungen abbilden lassen.

Dann sollte man sich dafür, auch wenn er ein US-Amerikaner ist, lieber Jonas Salk hernehmen. Der hat nämlich für seinen Impfstoff gegen Kinderlähmung auf eine Patentierung und damit auf eine große Menge Geld verzichtet – Abertausende Menschen, die diese furchtbare Krankheit deswegen nicht bekommen haben, können ihm somit dankbar sein. Es geht also auch anders …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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