Kulturaneignung

Gerade geht das Thema Dreadlocks unter dem Gesichtspunkt der Kulturaneignung erneut durch die Medien.

Vor einiger Zeit lud eine Fridays-for Future-Ortsgruppe eine Sängerin deswegen aus, jetzt brach eine Schweizer Band ein Konzert aus demselben Grund ab, weil sich einige der Besucher unwohl gefühlt haben.

Ich empfinde dabei, ehrlich gesagt, nur Verwunderung.

Wenn sich die Menschen Dingen aus einer anderen Kultur aneignen, weil sie ihnen gefallen, hat das doch eher was mit Weltoffenheit und kulturellem Austausch zu tun. Das falsch zu finden ist doch in meinen Augen schon irgendwie eine Form des Abkanzelns und der Ausgrenzung: Das dürfen wir nicht, das ist nur für die anderen bestimmt.

Dreadlocks haben da aber noch eine Besonderheit, die es schwieriger macht, sie haben ihren Ursprung im Protest der Rastafari-Bewegung u. a. gegen soziale Unterdrückung durch Weiße auf Jamaika in den 30ern des letzten Jahrhunderts.

Aber warum soll man dann nicht gerade als „Weißer“ (ich mag dieses Schwarz/Weiß eigentlich sowieso nicht, weil es schon wieder voneinander trennt, aber irgendwie muss man es ja benennen) nicht indirekt seine Solidarität bekunden dürfen, indem man die Haare ebenfalls so trägt? Es gibt nun doch genug Bekundungen dieser Art in der Geschichte.

Gerade werden doch überall die Farben der ukrainischen Flagge aus Solidarität mit den Ukrainern gegen diesen furchtbaren Krieg genommen. Kommt da jemand an und sagt: „Wie könnt ihr euch als Nichtukrainer die ukrainischen Farben zu eigen machen!“? Das wäre doch auch völlig danebengegriffen.

Um auf Dreadlocks zurückzukommen: Ganz sicher werden die meisten, egal welcher Hauptfarbe, ihre Haare nicht aus politischen Gründen so herrichten, sondern einfach weil es ihnen gefällt. Dann soll man ihnen halt den geschichtlichen Hintergrund erklären, und sie können selbst entscheiden, ob sie es, vielleicht sogar als Symbol der Solidarität, weiter tragen wollen oder ob sie sich dann doch unwohl fühlen.

Übrigens gab es diese Form der Frisur tatsächlich schon früher in vielen unterschiedlichen Kulturen, von daher ist das Thema auch gar nicht so einfach abzuhandeln, es sei denn, man ist pauschal der Meinung, es wäre falsch, sich überhaupt Teile auch vergangener Kulturen anzueignen.

Dass Kulturen Teile von anderen Kulturen übernehmen, ist doch grundsätzlich gut, weil es Verbindung zueinander schafft, was gerade in der heutigen Zeit doch so dringend nötig ist. Viel schlimmer ist es doch, wenn Kulturen anderen Kulturen etwas wegnehmen, darin sind wir mit unserer „westlichen“ Werten Weltmeister. Wenn man zum Beispiel beobachtet, wie McDonald’s & Co global die lokale Essenskultur durch schlechtes Billigessen der US-Kultur zerstören, wird einem schon irgendwie übel.

Darüber sollte man sich vielmehr erzürnen.

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Markus

Jahrgang 1967, Informatiker, pflegt und entwickelt 3-D-CAD-Software in einem kleinen Unternehmen. Träumt von einer progressiven, sozial gerechten und ökologischen Gesellschaft und verzweifelt manchmal an der Frage, warum die meisten Menschen das nicht auch wollen.

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