Minderheitsregierung

Die FDP blockiert und bremst in der Ampelkoalition, wo es nur geht. Das bekommt man ja dauernd zu hören, gepaart mit der Aussagen von Grünen- oder SPD-Politikern, dass man ja gern anders würde, aber eben nicht könne – wegen der FDP! Da frage ich mich dann schon, ob es nicht eine andere Möglichkeit gegeben hätte, als Lindners Gurkentruppe mit in die Regierung zu holen.

Schließlich ist das Verhalten der FDP ja nun nicht überraschend, denn die Partei macht das, was sie eigentlich schon immer (mal von ein paar sozialliberalen Jahren, schwerpunktmäßig in den 70ern) gemacht hat: Klientelpolitik für Vermögende und Großunternehmen ohne Rücksicht auf Verluste bei allen anderen Menschen, Natur, Umwelt und Klima. Das hätte man also auch schon vorher wissen können, zumal sich im Wahlkampf vor der Bundestagswahl im letzten Jahr ja auch reichlich gefetzt wurden vonseiten der SPD und der Grünen mit der FDP.

Und dann holt man auf einmal eine Partei, die nahezu alle Wahlversprechen von SPD und Grünen negiert, mit in die Regierung – und „wundert“ sich dann, dass in den Bereichen Sozialpolitik und Klimaschutz nichts vorangeht. Sorry, aber so dämlich kann doch eigentlich kein Profipolitiker sein, oder?

Insofern gehe ich davon aus, dass die FDP für die beiden anderen Ampelkoalitionspartner vor allem eine Art Feigenblatt ist, hinter dem man sich gut verstecken kann, wenn Wähler doch tatsächlich auf die Idee kommen, soziale oder ökologische Politik einzufordern (s. hier).

Doch wenn man so was anmerkt, heißt es dann oft: „Die FDP mit reinzunehmen war ja alternativlos, da sonst keine Mehrheit zustande gekommen wäre!“ Das stimmt wohl auch, allerdings stellt sich mir dann die Frage, warum nicht mal im Ansatz über eine Minderheitsregierung von SPD und Grünen nachgedacht wurde. Diese könnte nämlich einige Vorteile mit sich bringen, wenn es den beiden Parteien wirklich ernst wäre mit einer sozial-ökologischen Politik.

In Deutschland sind Minderheitsregierungen nicht sehr üblich, das sieht in anderen Ländern allerdings anders aus. Also scheint das Konzept ja durchaus zu funktionieren. Das Interessante dabei: Mehrheiten müssen sich immer wieder argumentativ besorgt werden, man kann nicht einfach nur alles zur Abstimmung bringen und auf den Fraktionszwang vertrauen, der dann für eine permanente Mehrheit sorgt – solange nicht einer der Koalitionspartner ausschert.

Und hier hätten SPD und Grüne dann einen m. E. exzellenten strategischen Vorteil gehabt. Die Opposition ist zum einen sehr heterogen: Auf der einen Seite ist die Linkspartei, auf der anderen Seite wäre der Block von CDU, FDP und AfD. Ein Anliegen, was einer der beiden Seiten missfällt, dürfte in der Regel bei der anderen für Zustimmung sorgen. Zum anderen hätten, um eine erfolgreiche Regierungspolitik zu blockieren, CDU und FDP permanent mit der AfD zusammenarbeiten müssen. Und da kann ich mir nicht vorstellen, dass das bei allen CDU- und FDP-Wählern gut angekommen wäre – auch wenn das auf Landesebene oder in kommunalen Parlamenten schon häufig der Fall war. Aber das ist dann eben auch nicht so prominent für alle sichtbar, als wenn so was auch auf Bundesebene praktiziert wird.

Da hätten nun SPD und Grüne eine wunderbare PR-Vorlage: „Seht her, wir wollen ja soziale und ökologische Politik machen, aber die CDU und FDP blockieren das ständig – und machen dabei auch noch gemeinsame Sache mit der AfD!“

Das könnte dann ein ziemlicher Augenöffner sein für Wähler, die nun schon wieder zur Merz-CDU tendieren bei einer nächsten Bundestagswahl. Denn dann wäre die Katze aus dem Sack: CDU, FDP und AfD sind im Prinzip eine ähnliche Soße, nur eben mit mal deutlich mehr, mal etwas weniger ausformuliertem Rassismus. Und alle drei haben kein Interesse daran, Politik zu machen, die einem Großteil der Bevölkerung zugutekommt.

Ich könnte mir fast vorstellen, dass unter diesen Voraussetzungen CDU, FDP und AfD nicht ganz so scharf auf Neuwahlen wären, denn es stünde aus deren Sicht zu befürchten, dass ihr Rechtsblock dann eventuell keine Mehrheit mehr bekommen könnte (was ja bei der letzten Wahl leider der Fall war), wenn mehr Wähler als jetzt so deutlich vor Augen geführt bekämen, wofür eine Regierung dieser Parteien stünde.

Also wäre die Konsequenz, dass diese drei Parteien in irgendeiner Form zumindest teilweise Rot-Grün unterstützen müssten, da sonst Neuwahlen aufgrund von Beschlussunfähigkeit der Bundesregierung angesagt wären.

Sollte es tatsächlich zu solchen Neuwahlen kommen, lägen im Wahlkampf die Trümpfe eindeutig bei SPD und Grünen. Die könnten dann nämlich zu Recht auf die destruktive Haltung der drei Rechtsparteien verweisen und die Möglichkeit einer rot-grün-roten Regierung in Aussicht stellen (von der ja immer wieder von Grünen und deren Anhängern behauptet wäre, dass ihnen das lieber gewesen wäre als eine Ampel), um dann tatsächlich die soziale und ökologische Politik umsetzen zu können, die nun von CDU, FDP und AfD verhindert wurde. Da könnte ich mir doch glatt vorstellen, dass damit eine Menge Wähler zu überzeugen sein dürften.

Wobei dann natürlich auch ein Interesse von SPD und Grünen bestehen müsste, ebensolche bürger- und umweltfreundliche Politik auch tatsächlich machen zu wollen.

Und daran hab ich halt schon so meine Zweifel, wenn ich mir das Ampelgehampel mit der FDP gerade anschaue. Denn die Möglichkeit, die Gelben in die Wüste zu schicken aufgrund von immer wieder nachgewiesener Inkompatibilität der politischen Vorstellungen, hätte sich ja nun schon seit einigen Monaten immer wieder ergeben. Und dann könnte man genau die eben beschriebene Minderheitsregierung ausprobieren.

Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass auf so eine Idee nicht auch der eine oder andere Spindoktor oder Berater im Umfeld von SPD und Grünen gekommen wäre …

Wenn nun allerdings einfach so weiter rumgestümpert wird wie in den letzte Monaten, wird nun aller Voraussicht nach bei der nächsten Wahl Bahamas, also CDU, FDP und AfD, eine noch deutlichere Mehrheit bekommen und dann den Rest dieses für den Klimaschutz so wichtigen Jahrzehnts komplett in den Sand setzen. Insofern haben SPD und Grüne hier m. E. extrem unverantwortlich gehandelt, indem man eine Partei dieses Rechtsblocks mit in die Regierung geholt hat, anstatt tatsächlich mal einen progressiven Politikansatz, den beide Parteien ja immer wieder für sich proklamieren, auszuprobieren.

Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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