Die Sache mit der Pandora-Büchse …

Die Büchse der Pandora ist ja ein heikles Ding: Ist die erst mal geöffnet, dann kriegt man sie so schnell nicht wieder zu, und es treten in der Regel ausgesprochen unschöne Nebeneffekte auf. Daher finde ich diese Metapher auch gerade sehr passend für die unsägliche Bezahlkarte für Geflüchtete (s. hier), die demnächst in Deutschland eingeführt wird.

Mal davon abgesehen, dass diese Bezahlkarte aufgrund ihrer stigmatisierenden Funktionalität reichlich menschenverachtend ist und das dahinterstehende Menschenbild, dass nämlich Geflüchtete sowieso nicht mit Geld umgehen können und die Kohle dann unberechtigterweise ins Heimatland transferieren wollen, reichlich rassistisch müffelt, so zeigt sich zudem nämlich gerade, dass hiermit nun noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist.

Denn wenn schon eine Bundesregierung unter Führung von SPD und Grünen so einen Müll einführt, der auch auf dem Mist der AfD hätte gewachsen sein können, so lässt sich nun natürlich die CDU nicht lumpen und legt gleich noch mal eine kräftig Schippe Sozialdarwinismus obendrauf.

So forderte nämlich der CDU-Bundestagsabgeordnete Maximilian Mörseburger kürzlich, so eine Bezahlkarte auch für Bürgergeldempfänger einzuführen (s. hier). Die Begründung dafür ist so unoriginell wie auf falschen Fakten basierend: Man wolle so den „Totalverweigerern“ an den Kragen, niemand solle es sich auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung „gemütlich machen“. Also mal wieder das dumme Klischee von der sozialen Hängematte – gekoppelt mit dem Verweis, dass jemand, der arbeitet, schließlich netto deutlich mehr raushaben muss als ein Bürgergeldempfänger – wobei eine Type wie Mörseburger natürlich nicht auf die Idee kommt, dass Lohnerhöhungen da ein sehr probates Mittel sein könnten …

Dass die Realität komplett anders aussieht und gerade zurzeit immer weniger Menschen ihren Job kündigen, um dann Bürgergeld zu beziehen (s. hier), scheint Leute wie Mörseburger dabei nicht zu interessieren. Hauptsache, man kann weiter Arme gegen noch Ärmere aufwiegeln und den Ärmsten dabei das Leben immer schwerer machen. Die angeblich unantastbare Würde des Menschen? Ach, Schnickschnack, so was hat sich im Weltbild von CDUlern (und natürlich auch von ihren Brüdern im Geiste von der FDP und AfD) jemand erst mal zu verdienen, bevor das beansprucht werden kann. Scheiß doch aufs Grundgesetz und seinen blöden ersten Artikel.

Mal abgesehen davon, dass hier mal wieder ökonomische Folgen inkludiert sind, die dann vor allem kleine Betriebe betreffen – nämlich diejenigen, bei denen noch (überwiegend) mit Bargeld bezahlt wird: Marktstände und kleine Läden wären hier vor allem die Betroffenen, bei denen dann viele Menschen von jetzt auf gleich nicht mehr einkaufen können. Große Unternehmen freuen sich dann über die wegfallende Konkurrenz – auch ein Phänomen, dass ja seit Jahren politisch forciert wird. Und es würde mich auch nicht wundern, wenn mit der für Bezahlkarten notwendigen Infrastruktur dann auch ein paar Buddies der dafür verantwortlichen Politiker profitieren würden.

Aber bei der Bezahlkarte für Geflüchtete hat das ja auch funktioniert: Da werden ebenfalls Sachen behauptet, die so schon längst widerlegt sind, beispielsweise dass hiesige Sozialleistungen ein Pull-Faktor für Menschen aus dem globalen Süden sind, um hierherzukommen (s. hier). Aber diese dummdreist-falsche Erzählung hat ja auch einen entscheidenden Vorteil: Man kann damit wunderbar davon ablenken, wie sehr unser Lebensstil auf Kosten von Menschen in Asien und Afrika geht, denen dort deswegen die Lebensgrundlage entzogen wird, sodass sich einige von ihnen dann auf den Weg nach Europa machen.

Und was mit den Geflüchteten klappt, kann man dann doch sicher auch bei den Bürgergeldempfängern praktizieren – zumal sich ja seit vielen Jahren alle Mühe gegeben wird, arme Menschen in den Augen derer, die (noch) etwas mehr haben, zu diskreditieren (s. hier).

Und was kommt dann als Nächstes? Vielleicht eine Bezahlkarte auch für Geringverdiener, denn die haben ja nach asozialer Unionslogik auch selbst schuld daran, dass sie auf keinen grünen Zweig kommen, sodass es besser ist, diesen monetären Blindgängern dann die Verantwortung für ihre Finanzen weitestgehend zu entziehen. Und in einem weiteren Schritt kommt dann die Bezahlkarte für alle – außer natürlich für diejenigen mit einem sehr hohen Einkommen oder Vermögen -, dann kann man nicht nur notfalls den Daumen draufhalten, wenn der Pöbel zu viel Geld ausgeben möchte, sondern mit Sicherheit auch gleich noch ein paar Überwachungstools implementieren, sodass klar nachvollziehbar wird, wer sein Geld wofür genau ausgibt.

Oder wie wäre es damit? Es wird ein neoliberales bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt (BGE), für das dann alle Sozialleistungen wegfallen und auch Dinge wie der Mindestlohn abgeschafft werden. Und dieses BGE wird nur auf Bezahlkarte ausgezahlt. Wenn das Gehalt dann komplett für die in diesem Szenario absehbar explodierenden Mieten draufgeht, dann werden die Leute das Ding schon nutzen, wenn sie sich was zu essen kaufen wollen …

Ach ja: Falls dann mal jemand aufmucken sollte, kann ihm auch gleich die Bezahlkarte einfach gesperrt werden – und dann wird derjenige schon sehen, was er davon hat! Vielleicht das Ganze noch chich verpacken mit einer stylischen App fürs Smartphone und mit einer freshen Werbekampagne versehen – und mit ein bisschen Glück wollen die meisten Konsumhäschen das dann ganz von allein haben.

Das klingt nun alles übertrieben oder unrealistisch? Na ja, vor einem Jahr hätte ich es auch noch als übertrieben und unrealistisch eingeschätzt, dass tatsächlich von der Ampelregierung eine Bezahlkarte für Geflüchtete eingeführt und dann gleich darauf von der Opposition das Gleiche auch für Bürgergeldempfänger gefordert wird.

So ist das eben mit Pandora-Büchsen: wehe, wenn sie erst mal aufgerissen sind …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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