Die Polizei ist für die Durchführung des staatlichen Gewaltmonopols zuständig, und das ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, für die das Vertrauen der Bürger benötigt wird. Leider ist es immer wieder offensichtlich nicht gegeben, dass die Polizei integer agiert. Mit ein paar Beispielen will ich aufzeigen, was anders laufen müsste, um eine Polizei zu haben, die eines demokratischen Rechtsstaats würdig ist.
Polizisten sollten nicht lügen.
Es kommt immer wieder vor, dass sich die Aussagen von Polizisten und Angeklagten/Zeugen komplett widersprechen. Dabei genießen Polizisten nach wie vor einen Vertrauensbonus, zudem sind sie meistens nicht allein unterwegs, sodass Kollegen einen Vorfall gleich schildern. Das Problem dabei: Oft genug wurde dann aufgezeigt, dass Polizisten sich abgesprochen haben, um die Unwahrheit zu sagen.
Gerade kürzlich gab es da wieder einen krassen Fall: Da wurde in Oldenburg ein junger Mann erschossen (s. hier). Der 21-jährige Lorenz war dunkelhäutig, was dem Ganzen auch noch einen rassistischen Beigeschmack gibt, vor allem weil offensichtlich die Aussagen der Polizisten nicht so ganz der Wahrheit entsprechen können. Lorenz soll nämlich auf die Polizisten zugelaufen sein und sie mit Reizstoff besprüht haben. Zudem soll er zuvor andere mit einem Messer bedroht haben – wobei kein Messer bei ihm gefunden wurde. Und wieso er dann mit vier tödlichen Schüssen von hinten niedergestreckt wurde, wenn er doch angeblich auf die Polizisten zugelaufen kam, das erscheint auch nicht so richtig logisch.
Nun könnten ja die Body-Cams der Polizisten Aufschluss über den Verlauf der Geschehnisse geben, nur waren die – mal wieder – nicht angeschaltet. Das ist komischerweise sehr oft der Fall, wenn Menschen auf fragwürdige Weise zu Tode kommen (s. hier), so auch der (ebenfalls dunkelhäutige) 16-jährige Mouhamed Dramé, der vor zweieinhalb Jahren in Dortmund von einem Polizisten mit einer Maschinenpistole erschossen wurde, nachdem die Beamten von einer Jugendeinrichtung aus zu Hilfe gerufen wurden, weil man suizidale Absichten bei dem Jungen vermutete.
Anstatt also für Transparenz zu sorgen, wofür die Body-Cams ja eigentlich gedacht waren, sind diese meist nur dann aktiv, wenn sie Vergehen gegen, aber nicht von Polizisten aufzeichnen.
Und über die unglaublichen Geschehnisse in Dessau, wo nicht nur Oury Jalloh in Polizeigewahrsam auf sehr, sehr merkwürdige Weise ums Leben kam, hab ich ja vor Jahren schon mal einen Artikel geschrieben. Wenn man also dazu neigt, eher den Aussagen der Sachverständigen zu glauben als denen der beteiligten Polizisten und ihrer Kollegen, dann scheint auch dort offensichtlich gelogen worden zu sein.
Bei der Polizei sollte kein Korpsgeist herrschen.
Dieser Punkt hängt sehr mit dem vorherigen zusammen, denn oftmals wird auch bei der Polizei aus Gründen des Korpsgeistes gelogen, aber es fallen eben auch solche Verhaltensweisen wie Wegsehen bei und Verschweigen von strafbaren Handlungen von anderen Polizisten darunter.
Natürlich sollten Kollegen schon zusammenhalten; gerade in so einem oft sehr belastenden Beruf wie dem des Polizisten ist das sehr wichtig. Wenn aber dieser Zusammenhalt so weit geht, dass kriminelle Handlungen oder gewalttätige Übergriffe vertuscht werden, dann ist es ein ungesunder Korpsgeist, der m. E. nicht mit der Aufgabe der Polizei, die Bürger zu schützen, in Übereinstimmung zu bringen ist.
Und so was kommt leider sehr häufig vor, immer wieder wird darüber berichtet (z. B. hier, hier oder auch thematisiert in der sehenswerten WDR-Doku „Wer kontrolliert die Polizei?“). Da mittlerweile Handykameras sehr verbreitet sind, fliegen solche Korpsgeist-Lügen dann nur immer auch mal wieder auf – zum Glück für diejenigen, die dem ausgesetzt waren. Dennoch herrscht nach wie vor das Prinzip bei viel zu vielen Polizisten vor, dass man seine Kameraden eben nicht „verrät“, wozu dann auch zählt, deren Gesetzesübertretungen zu decken.
Wenn dann doch mal Polizisten solche Zustände kritisieren, dann kann es passieren, dass unverhohlene Drohungen gegen sie ausgesprochen werden, so wie gerade beim Hauptkommissar Oliver von Dobrowolski, der einen Drohbrief mit einer echten Patrone erhielt und darin als „Kollegenschwein“ tituliert wurde (s. hier). Und so etwas sollte man schon ernst nehmen, wenn das von Menschen kommt, die berufsmäßig eben ermächtigt sind, Waffen zu tragen und zu nutzen.
Polizisten sollten ihren eigenen Kollegen gegenüber eben nicht andere Maßstäbe anlegen, als sie dies beim „normalen“ Bürger tun. Das sollte man zumindest von professionellen Repräsentanten des Gewaltmonopols des Staats erwarten können. Ansonsten verliert die Bevölkerung das Vertrauen in die Polizei, was leider mittlerweile schon viel zu oft geschehen ist.
Polizisten sollten gut ausgebildet sein für Menschen in Extremsituationen.
Der Beruf des Polizisten bringt es nun mal mit sich, dass man öfter in außergewöhnliche und gefährliche Situationen geraten kann. Dann wird Professionalität erwartet im Umgang mit Menschen, die gerade Gewalt erfahren oder ausüben. Und diese Professionalität bedeutet eben auch, das richtig Maß zu erkennen, mit dem eine angespannte Situation aufgelöst werden kann.
Nun ist es in der Praxis leider allzu oft so, dass Polizisten eine Situation eskalieren statt deeskalieren. Das geschieht nicht selten, wenn es um Tatverdächtige oder potenzielle Gewalttäter geht, die nicht sehr deutsch aussehen, wie im oben bereits erwähnten Beispiel von Mouhamed Dramé besonders krass zu sehen war. Doch auch bei Menschen mit psychischen Erkrankungen handeln Polizisten, die hinzugerufen werden, wenn sich diese Personen in Ausnahmesituationen befinden, häufig nicht angemessen. Das Resultat: Immer wieder werden psychisch Kranke von der Polizei erschossen (s. beispielsweise hier).
Klar, wenn Gefahr im Verzug ist, dann müssen Polizisten auch schnell handeln. Aber das ist nicht immer der Fall, und anstatt dann einen geschulten Psychologen oder Psychiater hinzuziehen, agieren Polizisten dann gern mal auf eigene Faust, was dann immer wieder zu Toten führt – zwischen 2009 und 2017 dürften das so um die 40 Opfer gewesen sein (s. hier). Hier wäre es also m. E. sinnvoll, wenn in der Polizistenausbildung verstärkt auch der adäquate Umgang mit psychisch kranken Menschen vermittelt wird.
Polizisten sollten verfassungstreu sein sowie Demokratie und Rechtsstaat achten.
Klingt ja eigentlich selbstverständlich, denn schließlich sind Polizisten ja Beamte, ist es dann aber leider doch nicht. Gerade hat eine Untersuchung der Polizeiakademie Hamburg ergeben, dass sich jeder Vierte der befragten Polizisten selbst als rechts oder gar rechtsextrem bezeichnet hat (s. hier). Ein weiteres Ergebnis: 45 % der Befragten äußerten sich abwertend über Geflüchtete, und auch Sinti und Roma oder Langzeitarbeitslose kamen nicht allzu gut weg.
So eine Denkweise steht natürlich unserem Grundgesetz entgegen, das in Artikel 1 nicht nur besagt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, sondern vor allem auch in Artikel 3 feststellt:
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.[…](3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Tja, das passt dann natürlich gar nicht mit derart von Polizisten geäußerten Einstellungen zusammen. Zumal man bei so einer Befragung auch noch davon ausgehen muss, dass die richtig fies Rechtsradikalen wohl gar nicht erst daran teilgenommen haben.
Natürlich zieht der Polizeiberuf eher konservative Menschen an, was schon an den strengen Hierarchien, der Uniformpflicht und der Möglichkeit, eine Waffe zu tragen, festgemacht werden kann. Dennoch sollten sich gerade Polizisten unserer Demokratie und unserem Rechtsstaat verpflichtet fühlen – und nicht immer noch weiter nach rechts abbiegen bis hin zur offensichtlichen Demokratie- und Verfassungsfeindlichkeit. Beispiele dafür gibt es ja leider immer wieder, und das auch nicht eben selten (s. beispielsweise hier oder hier).
Besonders starker Tobak gerade aktuell: Nachdem in Solingen im vergangenen Jahr bei einem Brandanschlag auf ein mehrheitlich von Migranten bewohntes Haus vier Menschen starben, ging man vonseiten der ermittelnden Polizisten anfangs von einem rechtspolitischen Hintergrund aus – was sich dann später auch bewahrheiten sollte. Doch nicht nur wurden die Ermittlungen zunächst mal sehr „schlampig“ geführt, sondern der entsprechende Aktenvermerk wurde von einem Polizisten handschriftlich entfernt (s. hier). Hier wird also die Polizeiarbeit aus den eigenen Reihen heraus behindert, um Rechtsextreme zu schützen – so was darf nicht vorkommen, finde ich, wenn die Polizei auch nur ansatzweise vertrauenswürdig sein möchte, und zwar für alle Bürger und nicht nur für Rechtsaußen, die an so einem Vorgehen natürlich nichts auszusetzen haben.
Das Problem hierbei: Das sind keine Einzelfälle bei der Polizei, sondern das ist eine strukturelle Sache. Was man beispielsweise schon daran sieht, dass der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt immer wieder mit rechten bis rechtsextremen Aussagen aufgefallen ist (was selbst in seinem Wikipedia-Profil thematisiert wird). Und auch sein Stellvertreter Manuel Ostermann lässt sich gern mit Rechtspopulisten ablichten und haut dann schon mal solche Aussagen raus (Quelle):
Zum Rechtsextremismus wurde trotz immer weiter steigender Zahlen von rechtsterroristischen Verbrechen bisher noch nichts Dergleichen von ihm vernommen …
Die Polizei sollte nicht gegen sich selbst ermitteln.
An den bisher aufgeführten Punkten sieht man, dass es durchaus ein Problem gibt mit Polizisten, die sich selbst nicht ans Gesetz halten. Will eine Polizei das Vertrauen der Bürger haben, dann müssen solche Vergehen schonungslos aufgeklärt und die Übeltäter aus dem Dienst entfernt werden. Doch leider passiert leider genau das in der Regel nicht.
Die Polizei ermittelt nämlich immer gegen sich selbst. Wenn also Vorwürfe gegen Polizisten einer Dienststelle vorliegen, dann werden die Ermittlungen von einer anderen Dienststelle durchgeführt (was auch in der oben bereits verlinkten WDR-Doku „Wer kontrolliert die Polizei?“ ausgiebig thematisiert wird). Und natürlich will man da den Kollegen nicht auf den Schlips treten, denn wer weiß, ob die vielleicht nicht mal gegen einen selbst ermitteln, wenn man ein Verfahren am Hals hat?
Das muss übrigens nicht so sein, in Dänemark geht es beispielsweise anders. Dort gibt es eine unabhängige Stelle, die Beschwerden von Bürgern über Polizisten nachgeht. So etwas wäre hier in Deutschland auch sehr sinnvoll, um den Bürgern nicht das Gefühl zu geben, Polizeigewalt schutzlos aufgeliefert zu sein. Denn wem so etwas einmal passiert ist, ohne dass die Täter in Uniform dann sanktioniert werden, der verliert nicht nur das Vertrauen in die Polizei, sondern unter Umständen auch in den Rechtsstaat.
Und Vertrauen ist nun mal eine Grundlage für Respekt. Viele Polizisten klagen darüber, dass ihnen Bürger oft mit wenig Respekt begegnen würden. Ich könnte mir vorstellen, dass sich dies deutlich ändern würde, wenn die von mir hier aufgezeigten fünf Punkte für die Polizei auch erfüllt wären.
Denn gegen eine ehrliche, unvoreingenommene, professionell (im Sinne für die Bürger) agierende, verfassungstreue und rechtsstaatliche Polizei kann doch eigentlich niemand etwas haben, oder?