Rechtsextremisten bei der Polizei

Über rechtsextreme Tendenzen bei der Polizei (und auch in der Justiz) habe ich ja schon schon den einen oder anderen Artikel hier auf unterströmt geschrieben (s. hier, hier und hier), doch was sich da nun gerade in Frankfurt zeigt, bestätigt diese Einschätzung nicht nur, sondern toppt das Ganze noch einmal. Da ist von einem rechtsextremen Netzwerk bei der hessischen Polizei die Rede, und mittlerweile gehen die Ermittlungen auch schon über die fünf anfangs verdächtigen Polizeibeamten hinaus. Wenn man dann noch andere Meldungen der letzten Zeit da mit hinzuzieht, ergibt sich ein wahrlich wenig beruhigendes Bild.

Zunächst mal ein kurzer Überblick über das Geschehen: Die Frankfurter Neue Presse berichtet über Drohungen gegen die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die u. a. Nebenkläger im NSU-Prozess und islamistische Gefährder vertreten hat. Und dieser Drohbrief hatte es in sich, denn zum einen wurde die Adresse von Basay-Yildiz darin genannt sowie auch der Name ihrer zweijährigen Tochter, die angedroht wurde, dass sie geschlachtet werden sollte. Unterschrieben war das dann mit „NSU 2.0“ – also insgesamt reichlich starker Tobak.

Da sowohl die Adresse der Anwältin als auch der Name ihrer Tochter nicht so ohne Weiteres öffentlich herauszufinden sind, führte die Spur die Ermittler des Staatsschutzes zu einem Frankfurter Polizeirevier, von wo aus die Daten mittels eines PCs herausgesucht wurden – anlasslos, wohlgemerkt. Die Polizistin, die diese Suche im Melderegister durchgeführt hatte, tauschte sich in Chats mit vier weiteren Kollegen der Dienstelle in eindeutige rassistischer und den Nationalsozialismus verherrlichender Weise aus, sodass diese fünf Beamten nun suspendiert wurden und ein Strafverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet wurde. Ob sie auch den Drohbrief selbst geschrieben oder die ermittelten Daten von Basay-Yildiz nur weitergegeben haben, ist dabei zurzeit noch nicht klar (s. detaillierter dazu auch einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung).

Und als ob das nun noch nicht schlimm genug wäre, weiten sich die LKA-Untersuchungen aus, da nun schon eine weitere Dienststelle im hessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf durchsucht wurde, wie ein Artikel auf Zeit Online berichtet. Darin wird auch geschildert, dass der Polizei selbst anscheinend nicht mehr zugetraut wird, hier tatsächlich auch effektiv und unvoreingenommen zu ermitteln, sodass die Grünen nun unabhängige Polizeibeauftragte fordern, die derartiges Verhalten untersuchen und aufklären sollen.

Dass nun aufgrund solcher Vorfälle vonseiten der CDU erst mal abgewiegelt und strukturelle Probleme von vornherein ausgeschlossen werden, mutet da schon etwas seltsam an:

Derweil warnte der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Mathias Middelberg, davor, die Polizei unter Generalverdacht zu stellen. „Unsere Polizei ist auf dem rechten Auge ebenso wenig blind wie auf dem linken“, sagte er derselben Zeitung. Er sei sicher, dass den „in der Tat beunruhigenden Vorwürfen ohne falsche Rücksichtnahme durch die zuständigen Behörden umfassend nachgegangen“ werde, sagte der CDU-Politiker. Es wäre aber „absurd“, aus den Vorfällen in Frankfurt „einen Generalverdacht gegen unsere Polizei abzuleiten“. (Quelle)

Immerhin haben ja gerade erst vor ein paar Wochen Recherchen von Journalisten ergeben, dass es in Bundeswehr und Justiz ein rechtsextremes Netzwerk gibt, dass eine Art Schattenarmee für Bürgerkriegszustände vorbereitet (s. hier). Und auch wenn diese Enthüllungen nicht ansatzweise den medial-öffentlichen Widerhall fanden, der eigentlich angemessen wäre (s. hier), so ist es schon verwunderlich, dass ich lediglich in einem Artikel in der jungen Welt einen Hinweis darauf im Zusammenhang mit den aktuelle Ermittlungen gegen die rechtsextremen Polizisten finden konnte.

Es scheint mir zumindest offensichtlich, dass Polizisten stärker als andere Bevölkerungsgruppe für rechtes und sogar rechtsextremes Denken offen sind. Mal ganz salopp gesagt: Wer links tickt, wir dann eben doch eher Sozialpädagoge als Polizist. Diese Sichtweise bestätigt sich auf in einem Artikel vom Faktenfinder auf tagesschau.de:

Der Kriminologe Christian Pfeiffer sagte dem ARD-faktenfinder, ein Beruf, bei dem man mit Waffen zu tun habe, „Law and Order“ durchsetze und so direkt Macht ausübe, sei eher für Personen mit sehr konservativem oder rechtem Weltbild attraktiv. Dies sei kein Alleinstellungsmerkmal der deutschen Polizei, sondern generell bei solchen Berufen zu beobachten. Das bedeutet nicht, dass alle Polizisten rechts seien, aber solche Berufen seien bei Rechten beliebter als beispielsweise bei links-orientierten Personen.

In so einem Umfeld, dass also eher konservativer und rechter geprägt ist als der Rest der Bevölkerung, kommt dann noch ein Korpsgeist hinzu, der dazu führt, dass Fehlverhalten eher nicht gemeldet wird, weil man sonst schnell als „Kameradenschwein“ gilt, bei den Kollegen unten durch ist und nicht mehr wirklich viel Freude bei der Ausübung seine Berufs haben wird.

Da finde ich es schon abenteuerlich, nicht von strukturellen Problemen auszugehen, wenn sich diese so offensichtlich zeigen wie gerade aktuell in Frankfurt.

Zumal ja auch noch andere Vorfälle dazu passen, wie in den eingangs verlinkten Artikeln geschildert oder auch die Vorkommnisse in Dessau (s. hier), wo bereits mehrere Menschen in Polizeigewahrsam starben (am bekanntesten ist hier der Fall von Oury Jalloh). Oder ein Fall, von dem aktuell ein Artikel auf tagesschau.de berichtet: Ein Berliner Polizist hat Drohbriefe an Menschen geschickt, die der linken Szene zugeordnet werden, in denen er die Weiterleitung ihrer persönlichen Daten an Rechtsextreme wie die Identitären in Aussicht stellte – und der daraufhin nur eine Strafe wegen eines Verstoßes gegen das Berliner Datenschutzgesetz und nicht wegen Bedrohung (was eine Vorstrafe zur Folge hätte) erhalten hat. Oder die Chemnitzer Polizei, die laut einem Artikel auf Spiegel Online im August Hinweise auf die Anreise von gewaltbereiten Rechtsextremen einfach ignorierte, sodass dort nachher der rechte Mob recht ungehindert durch die Straßen marodieren konnte. Oder dass deutschlandweit, wie aus einem Artikel im neuen deutschland hervorgeht, zurzeit 467 rechtsextreme Straftäter einfach untergetaucht sind – sollen die eventuell gar nicht gefunden werden vonseiten der Polizei?

Und wenn man nun noch mal einen Schritt weiter zurücktritt, wird es nicht eben besser, denn diese Polizei, die nun immer offensichtlicher unter rechter Schlagseite leidet, bekommt gerade in vielen Bundesländern immer größere (teilweise geheimdienstliche) Befugnisse, wie beispielsweise über das viel diskutierter Polizeiaufgabengesetz (PAG) in Bayern. Darüber hinaus wurde die Polizei in den letzten Jahren zunehmend militarisiert und beispielsweise mit Panzerfahrzeugen und Schnellfeuergewehren ausgestattet. Und immer wieder kann die Polizei schalten und walten, ungerechtfertigte und überzogene Gewalt anwenden, ohne dafür sanktioniert zu werden, wie aktuell gerade wieder in einem Artikel im neuen deutschland berichtet wird, in dem es um den Freispruch für Polizisten geht, die einen Ordner auf einer Demo bewusstlos geprügelt habe.

Und es wird nicht gerade besser, wenn man dann von der Polizei auch noch auf die Justiz schaut, die ebenfalls immer öfter „Kuschelurteile“ für rechte Straftäter fällt – gerade aktuell wieder in Rostock, wo zwei Rechtsextreme, einer davon bereits polizeibekannt, einen Syrer mit einem Messer angriffen und schwer verletzten. Urteil: zwei Jahre und ein Jahr, vier Monate auf Bewährung (!!!) plus 5000 Euro Schmerzensgeld, das beide zusammen an den Geschädigten zahlen müssen (s. hier). Da muss man nur mal vergleichen, wie teilweise mit G20-Teilnehmern vor Gericht umgesprungen wurde …

Das alles gibt in der Gesamtschau nicht eben ein positives oder beruhigendes Bild, und dass hier eben so gut wie kein strukturelles Hinterfragen stattfindet, lässt dann ja nur zwei Schlüsse zu: Es ist den Neoliberalen schlichtweg egal (was ich mir kaum vorstellen kann) oder aber es ist genau so gewünscht, weil man eben meint, mit einem rechten bis rechtsradialen Sicherheitsapparat notfalls auch mit Gewalt die eigene Ideologie behaupten zu können, da diese von rechts nicht grundsätzlich infrage gestellt wird.

Und der Versuch, Rechtsextreme zu instrumentalisieren, hat ja Anfang der 1930er-Jahre schon mal so richtig gut geklappt in Deutschland …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

2 Gedanken zu „Rechtsextremisten bei der Polizei“

  1. Und nun hat auch die bayrischer Polizei ihren „Skandal“ mit rechtsextremen Polizisten: Mehr oder weniger zufällig stieß man dort laut einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung bei Ermittlungen wegen eines Sexualdelikts auf einen Chat von mehr als 40 Beamten der Spezialeinheit USK (Unterstützungskommando), in dem antisemitische Videos geteilt wurden – natürlich ohne dass einer der im Chat Anwesenden irgendetwas dagegen einzuwenden hätte.

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