Die AfD auf Usedom

Vor der polnischen Küste ist ein Erdöl- und Erdgasvorkommen gefunden worden, wohl das größte, was jemals in Polen überhaupt entdeckt wurde. Und da soll nun in den nächsten Jahren auch mit der Förderung begonnen werden. Das Ganze ist nur sechs Kilometer von der Urlaubsregion Usedom (Mecklenburg-Vorpommern) entfernt. Und (nicht nur) von dort gibt es nun reichlich Kritik an dem Vorhaben (s. hier).

Die Einwände, die von Umweltverbänden vorgebracht werden, sind dabei ja auch durchaus nachvollziehbar, denn es sollten einfach nicht weitere fossile Energieträger aus dem Boden geholt und verbrannt werden. Die Klimakrise schreitet ja nun schon schnell genug voran, da sollte alles vermieden werden, was das noch weiter (im wahrsten Sinne des Wortes) befeuert.

Allerdings sind die Usedomer selbst auch nicht eben begeistert von den Aussichten, da nun unmittelbar vor den touristisch genutzten Stränden eine große Bohrplattform stehen zu haben. Man spricht von einem „Eingriff in unsere Heimat“ (s. hier). Wenn solche Bedenken auch generell verständlich sind, so finde ich das doch nun im besonderen Fall von Usedom reichlich grotesk.

Auf der Insel haben nämlich bei der letzten Bundestagswahl 57,6 % für die AfD gestimmt (s. hier). Und die Blaubraunen machen ja eben auch kein Geheimnis daraus, wie denn ihre Position in der Energiepolitik ist: mehr Öl, mehr Gas, weniger erneuerbare Energien. Alice Weidel war sich ja auch noch nicht mal zu blöd dafür, von „Windmühlen der Schande“ zu schwadronieren, die man alle „niederreißen“ wollte, sollte man denn mal in Regierungsverantwortung kommen (s. hier).

Vorletzte Woche hab ich ja gerade einen Artikel darüber geschrieben, dass die AfD viel im politischen Angebot hat, was ihren eigenen Anhängern mit Sicherheit nicht besonders gut gefallen dürfte, nur sind die ja in der Regel zu bräsig, um sich mal zu informieren, was die Blaubraunen denn außer „Ausländer raus“ noch so vorhaben. Tja, und nun erleben die Menschen in Usedom gerade, was es denn für Folgen hat, wenn AfD-Politik auch umgesetzt wird – wenngleich in diesem Fall nicht von der AfD, sondern eben aus Polen kommend. Aber eben schon ganz im Sinne der AfD. Was eine kognitive Dissonanz von Canyon-Größe zur Folge hat.

Oder haben diese Honks ernsthaft gedacht, Öl und Gas würden auf Bäumen wachsen? Wenn man also eine Partei super findet, die voll auf Öl und Gas setzt, dann muss man eben auch damit leben, dass das Zeug ja irgendwo aus der Erde geholt werden muss.

„Ja, aber doch nicht ausgerechnet bei uns!“, höre ich nun die AfD-Lappen mal wieder jammern. Nun, wo das Zeug gefördert werden kann, kann man sich nun mal nicht aussuchen, das hängt ja von den Lagerstätten ab. Aber vermutlich sind AfD-Jünger auch in großem Maße NIMBYs (Not In My BackYard), die egoistisch vor allem darauf schauen, dass Unangenehmes nicht bei ihnen stattfindet, sondern eben anderswo. Passt zumindest zur ansonsten auch grundsätzlich fehlenden Courage dieser Typen.

Hier bietet sich nun aber auch eine gute Möglichkeit für aufrechte Usedomer Demokraten, die Blauzis an Wahlständen oder bei anderen Möglichkeiten in der Öffentlichkeit vorzuführen. Und zwar mit der Frage: „Sind Sie denn für die Bohrinsel vor unserer Küste?“ Lautet die Antwort dann: „Nein, natürlich nicht!“, dann kann man danach fragen: „Aber Sie sind doch laut Parteiprogramm für Erdgas und Erdöl zur Energieerzeugung. Wie passt das denn bitte zusammen?“ Und dann dürfte man vermutlich Gestammel zu hören bekommen oder eben „Aber doch nicht bei uns“-Geheule – woraufhin man dann deutlich auf die dahintersteckende Inkonsequenz hinweisen könnte. Im Fall hingegen, dass die Antwort auf die Eingangsfrage „Ja“ lauten sollte, würden diese AfDler bestimmt nicht so richtig viele Sympathien bei den Usedomern sammeln. Schöne Zwickmühle, oder? So ginge in jedem Fall mal das Inhaltlich-Stellen, was ja vonseiten der CDU immer gern vorgetragen, aber dann doch nicht gemacht wird.

In jedem Fall wird hieran deutlich, dass die AfD-Positionen scheitern, wenn sie denn mit der Realität konfrontiert werden, eben weil sie komplett weltfremd und undurchdacht sind. Klar, wenn es immer nur darum geht, irgendwie dagegen zu sein und damit die Wut von Einfaltspinseln in Wählerstimmen umzumünzen, dann kann ja auch nichts Stringentes oder gar Konstruktives dabei rauskommen.

Die Usedomer bekommen das gerade live und in Farbe zu sehen. Bleibt zu hoffen, dass sie deutlich und immer wieder darauf aufmerksam gemacht werden.

Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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