AfD-Verbot

Nachdem der Verfassungsschutz die Bundes-AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft hat, wogegen die Partei dann erst mal pro forma auch Klage erhoben hat, ist ein AfD-Verbotsverfahren ein regelmäßiges Thema in der öffentlichen politischen Diskussion. Dabei gibt es Stimmen dafür und dagegen, mit denen ich mich ein bisschen näher auseinandersetzen möchte.

Zunächst mal eins vorweg: Ein Verbot der AfD kann nur das Bundesverfassungsgericht aussprechen, und dazu muss der Bundestag mit einer Mehrheit einen Verbotsantrag beschließen. Sollte die AfD dann tatsächlich verboten werden, dann würden deren Abgeordnete nicht einfach aus den Parlamenten entfernt, sondern sie würden dort verbleiben, aber als Partei- bzw. Fraktionslose. Häufig hab ich nämlich schon gelesen, dass die CDU deshalb kein Verbotsverfahren mitinitiieren möchte, weil es sonst eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag gäbe. Das wäre also nicht der Fall – allerdings könnten die AfD-Politiker aufgrund des Verlusts ihres Fraktionsstatus keine Kleinen und Großen Anfragen mehr stellen, keine Gesetzesentwürfe einbringen und keine Aktuellen Stunden beantragen (s. hier), und das würde deren Störpotenzial schon mal erheblich minimieren. Ach ja: Und in Ausschüssen dürften sie zwar teilnehmen, aber nicht mit abstimmen.

Womit wir dann auch schon bei den Vorteilen eines AfD-Verbots wären. Denn bei einer kommenden Wahl könnten die Abgeordneten dann nicht mehr unter dem Banner der Partei antreten, was es ihnen ziemlich unmöglich machen dürfte, erneut Abgeordnetenmandate zu bekommen. Womit das Problem, dass antidemokratische Verfassungsfeinde mit öffentlichen Geldern alimentiert werden, dann in baldiger Zukunft zumindest vom Tisch wäre.

Mittlerweile gibt es immer mehr Stimmen von Juristen, die der Ansicht sind, dass ein Verbotsverfahren von Erfolg gekrönt sein könnte (beispielsweise hier). Zwar wird immer wieder eingewandt von Skeptikern, dass ja die NPD vor einigen Jahren auch nicht verboten wurde vom Bundesverfassungsgericht, nur war eben die Begründung dafür, dass die NPD viel zu unbedeutend und damit nicht in der Lage sei, ihre ohne jeden Zweifeln verfassungsfeindlichen Ziele auch umzusetzen. Das kann man nun bei der AfD wahrlich nicht mehr behaupten, denn die Partei stellt in vielen Landtagen große Fraktionen und ist auch im Bundestag die größte Oppositionspartei. Die in aktuellen Umfragen sogar bundesweit immer mal wieder als stärkste Partei benannt wird.

Das wäre dann ein weiterer Vorteil eines AfD-Verbots: Die Blaubraunen können, wenn sie mehr als ein Drittel der Sitze in einem Parlament haben, wichtige Entscheidungen mittels ihre Sperrminorität blockieren und so demokratische Prozesse behindern. Was eben wieder Futter für die AfD ist, die dann weidlich ausschlachten kann, dass die anderen Parteien ja nichts auf die Reihe bekommen.

Ein weiteres Gegenargument lautet, dass man mit einem Parteiverbot auch nicht das rechte Gedankengut aus den Köpfen der Menschen bekommt. Das stimmt natürlich, aber zumindest haben diese Menschen dann keine parlamentarische Vertretung mehr, die in jeder politischen Debatte (auch in den Medien, die ja nach wie vor gern AfD-Politiker einladen und ihnen so eine Plattform zum Lügen und Hetzen geben) auch noch lauthals ihren Wählern neues Gehirnwäschefutter vorsetzen kann. Diese rassistischen, sexistischen und sonst wie ekelhaften Ansichten verschwinden also wieder ein gutes Stück weit dahin, wo sie auch hingehören: an die Stammtische in muffigen Hinterzimmern.

Zudem hätte die AfD dann auch nicht mehr die finanziellen Mittel, um ihre Social-Media-Kanäle so zu bespielen, wie das jetzt noch der Fall ist. Gerade dort erreicht die Partei ja viele Anhänger und setzt denen dann manipulative Aussagen vor, um entsprechend nach ihrem Gusto Stimmung zu schüren. Insofern halte ich es durchaus für wahrscheinlich, dass sich dann rechte Meinungen weniger halten in der Gesellschaft, da sie eben nicht permanent getriggert werden.

Aber klar: Wirkliche Änderungen in gesellschaftlichen Meinungsbildern erreicht man vor allem, wenn man die Zustände, die zur Unzufriedenheit von vielen führen, angeht. Denn Sachen wir Perspektivlosigkeit und Existenzängste führen nun mal dazu, dass Menschen sich politisch (oder auch religiös, wobei das eher in anderen Gegenden der Welt zurzeit der Fall ist) radikalisieren. Allerdings ist es schwer, diese Zustände zu verändern, wenn man eine große Partei in der Opposition (oder eventuell sogar bald an der Regierung hat), die daran gar nichts ändern will, weil sie eben aus Unzufriedenheit ihr Kapital schlägt. Wie meinte noch vor einigen Jahren Christian Lüth, damaliger Bundespressesprecher der AfD: „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD“ (s. hier).

Das ist m. E. auch der Hauptgrund, warum die CDU/CSU nichts von einem AfD-Verbot wissen will: Man ist sich inhaltlich einfach viel zu nah. Die AfD propagiert zwar, dass sie für „die kleinen Leute“ einstehen wolle, aber sowohl deren Programme als auch deren Abstimmungsverhalten in Parlamenten zeigt, dass eher das Gegenteil der Fall ist: Politik für Vermögende mit weiterer Umverteilung von denen, die wenig haben, hin zu denen, die sowieso schon mehr als genug besitzen (s. hier). Und das passt natürlich gut zu dem, was die CDU auch immer weiter voranbringen möchte.

Dabei sollte man sich nicht davon aufs Glatteis führen lassen, dass es der AfD in der Opposition immer nur darum geht, gegen alles zu sein, statt konstruktive Vorschläge zu machen. Das konnte man ja mehr als deutlich während der Corona-Pandemie beobachten: Anfangs, als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) COVID 19 noch für ziemlich ungefährlich hielt und alles dransetzte, dass das Virus auch zügig zu uns ins Land kam und sich dort verbreitete (Karneval feiern, keine Kontrollen von aus Risikogebieten einreisenden Erkrankten an Flughäfen, keine Maskenempfehlung usw.), zeterte die AfD, dass man wesentlich striktere Maßnahmen umsetzen musste – nur um dann später, als es zu Lockdowns und Kontaktbeschränkungen kam, von einer „Corona-Diktatur“ zu schwafeln.

Mit so einer Partei ist eben keine inhaltliche Auseinandersetzung, die ja vor allem immer noch von Konservativen gefordert wird, möglich. Wenn man dieses destruktive politische Element aus dem Diskurs raushalten möchte, dann kommt man an einem Parteiverbot wohl nicht vorbei.

„Aber dann wird die AfD gleich wieder in die Opferrolle schlüpfen“, höre ich immer wieder von Kritikern eines AfD-Verbots. Klar würde sie das, aber mal ernsthaft: Das machen die Blaubraunen doch sowieso die ganze Zeit, das ist ein Kernelement von deren Selbstdarstellung. Was wäre also der Unterschied zu jetzt? Zumal man das ja quasi auf fast alle Justizvorgänge anwenden könnte: „Oh, der Verbrecher klagt ja trotz eindeutiger Beweislage, dass er ein Justizopfer sei – dann lass uns den mal besser nicht verurteilen.“ Wäre schon ziemlich grotesk, oder?

Natürlich hat eine Partei in so einem Fall ein anderes Mobilisierungspotenzial als ein einzelner Krimineller, und ich habe auch schon von AfD-Jüngern gelesen, dass im Falle eines Parteiverbots die Straßen brennen und Blut fließen würde. Zum einen sind solche Aussagen dann noch ein weiteres Argument für ein Parteiverbot, zum anderen glaube ich kaum, dass der Großteil der jammernden Feiglinge, die nun mal die AfD-Wählerschaft ausmachen, tatsächlich marodierend durchs Land ziehen würde. Im Internet hetzerisch zu zetern ist nun mal was anderes, als dass dann auch ins reale Leben zu übertragen und sich als Aufständischer zu gerieren.

Was allerdings gefährlich werden könnte, wären die Reaktionen von einem Teil der Polizei und des Militärs, da diese ja leider einen ziemlich hohen Anteil an Rechten und Rechtsextremen in ihren Reihen haben. Zumal die Beteiligung von solchen Leuten an Umsturzplänen (beispielsweise Nordkreuz) immer wieder mal bekannt wurde. Aber auch hier gilt: Man stärkt solche Tendenzen nur, wenn man sie durch einen parlamentarischen Arm quasi ein Stück weit legitimiert.

Es würde also wohl erst mal reichlich verbalen Aufruhr und vielleicht auch vereinzelt Tumulte geben bei einem AfD-Verbot. Was aber vermutlich nicht so schlimm wäre wie die Auswirkungen, wenn die AfD tatsächlich an die Regierung kommen würde. Was dann passiert, kann man ja gerade recht gut in den USA beobachten, wo die Demokratie im Eiltempo demontiert wird.

Insofern wäre es mehr als fahrlässig, das auf dem Prinzip der wehrhaften Demokratie fußende und grundgesetzlich auch so vorgesehene Parteiverbot bei der AfD nicht durchzuziehen. Doch leider braucht es dafür die CDU, und die hat ja nun schon immer wieder gezeigt, dass sie im Grunde auf derselben Seite der Brandmauer steht wie die AfD …

Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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