Immer wieder wird ja Kritik an der Politik der rechtsextremen israelischen Regierung mit Antisemitismus gleichgesetzt, um das auf diese Weise zu diffamieren. Dass das dann üble Auswirkungen haben kann, konnte man gerade in Flensburg beobachten.
Dort hing nämlich tatsächlich im Schaufenster eines Trödelladens ein Zettel mit der Aufschrift:
JUDEN
haben hier Hausverbot !!!!
Nicht persönliches,
auch kein Antisemitismus,
kann euch nur nicht ausstehen
Das hat dann sehr zu Recht auch für einiges an Aufregung gesorgt, der Zettel wurde inzwischen, nachdem erste Medien darüber berichteten, auch wieder abgehängt, und zudem sind einige Anzeigen gegen den Ladenbesitzer auch bereits raus. Richtig so.
Jetzt stellt sich mir nur die Frage, ob der Typ tatsächlich ein knallharter Antisemit ist, womöglich mit rechtsextremem Hintergrund. Zumindest sieht man in einigen Beiträgen zu dem Thema (s. hier und hier) eine schwarz-weiß-rote Fahne in dem Geschäft hängen, daneben allerdings auch das RAF-Logo. Was dann ja doch für eher weniger ideologische Sattelfestigkeit spricht.
Vielleicht ist das Ladeninhaber also gar kein politischer Extremist, sondern möglicherweise nur ein bisschen dumm. Die ganze Aktion sowie die mittelmäßige Rechtschreibung auf dem Zettel sprechen durchaus für diese These. Und zumindest meinte er ja auch, dass es ihm vor allem darum gehe, auf diese Weise Kritik an dem israelischen Krieg in Gaza vorzubringen.
Und dabei macht er dann genau das, was quasi andersrum auch immer wieder gemacht wird: Die israelische Regierung wird mit der Gesamtheit aller Juden gleichgesetzt, sodass dann eben Kritik an Netanjahu und Co. gleichbedeutend sein soll mit Antisemitismus (s. hier). Dabei ist es dann egal, dass es genug Juden in und außerhalb von Israel gibt, die selbst auch nicht gerade gut auf ihre rechte Regierung zu sprechen sind, denn „die Juden“ werden so zu einer homogenen Masse umgedeutet, bei der es gar keine unterschiedlichen Ansichten und Strömungen zu geben scheint, ja, die nicht mal aus Individuen besteht, sondern nur in ihrer Gesamtheit zu sehen ist – was dann ironischerweise genau die Grundlage von tatsächlichem Antisemitismus ist. Das gipfelt dann in solchen Vorgängen, dass jüdische Gelehrte von deutschen Institutionen als Antisemiten bezeichnet und von geplanten Veranstaltungen ausgeladen werden, wenn sie sich denn kritisch zum Vorgehen der Netanjahu-Regierung in Gaza geäußert haben (s. hier und hier).
Wer also lernt, dass Kritik an Netanjahu gleichbedeutend sei mit allgemeinem Judenhass, der kommt dann vielleicht auch bei etwas mangelnder Reflexionsfähigkeit auf den Gedanken, dass er dann auch gar nichts mehr mit Juden zu tun haben möchte – wenn die schließlich alle irgendwie hinter einer rechten bis rechtsradikalen menschenfeindlichen Regierung stehen.
Damit will ich nun natürlich keine Täter-Opfer-Umkehr betreiben, sondern nur darauf hinweisen, dass eine undifferenzierte Sichtweise eben auch Effekte zeitigen kann, die man so nicht beabsichtigt hat. In diesem Fall wird die unsachgemäße Verwendung des Begriffs Antisemitismus, um Kritik am Gaza-Krieg zu diffamieren, dann zu einer Art Bumerang, der dann weiteren tatsächlichen Antisemitismus hervorbringt.
Wem also wirklich etwas daran liegt, Antisemitismus einzudämmen, der sollte sich gegen die inflationäre Verwendung des Wortes als Kampfbegriff positionieren. Denn sonst kann so etwas dabei rauskommen wie nun gerade in Flensburg – und solche scheußlichen Schilder möchte ich zumindest nicht mehr irgendwo sehen!

