Interessantes aus KW 31/2015

An dieser Stelle präsentieren wir regelmäßig Links, die wir unter der Woche entdeckt haben, zu denen wir selbst nicht mehr viel schreiben müssen und die wir teilenswert finden. Viel Spaß beim Lesen und Anschauen!

1. Stephan Lessenich, Professor am Institut für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, beschreibt in einem Artikel für die Süddeutsche Zeitung das sogenannte „System Schäuble“, das die radikale Umstrukturierung Europas nach neoliberalen Gesichtspunkten zum Ziel hat und dabei auch nicht vor der Entmündigung von demokratisch gewählten Regierungen sowie eine Rekolonialisierung europäischen Staaten zurückschreckt. Lesenswert, da auch die Wurzeln dieser Entwicklung aufgezeigt werden.

2. Auf welch tönernen Füßen in erster Linie auf Wettbewerbsfähigkeit basierende Volkswirtschaften stehen, zeigt sich gerade in Finnland. Laut einem Artikel in der Berliner Zeitung (leider nicht mehr online aufrufbar) bröckelt nämlich die Wirtschaft beim ehemaligen Musterschüler Finnland die Wirtschaft recht massiv weg, was sich in stagnierenden Löhnen, steigender Arbeitslosigkeit und wachsenden Staatsschulden niederschlägt. Gegengesteuert werden soll mit genau den Maßnahmen, die auch schon bei anderen Ländern wie Griechenland nicht funktioniert haben – da werden wir wohl bald auch von Norden her Sorgenkinder in der Eurozone haben …

3. Auf der Webseite vom ORF findet sich ein Artikel, der Kritikpunkte von Ökonomen am geplanten EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP zusammenfasst. Für unterströmt-Leser nicht unbedingt etwas ganz Neues, aber zum einen ist das ein guter und leicht verständlich formulierter Überblick, zum anderen ist es ja auch bemerkenswert, dass diese Erkenntnisse nun auch eine breitere mediale Öffentlichkeit erfahren.

4. Als Argument für weitere Austeritätspolitk in Griechenland wird von deren Befürwortern ja gern das Argument vorgebracht, dass Spanien, Portugal und Irland dank der Austerität mittlerweile wieder auf einem guten Weg sind. Ein Artikel in der Zeit belegt nun, dass genau das Gegenteil der Fall ist: Diese Länder sind nicht so derart wirtschaftlich abgestürzt wie Griechenland, weil sie eben gerade mit der Austeritätspolitik gebrochen und wieder investiert haben (neben einigen landesspezifischen Faktoren). Aber dort sind ja auch noch neoliberale Regierungen an der Macht, denen man so was eben nicht untersagt, da sie ja schließlich politisch genehm sind.

5. David Hugendick kritisiert in seinem Kommentar für die Zeit sehr zu Recht die mittlerweile verbreitete Verwendung des Begriffs „Asylkritiker“ für rechten, rassistischen Mob, der sich vor (geplanten) Flüchtlingsunterkünften zusammenrottet. Hiermit würde eine allein auf Ressentiments beruhende Infragestellung eines Grundrechts auf eine Stufe gehoben, die ihr den Status einer legitimen und diskutierbaren Position einräumen würde. Auch Joerg Wellbrock findet in einem Artikel auf der spiegelfechter (leider nicht mehr aufrufbar) treffende deutliche Worte für dieses Phänomen. Und Sascha Lobo fordert in seiner Kolumne auf Spiegel online sehr zu Recht: Nennt sie endlich Terroristen!

6. 2000 Forscher und Experten für Künstliche Intelligenz haben sich in einem offenen Brief gegen die Entwicklung von autonom agierenden Drohnen positioniert, wie aus einem Artikel der Zeit hervorgeht. Sie weisen auf die unkalkulierbaren Gefahren und Risiken solcher Technologien hin. Wobei: Einfach mal Matrix schauen reicht auch schon aus, um sich die möglichen Konsequenzen eines solchen Irrsinns vor Augen zu führen …

7. Deutschlandradio Kultur präsentiert eine Buchvorstellung von dem 2013 geschriebenen und nun auch auf Deutsch erhältlichen Time For A Change von Yanis Varoufakis. Der ehemalige griechische Finanzminister erklärt darin seiner Tochter, die zum Zeitpunkt, als das Buch geschrieben wurde, im fortgeschrittenen Grundschulalter gewesen sein dürfte, die Ökonomie. Dass es sich dabei nicht um ein Kinderbuch handelt, sondern fundiertere Kenntnisse vermittelt als die meisten deutschen Wirtschaftsressorts der sogenannten Qualitätsmedien, macht, so wie die gesamte Rezension, Appetit auf das Buch.

8. Ein altes und unerschöpfliches Thema: Wie der Staat im Geheimen operiert und mit denen verfährt, die dieses Treiben offenlegen. Hier in kulturzeit wieder einmal ein kurzer und sehenswerter Bericht über den Umgang mit Whistleblowern, diesmal am Beispiel der Anklage wegen Landesverrats gegen Netzpolitik.org, da das Portal über demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien entgegenstehende Machenschaften des Verfassungsschutzes berichtet hat und dazu als geheim eingestufte Dokumente veröffentlicht hat.

9. Ein hervorragender Artikel von David Harvey findet sich bei den Blättern für deutsche und internationale Politik. Hierin schildert der Autor, warum dem Kapitalismus zwangsläufig seine eigene Zerstörung innewohnt und wie sich dies mittlerweile im Endstadium dieses Wirtschaftssystems in unser aller Realität manifestiert. Absolut lesenswert und erhellend!

10. Ein Artikel auf der Webseite der Heinrich Böll Stiftung beschreibt am Beispiel Senegals, welchen Anteil die EU daran hat, dass immer mehr Menschen dort die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen wird, sodass sie keine andere Perspektive sehen, als das Land zu verlassen. Hier angekommen, werden sie dann als sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“ diffamiert …

11. Das ARD-Magazin Kontraste beschäftigt sich in einem knapp zehnminütigen Beitrag mit dem derzeitigen Zustand der SPD und kommt zu dem Schluss, dass sich Parteichef Sigmar Gabriel und die Basis immer weiter voneinander entfernen. Da die neoliberal-konservative Ausrichtung der Partei allerdings nicht erst seit Gabriel vorangetrieben wird, stelle ich mir eher die Frage, warum dann so viele Sozialdemokraten noch immer in der Partei sind, wenn die Basis es anscheinend nicht auf die Reihe bekommt, mal Führungspersonal zu wählen, dass auch tatsächlich für sozialdemokratische Werte steht …

12. In erster Linie am Beispiel Mainz setzt sich ein Beitrag vom Deutschlandfunk mit den Praktiken des Shoppingcenter-Betreibers ECE auseinander: Gutachten sind eher fragwürdig, Politiker werden mit falschen Versprechungen geködert und Innenstädte veröden in Nachbarschaft zu diesen abgeschlossenen Malls. Gut, dass sich immer öfter Widerstand dagegen regt!

13. Eine interaktive Grafik auf der Webseite von The Guardian (ist allerdings auf Englisch, aber der wenige Text ist auch so gut zu verstehen, zudem erklärt sich das eigentlich von selbst) zeigt, welche Ängste die Menschen in verschiedenen Ländern in welchem Maße umtreiben (basierend auf einer Studie). Das lässt schon sehr interessante Rückschlüsse auf die unterschiedlichen Mentalitäten zu, wenn man zum Beispiel sieht, wo die Befürchtungen wegen des Klimawandels am höchsten sind. Auch interessant, das insgesamt gesehen die Menschen in den USA die am stärksten ausgeprägten Ängste haben.

14. War ja irgendwie klar: Laut einem Telepolis-Artikel wird es wohl nicht so einfach etwas damit werden, dass die vier großen Stromkonzerne die Rückbaukosten der Atomkraftwerke aus den dafür vorgesehenen Rücklagen werden zahlen können. Bleiben zwei Alternativen: Entweder der Steuerzahler oder aber die privaten Stromkunden kommen für die Entsorgung der Sauerei auf. Auch hier geht’s also nach dem Prinzip: Gewinne gehen in private Taschen, Verluste dürfen dann von der Gemeinschaft getragen werden.

15. Den französischen Bauern geht es nicht gerade gut, sodass sich ihr Unmut in den letzten Wochen in Form zahlreicher Protestaktionen Luft machte. Ein Telepolis-Artikel geht den Ursachen dafür auf den Grund und landet dabei auch mal wieder in Deutschland, dass auch im landwirtschaftlichen Bereich konsequent auf Konkurrenz innerhalb der Währungszone setzt und mit dem massiven Einsatz von Billiglöhnern aus Osteuropa die Preise für landwirtschaftliche Produkte kaputtmacht.

16. Inforadio (rbb) präsentiert ein zwölfminütiges hochinteressantes Interview mit Harald Welzer (zurzeit leider nicht mehr verfügbar) vom Rat für nachhaltige Entwicklung, der sich für ein konsequentes Umdenken in unserem wirtschaftlichen Verhalten ausspricht: Es muss nicht immer mehr, immer größer, immer besser sein, da dies den Menschen nicht glücklicher macht und zudem unsere Ressourcen, die uns als Grundlage zur Verfügung stehen, unnötig schnell vernichtet. Dabei liefert er einige interessante Beispiele, sodass der Beitrag (mich zumindest) sehr zum Nachdenken anregt.

17. Ein Artikel im Campact-Blog weist nach, wie dreist Gabriel in einem Fernsehinterview mit der ARD zum Thema Vorratsdatenspeicherung eine Lüge nach der anderen auftischt. Unglaublich … Dass Gabriel es nicht besser weiß, würde ich mal ausschließen, also spricht aus ihm eine Haltung, sich selbst sowieso für unangreifbar und über dem Rest des Volkes stehend zu halten, sodass man die Realität auch gern nach seinen eigenen Vorstellung in aller Öffentlichkeit verbiegen kann, da einem ja auch beim Nachweis der Lüge eh nichts passieren wird.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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