Die schmuddeligen Handlanger der Eliten, Teil 2

Eigentlich sollte dies eine Ergänzung zum Artikel Die schmuddeligen Handlanger der Eliten werden, aber dann kam doch einiges zusammen, sodass es mir übersichtlicher erschien, den Artikel um einen zweiten Teil zu ergänzen.

Nicht nur das lange Schweigen von Angela Merkel und ihre dann endlich erfolgten Wischiwaschi-Aussagen zum immer weiter um sich greifenden rechten Terror gegen Flüchtlinge und deren Unterstützer stützt die in Teil 1 aufgestellte These, dass die der merkliche Rechtsruck und der zunehmende offene Rassismus und die Übergriffe gegen Flüchtlinge und auch deren Unterstützer für unsere sogenannten „Eliten“ nicht nur kein sonderliches Problem darstellt, sondern eben auch durchaus nicht ganz unwillkommen ist. Auch ganz offen agieren nun Politiker nicht rechter Parteien so, dass weiter Feuer ins Öl gekippt wird. So geht aus einem Artikel der Kreiszeitung Wochenblatt hervor, wie der CDU-Bürgermeister des Heidedörfchens Undeloh unverhohlen rechte Parolen bei der Diskussion um eine Flüchtlingsunterkunft im Ort verbreitet. Auch der offene Brief vom Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD)  dürfte mit Forderungen des Aussetzens der Schulpflicht für Flüchtlingskinder Wasser auf die Mühlen von Rechtsaußen sein. Zum Teil mag bei derartigen Äußerungen natürlich auch das Vertreten lokaler Interessen im Vordergrund stehen, und dem Dorfbürgermeister aus Undeloh lass ich auch noch mal eine gewisse Unbedarftheit durchgehen, wenn er seine ressentimentgeladenen Sprüche vom Stapel lässt, bei einem Bürgermeister einer Stadt wie Erfurt mit gut 200.000 Einwohnern gehe ich allerdings von einem Politprofi aus, der schon genau weiß, wie und bei wem seine Aussagen entsprechend ankommen.

Joerg Wellbrock beschreibt in einem Artikel auf der spiegelfechter (leider nicht mehr online aufrufbar) die Auswirkungen dieses einerseits passiven und andereseits zündelnden Vorgehens vonseiten der Politik: Sie wird von den sich zunehmend radikalisierenden und offensiver auftretenden Rechtsextremen (und in den sogenannten „besorgten Bürgern“ in deren Gefolge) nicht mehr ernst genommen. Auch der Kommentar von Rainer Burchardt für den Deutschlandfunk zielt in eine ähnliche Richtung, zudem stellt er die berechtigte Frage:

Wo bleibt eine flächendeckende Aufklärungskampagne, wie sie oft genug bei jeder noch so unbedeutenden sozialen Beschwernis üblich ist. Ob Kita oder Maut – sind das etwa die existenziellen Herausforderungen dieser Tage?

M. E. hätte diese Entwicklung von Politikern oder zumindest ihren Beratern vorhergesehen werden müssen, insofern kann ich mir nicht vorstellen, dass kein Kalkül dahintersteckt, die seit Wochen immer deutlicher auftretenden Konflikte derart eskalieren zu lassen. Der Soziologe und Rechtsextremismusforscher Johannes Kiess benennt in einem zehnminütigen Interview mit Deutschlandradio Kultur die Vorhersehbarkeit dieser Entwicklung, zudem zeigt er die Ursachen dafür auf (leider am Ende aus Zeitgründen etwas vom Moderator abgewürgt). Und Kiess benennt auch deutlich, dass ausländerfeindliche Positionen (je nach Bundesland) bei 30 bis 50 % der deutschen Bevölkerung vorhanden sind, die nun noch durch die öffentliche Akzeptanz (und hier kommen wieder die Brandbeschleuniger BILD und Co. ins Spiel, die Angst vor dem Islam und Hetze gegen Griechen in der medialen Normalität etabliert haben) zum Vorschein kommen und zunehmend lauter öffentlich artikuliert werden.

Noch mal zurück zum Kommentar von Rainer Burchardt, denn dieser spricht noch einen weiteren entscheidenden Aspekt an: Nur in einer Atmosphäre des weit verbreiteten und laut postulierten rechts-rassistischen Ressentiments wird es möglich sein, Menschen beispielsweise aus Rumänien, die aufgrund der EU-weiten Freizügigkeit nach Deutschland kommen, wieder in ihre Heimat zurückzuschicken, weil sie eben Sinti und Roma sind, ohne einen allzu großen Proteststurm, sondern vielleicht sogar noch Applaus für ein derartiges Vorgehen zu ernten.

Beim Kiess-Interview findet sich im dazugehörigen Artikel auf der Webseite von Deutschlandradio Kultur noch folgende Passage, die den Vizekanzler bei seinem Besuch in Heidenau zitiert:

„Man darf den Typen, die sich da rumtreiben, keinen Millimeter Raum geben“, sagte Gabriel. Auf fremdenfeindliche Ausschreitungen könne es „nur eine Antwort geben: Polizei, Staatsanwaltschaft und nach Möglichkeit für jeden, den wir erwischen, auch das Gefängnis“.

Schöne Worte. Die Realität sieht dann allerdings ein bisschen anders aus: Auf dem Internetportal Vice findet sich ein Bericht über die Vorfälle im sächsischen Heidenau und zudem auch noch ein Interview mit einem der Gegendemonstranten, die versucht haben, Flüchtlingsunterkunft zu schützen, dann allerdings mit massiver Polizeigewalt vertrieben wurden. Am folgenden Tag wurden dann vonseiten der Polizei, wie Freelens berichtet, Journalisten massiv bei ihrer Arbeit behindert. Bei den rechten Randalierern hingegen kam es nur zu einer vorläufigen Festnahme. Wenn dass die von Gabriel geforderte Härte sein soll, dann dürfte das wenig Erfolg versprechen. Das Problem ist natürlich auch das mittlerweile als typisch anzusehende Verhalten der Polizei: nach Rechts kuschen und passiv sein, nach Links draufhauen und dann auch noch die Presse attackieren. Und auch die beiden Rechtsextremen, die in einer Berliner S-Bahn besoffen „Heil Hitler!“ gebrüllt und eine Frau mit ihren Kindern, die sie aus Osteuropa kommend vermuteten, aggressiv angingen, was dann in dem unglaublich widerwärtigen Akt mündete, dass einer der beiden die Kinder anpinkelte (exemplarisch als Quelle hierfür ein Artikel im Tagesspiegel), sind nach einem Blutalkoholtest sogleich wieder auf freien Fuß gesetzt worden, und das, obwohl die Männer wohl nicht zum ersten Mal durch rechtsextreme Straftaten aufgefallen sind.

Diese Gewährenlassen vonseiten der Politik und Exekutive, gepaart mit ständigem Öl ins Feuer gießen, kann doch nicht einfach nur Zufall oder Unbedachtheit sein, oder? In jedem Fall steht es konstruktiven Lösungsansätzen, wie wir bestmöglich mit den zahlreichen Flüchtlingen umgehen und wie dem Rechtsruck der deutschen Gesellschaft entgegengewirkt werden kann, ziemlich deutlich im Weg.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

7 Gedanken zu „Die schmuddeligen Handlanger der Eliten, Teil 2“

  1. Auch Jakob Augstein hat dieses Problem in seiner Kolumne auf Spiegel online erkannt und bezeichnet die Demonstranten und Randalierer vor Flüchtlingsheimen als „die dienstbaren Deppen des Systems“. Diese sollten sich lieber gegen die Banken und die Regierung wenden, doch dazu brächte es laut Augstein einen linken Populismus, der diesen Menschen überhaupt erst mal erreicht. Interessante Gedanken …

  2. Und gerade jetzt, wo sich die Stimmung ein wenig wendet, sich zusehends mehr Menschen für Flüchtlinge engagieren und sich auch etliche Promis zu Wort melden gegen den tumben Rassismus, muss natürlich Jan Fleischhauer in seiner Kolumne auf Spiegel online gleich mal einen fetten Akzent dagegensetzen und ordentlich Wasser auf die Mühlen der rechten Brut schütten. Widerlich, aber eben ganz im Dienste der sogenannten „Eliten“.

  3. Weiter geht’s, diesmal ist es die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner, die ordentliche Öl ins Feuer gießt. Das, was da in einem Focus-Artikel (vollkommen unkritisch, aber das wundert einem beim Focus ja auch nicht wirklich) von ihr zitiert wird, ist NDP-Jargon vom Allerfeinsten.

  4. Und auch die ARD mischt fröhlich dabei mit, den Rechten in Deutschland Futter zu liefern. Der Bericht aus Berlin vom 4. 10. strotzt nur so vor Ressentiments (gipfelnd in einer Fotomontage von Angela Merkel mit Kopftuch vor der Silhouette vom Berliner Reichstag mit lauter Minaretten), der Moderator Rainald Becker spielt „böser Bulle, guter Bulle“ mit Kanzleramtsminister Peter Altmeier (CDU), der hier sogar noch als gemäßigte Stimme auftritt, und auch das Interview mit Gregot Gysi (Linke) am Ende der 18-minütigen Sendung kann den Eindruck, der hier erzeugt wird, nicht wirklich korrigieren.

  5. Ein ausführlicher ausgesprochen lesenswerter Artikel in der Zeit beschreibt das Leben einer Aussteigerin aus der rechten Szene. Erschreckend zu lesen, wie sie schon von Kindheit an in Lagern gedrillt und ihr die rechtsextreme Gesinnung eingeimpft wurde.

    Was ich darüber hinaus ausgesprochen entlarvend finde, ist folgender Absatz:

    Und dann gibt es noch die Camps der „Interessengemeinschaft (IG) Fahrt und Lager“. Die Organisation weist „sowohl inhaltlich als auch personell Parallelen“ zur HDJ auf, wie es in einem als „Verschlusssache“ klassifizierten Dokument des Verfassungsschutzes heißt, das die ZEIT einsehen konnte. Kinder und Jugendliche würden dort „unter dem Deckmantel harmloser Freizeitaktivitäten einer ideologischen Schulung im Sinne rechter Weltanschauung unterzogen“. Das Dokument stammt aus dem Jahr 2011 und ist somit ein Jahr älter als die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken im Bundestag. Auf die Frage, inwieweit es nach dem Verbot der HDJ zu Neugründungen von Organisationen durch ehemalige HDJ-Mitglieder kam, hieß es lapidar: „Der Bundesregierung liegen keine entsprechenden Erkenntnisse vor.“ Der Gründer der „IG Fahrt und Lager“ war bis zu deren Verbot in der HDJ aktiv.

    Hier wird nun mehr als deutlich, dass die Bundesregierung trotz Kenntnis derartiger rechtsradikaler Umtriebe kein Interesse daran zu haben scheint, dagegen vorzugehen. „Teile und herrsche“ in Reinkultur …

  6. Und wieder ein Beispiel, wie die aufgeheizte Stimmung von nicht explizit rechter Seite aus weiter befeuert wird: Stefan Niggemeier beschreibt in einem Artikel seines Blogs, wie Focus mittlerweile Stimmung gezielt und mit unsauberen journalistischen Methoden rechte Ressentiments gegen Flüchtlinge bedient, um so Klickzahlen vom rechten Rand abzugreifen. Verantwortungsvoller Journalismus geht wahrlich anders.

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