Wenn es die AfD nicht gäbe, die CDU müsste sie erfinden

Die Popularität der AfD steigt und steigt in den letzten Monaten, mittlerweile würde die Partei laut Umfragen bundesweit auf etwa zwölf Prozent der Stimmen kommen. Es ist aufgrund der marktschreierischen Hetze von Frauke Petry, Beatrix von Storch, Björn Höcke und deren Spießgesellen schon reichlich erschreckend, dass derart viele Deutsche dem so vermittelten rassistischen, ewiggestrigen Weltbild zustimmen, und von eigentlich allen andere Parteien hört man besorgte Stimmen wegen dieses Erstarkens einer solchen rechten politischen Kraft. Dabei wird meistens übersehen, dass es vor allem einen Nutznießer von dem Aufschwung der AfD gibt: die CDU/CSU.

Das ergibt sich schon allein daraus, wenn man sich überlegt, wie zukünftige Regierungsbildungen nach Landes- und Bundestagswahlen aussehen dürften, wenn die AfD in die Parlamente einzieht: Für Rot-Grün oder Rot-Rot-Grün (zumal nach der zunehmenden Selbstdemontage der SPD als Juniorpartner der CDU in der Bundesregierung) wird es wohl kaum noch irgendwo reichen, höchstens in dem einen oder anderen ostdeutschen Bundesland, in denen die Linke ja traditionell deutlich stärkere Ergebnisse erzielt als in den „alten“ Bundesländern. Ansonsten wäre da vor allem die CDU als stärkste Partei, die sich dann ihren Koalitionspartner aussuchen könnte und in jedem Fall den Regierungschef stellt. Schwarz-Grün, Schwarz-Gelb (falls die FDP sich wieder etwas mehr berappeln sollte) oder auch die große Koalition mit der SPD – alles Optionen, die, wie man zurzeit ja auch an der Bundesregierung oder an schwarz-grünen Landesregierungen (z. B. in Hessen) sieht, vor allem zu CDU-Politik führen werden.

Doch mit diesem Abonnement auf Wahlsiege ist es für die CDU noch nicht genug mit dem Profitieren vom Einzug der AfD in die Parlamente, auch inhaltlich kommt deren Präsenz und Artikulation der CDU sehr entgegen, und das auf mehreren Ebenen.

Zum einen wären da die Unzufriedenen, die durchaus zu Recht Missstände in Deutschland beklagen, wie zum Beispiel schlechte Arbeitsplätze, einen zusammengestrichenen Sozialstaat, schlechtere Leistungen im Gesundheitswesen sowie bei ehemaligen Staatsbetrieben aufgrund von Privatisierungen, stetig weiter um sich greifende Armut, Wirtschaftshörigkeit der Politik usw. Vielen dieser Menschen liefert die AfD nun einfach, aber falsche und vereinfachende Lösungen, indem sie beispielsweise Flüchtlinge zu Sündenböcken für alle Mögliche macht. Die CDU und ihre Anhänger sind dadurch fein raus, denn so kommen viele nicht auf die Idee, mal nach den tatsächlichen Urhebern für Missstände zu suchen und dann eventuell nämlich bei genau jeder CDU-Klientel zu landen. Und das Schöne dabei: Man muss sich selbst noch nicht mal die Hände schmutzig machen für diese Art der „Entsolidarisierung des Pöbels“, denn das besorgen dann schön die AfD-Schreihälse.

Praktischerweise ist ja von der AfD zudem keine systemische Kritik zu erwarten oder gar, dass Lösungsansätze für die wahrgenommenen Missstände formuliert werden, die nicht dem neoliberalen politischen Grundtenor der CDU (und mittlerweile auch von SPD, Grünen und FDP) entsprechen, denn auch wenn sich die AfD gern als Partei des „kleinen Mannes“ darstellt, so ist doch ihr Programm an sich, wenn man über die Ressentiments schürenden Parolen hinausschaut, streng neoliberal, ja hier sogar weiter gehend als das, was die anderen Parteien anzubieten haben: Abbau des Sozialstaates, Abkehr vom Mindestlohn, Abschaffung der Erbschaftssteuer, Steuersenkungen für Reiche – das sind alles Punkte, die den allermeisten bei der CDU auch sehr gefallen dürften und die der gängigen Politik seit etwa 30 Jahren entsprechen.

Zum anderen sind da diejenigen, die die Regierungsarbeit kritisieren und die nun schön mit der AfD, die dieses ebenfalls (allerdings meist auf recht undifferenzierte Art und Weise) macht, in einen Topf geschmissen werden können. So entledigt man sich kritischer Stimmen, indem man sie in eine Schmuddelecke verweist, in der sie eigentlich gar nichts zu suchen haben. Ohne Rücksicht auf den Hintergrund von Kritik heißt es dann schlicht: „Ja, ja, das sagt die AfD ja auch, da kommen ja die Richtigen zusammen …“, und schon steht der eigene Standpunkt als reichlich alternativlos da. Oppositionsarbeit wird so also deutlich schwieriger.

Darüber hinaus ist die AfD natürlich auch noch ausgesprochen dienlich, um das Teile-und-herrsche-Prinzip praktizieren zu können. Es findet ja bereits jetzt eine Verschiebung weg von Themen wie TTIP (zur Erinnerung: 250.000 Menschen demonstrierten im Oktober noch dagegen, und europaweit haben sich mehr als drei Millionen Menschen im Rahmen einer überstaatlichen Bürgerinitiative dagegen ausgesprochen) hin zum Thema Flüchtlinge. Dieses wird von der AfD, da sie auf diese Weise an Wählerstimmen zu kommen gedenkt (was ja auch leider recht gut hinhaut), ordentlich ausgeschlachtet und immer wieder auf die tagespolitische Agenda gezerrt. Die Stimmung im Land ist entsprechend aufgeheizt, Rechte hetzen gegen Flüchtlinge (und begehen haufenweise Straftaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund), Linke stellen sich dem entgegen – prima, „der Pöbel“ ist beschäftigt, vielen Dank, AfD. Nützliche Trottel also, damit die Merkel-Regierung ihre destruktive Politik ein Stück weit ungestörter durchziehen kann.

Diese Dominanz rechter Themen im öffentlichen Diskurs hat zwei weitere positive Aspekte für die CDU: Zunächst einmal finden unangenehme „linke“ Themen kaum noch statt. Dazu muss man sich nur mal die Talkshows anschauen, in denen seit Monaten kaum noch linke Stimmen zu Wort kommen. Ein krasses Beispiel dafür lieferte vor ein paar Wochen eine Runde bei Anne Will im ZDF: Eingeladen, um über Flüchtlinge zu diskutieren, waren Beatrix von Storch (AfD), Hans-Peter Friedrich (CSU), Armin Laschet (CDU) und der evangelisch-lutherische Theologe Heinrich Bedford-Strohm als Fürsprecher für die Flüchtlinge. Dabei kann man nun nicht wirklich von einer ausgewogenen Gästemischung sprechen, oder? Und dabei wird dann auch der zweite positive Aspekt für die CDU deutlich: In so einer Runde kommen dann die eigenen Standpunkte zwangsläufig als relativ gemäßigt rüber. Egal, ob da gerade mal wieder das Asylrecht verschärft wurde oder nicht – im Vergleich mit den Dampfplauderern von CSU und AfD nimmt man dann gern die Rolle des Moderaten ein.

Der marktradikale Neoliberalismus, wie er ja von der Merkel-Regierung praktiziert wird, impliziert Menschenverachtung im großen Maß. Deutlich wurde das zum Beispiel vor etwa einem Jahr im Umgang mit Griechenland: Die humanitäre Situation der Menschen dort war schlichtweg vollkommen egal, es ging nur darum, dass „die Griechen“ ihre „Hausaufgaben“ zu machen hatten. Und auch trotz des Kanzlerinnenwortes „Wir schaffen das“ ist auch die Flüchtlingspolitik unserer Regierung nicht gerade menschenfreundlich, wenn da von Militäreinsätzen zur Sicherung der EU-Grenzen, Beschränkung des Familiennachzugs und Paktieren mit einem Despoten wie Erdogan als selbstverständliche Mittel herangezogen werden. Die AfD betreibt hierbei nun eine offensichtliche Radikalisierung der öffentlichen Meinung, indem von Schießbefehlen an der Grenze gegen Flüchtlinge palavert wird, und in diesem Fahrwasser kann dann die eigene Politik ebenfalls radikalisiert werden, und das ebenfalls, ohne sich die Finger schmutzig zu machen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist eine Petition, die von der Jungen Union Bayern gestartet wurde und in der gefordert wird, dass eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr eingeführt werden soll. Vor ein, zwei Jahren kamen solche Töne noch ausschließlich von der NPD …

Franz-Josef Strauß bestand ja bekanntermaßen darauf, dass es keine Partei rechts von der CSU geben darf. Das ist mittlerweile Schnee von gestern, da nämlich alle anderen Parteien in der Zwischenzeit ein gutes Stück nach rechts gerückt sind, sodass die CDU die AfD ruhig rechts vorbeiziehen lassen kann – und selbst wird dann bei den Parteien nach Wahlstimmen gefischt, die sich nun inhaltlich kaum noch von der CDU unterscheiden. Die frustrierten Wähler, die sich nicht mehr repräsentiert fühlen durch einen Parteienbrei, der nur noch für rechte Mitte und Neoliberalismus steht, bleiben dann zu Hause (die sinkenden Wahlbeteiligungen belegen dies), wählen AfD, wenn sie auf die Sündenbockagitation hereinfallen oder sind offen für die CDU mit ihrer doch eigentlich ganz netten und von fast allen Medien hofierten Angela Merkel.

Sowohl im Hinblick auf Wahlerfolge als auch auf der Ebene des öffentlichen Diskurses ist die AfD mit ihren derzeitigen Erfolgen also das Beste, was der CDU passieren konnte. Wundert es da noch, dass vonseiten ihrer Politiker und ihr nahestehenden Medien immer wieder Öl ins Feuer gegossen wird, um die Themen zu befeuern, bei denen sich die AfD mit Hetze zu profilieren sucht? Mich zumindest nicht …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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