Was ist links, was ist rechts?

Immer wieder lese oder höre ich, dass „die Linken“ ja genauso schlimm wären wie „die Rechten“ (meistens natürlich von selbst Rechtslastigen), und auch die Aussage, dass Extremismus von links und rechts beides abzulehnen ist, vernimmt man ja immer wieder auch aus dem Mund von Politikern, die sich selbst zur Mitte zählen. Ich finde das sehr ärgerlich, denn auf diese Weise werden grundsätzlich unterschiedliche Weltsichten in einen Topf geschmissen und verkommen so zu reinen Kampfbegriffen.

Wenn man nur an der Oberfläche bleibt mit dem Verständnis, kann es natürlich schon mal vorkommen, dass man Parallelen zwischen vermeintlich Linken und Rechten zu erkennen meint. Wenn man sich allerdings mal vor Augen führt, was denn eigentlich die grundlegenden Unterschiede von linkem und rechtem Denken sind, dann bemerkt man die Unsinnigkeit derartige Gleichsetzungen. Und erkennt darüber hinaus noch, warum eine politische Zusammenarbeit von Linken und Rechten (wie sie ja einigen AfD-Jüngern, die beispielsweise Sahra Wagenknecht auch mögen, immer mal wieder vorschwebt) schlichtweg unmöglich ist.

Der Unterschied zwischen rechts und links besteht nämlich darin, wie man generell Menschen ansieht und beurteilt. Rechte haben hier eine hierarchische Struktur, je weiter rechts, desto starrer. Praktischerweise stehen ganz oben in dieser Hierarchie immer diejenigen, die so sind wie die Rechten oder ihnen zumindest sehr ähneln und vertraut sind. In Deutschland ist das der deutsche, weiße, christliche, heterosexuelle Mann. Je mehr nun Eigenschaften von anderen Menschen von diesen Merkmalen abweisen, desto niedriger ist deren Platz in der rechten Hierarchie. Und da diese Eigenschaften ausgesprochen schwer bis gar nicht zu verändern sind, ist die rechte Hierarchie eben auch starr und unbeweglich, was sich ebenfalls durch Unbeweglichkeit im Denken von Rechten widerspiegelt: Alles muss seine Ordnung haben!

Nun beurteilen Linke natürlich auch andere Menschen, aber eben nicht aufgrund einer feststehenden Hierarchie, sondern aufgrund ihres Handelns und ihrer Aussagen. Generell sind alle Menschen im egalitären linken Selbstverständnis erst mal gleich, die Einstufung erfolgt dann individuell danach, wie sich der Einzelne verhält. Das ist natürlich ein bisschen mühseliger, als wenn man Menschen gleich aufgrund schnell erkennbarer äußerer Merkmale klassifiziert. Und es ist nicht so konsensträchtig, da man ja eben von Mensch zu Mensch und von Situation zu Situation anders entscheiden muss. Zudem kann sich so eine Einteilung eines Menschen auch mal ändern: Wer in einigen Punkten ein netter Kerl ist, vertritt bei anderen Themen vielleicht auch mal nicht akzeptable Ansichten.

Rechte haben es da einfacher: Alle ihresgleichen sind gut, von allen anderen muss man sich abgrenzen. Daraus resultiert dann nicht nur eine hohe Gleichförmigkeit im Denken, die sich auch darin widerspiegelt, dass einmal akzeptierten Führerpersonen ohne viel Widerspruch gefolgt wird, sondern auch die Tendenz zur Ausgrenzung, die wiederum dadurch bestärkt wird, dass „die anderen“ herabgewürdigt werden, um die Ausgrenzung auch vor sich selbst rechtfertigen zu können. Und diese Denkweise birgt natürlich ein reichlich großes Gewaltpotenzial, da eben Ausgrenzung selten ein freiwilliger Vorgang vonseiten des Ausgegrenzten ist. Diese Gewalt spiegelt sich in der Sprache wieder, schlägt aber oft genug auch in physische Gewalt um – was man auch daran sieht, dass durch Rechtsextreme wesentlich mehr Menschen in Deutschland umgebracht wurden als durch Linksextreme (s. dazu eine gute Zusammenfassung in einem Video von Moritz Neumeier).

Und das ist ein ganz entscheidender Unterschied zwischen Rechts und Links: Auch wenn es durchaus Linke gibt, die Gewalt als Mittel zur Durchsetzung von Interessen rechtfertigen, so herrscht generell beim Großteil der Linken schon eher der Konsens der Gewaltfreiheit. Bei Rechten kann so ein Konsens nie entstehen, da Gewalt ein strukturelles Element ihres Selbstverständnisses ist.

Daher haben Rechte auch einen Hang zur Polizeistaatlichkeit, finden Überwachungsmaßnahmen super und Militarismus auch nicht verkehrt. Denn sie sind der Ansicht, dass sich dementsprechende Maßnahmen ja nicht gegen sie selbst, sondern gegen „die anderen“ richten würden, und die haben ja auch nichts anderes verdient. Es geht Rechten letztlich darum, die bestehenden Machtstrukturen aufrechtzuerhalten, da sie selbst ja insofern davon profitieren, dass sie sich an der Spitze ihrer eigenen Hierarchie sehen. Das drückt sich auch immer wieder in der Sprache von Rechten aus, die oft auf wertende Vokabeln zurückgreifen und sich mitunter regelrecht sperren gegen die Verwendung neutraler, sachlicher Begriffe, da durch diese kein Machtgefälle ausgedrückt werden kann. Das richtet sich übrigens nicht nur gegen Ausländer und Andersgläubige, sondern zeigt sich auch in der konsequenten Ablehnung des von Rechten so geschmähten „Genderwahns“, der ja das Ziel hat, patriarchalische Machtstrukturen zu nivellieren.

Vor einiger Zeit habe ich in einem Artikel hier auf unterströmt einige Merkmale von rechtem Denken schon mal aufgelistet und dann den Merkmalen von islamistischen Fanatikern gegenübergestellt. Da waren etliche Parallelen zu erkennen, sodass klar wird, dass religiöser Fanatismus eben auch in der Regel rechts ist – auch wenn Rechte sich explizit dagegen aussprechen, zumindest wenn es sich um eine andere als ihre eigene Religion handelt.

Daran wird auch deutlich, dass Rechte nicht wirklich Internationalismus leben können, sondern eben immer den Nationalstaat benötigen, da dieser eine sehr wichtige Grenze für sie markiert. Es mag zwar rechte Verbindungen über Landesgrenzen hinweg geben, aber wenn es hart auf hart kommt, sind dann die Kameraden aus dem Ausland eben auch nur Ausländer – und damit minderwertiger als man selbst. Offen tritt das zutage, wenn dann andere Rechte, wie beispielsweise der türkische Präsident Erdogan, auch noch eine andere Religion haben: Da werden dann Rechte zum Feindbild von Rechten. Deswegen lehnen Rechte auch so vehement eine Institution wie die EU ab, da diese eben über die nationalen Grenzen hinausgeht und dazu nötigt, auch über diese Grenzen hinauszudenken und zu handeln.

Und da kommt auch noch ein weiterer Aspekt ins Spiel: Rechtes Denken ist immer auch egoistisch. Es geht vom eigenen Selbstbild aus, dass dann noch auf Dinge wie „Rasse“, „Volk“ oder „Nation“ übertragen wird, aber auch nur in dem Sinne, dass dort eine Homogenität der Dazugehörigen besteht. Alle im Prinzip genau so wie ich selbst – wer nicht so ist (oder nicht so denkt), gehört nicht dazu. Aus diesem Grund haben Rechte beispielsweise auch nicht so viel mit Umweltschutz am Hut (es sei denn, es betrifft sie selbst, wenn beispielsweise Glyphosat Krebs machen soll) und wenig Drang, Verantwortung für ihr Handeln, sobald dies andere betrifft, zu übernehmen. Linkes Denken hingegen schließt Dinge wie ökologisches und nachhaltiges Leben, Klima- und Umweltschutz mit ein, da auch Verantwortung für Menschen in anderen Ländern oder zukünftige Generationen zum eigenen Selbstverständnis hinzugehört.

Wenn man nun diesen Überlegungen folgt, dann kommt man zu durchaus interessanten Schlüssen, nämlich beispielsweise, dass die DDR nicht links war – obwohl sie ja für viele Rechte immer das Sinnbild dafür ist, warum linke Ideen in der Praxis nichts Gutes bewirken würden. Menschen zu überwachen, in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken und die Umwelt zu zerstören – das ist nun mal alles andere als links. Auch die Tatsache, dass zwar in der DDR vom Antifaschismus viel gesprochen wurde, dann aber in der Praxis Punks doch wesentlich mehr schikaniert wurden als die ordentlicher auftretenden, zunächst von der Hooligan-Szene beeinflussten Rechtsextremen, ist mehr als bezeichnend. Auch wenn die DDR prinzipiell ausgehend von linker Ideologie gegründet wurde, so ist davon dann doch in der Praxis bis auf hohle Formelhaftigkeit wenig übrig geblieben. Ein linker Staat, wie ich ihn mir vorstelle, hätte zumindest sehr wenig Gemeinsamkeiten mit der repressiven und spießigen DDR. Dennoch dient diese nach wie vor als Diskreditierungsexempel für linke Politik.

Aber so ergibt es dann auch Sinn, dass viele Rechte Anhänger der sogenannten Ostalgie sind. Da hatte eben alles noch seine Ordnung …

Und so kommt man dann zu dem Schluss, dass linke Politik eigentlich kaum irgendwo praktiziert wird. Dabei ist und war diese eigentlich immer sehr erfolgreich, wenn sie (zumindest in Ansätzen) umgesetzt wurde, sei es in Form des New Deals in den USA oder aktuell gerade in Portugal zur Beendigung der Austerität.

Aber Linke haben eben nicht nur Rechte als Gegner, sondern auch die mittlerweile marktradikalisierte sogenannte Mitte. Der Neoliberalismus sieht sich nämlich von links bedroht, während es mit Rechten doch etliche Überschneidungen gibt (wie man ja schon am neoliberalen „Versuchslabor“ Pinochet-Chile gesehen hat). Sozialdarwinismus, Egoismus sowie hierarchisches und elitäres Denken sind beiden Gesinnungen eigen. Eine kleine Gruppe – bei den Neoliberalen der „Geldadel“, bei den Rechten die völkische Elite – sichert sich Privilegien, die der großen Masse an Menschen vorenthalten wird. Zudem zeigt ja ein Blick in die Geschichte und auch auf die aktuelle Politik (z. B. in Österreich, den USA, Ungarn …), dass rechte Politiker immer auch Freunde der Vermögenden und Konzerne sind.

Und das ist dann noch ein gravierender Unterschied zwischen Rechts und Links: Rechte sind mit dem Neoliberalismus komplett kompatibel, zumal dieser ja in den letzten Jahren zunehmend autoritäre und damit rechtslastige Züge annimmt (Ausbau des Überwachungsstaats, Militarisierung der Polizei, Dichtmachen der EU-Außengrenzen). Linke hingegen stellen den Neoliberalismus infrage und weisen darauf hin, dass dieses System abgewirtschaftet ist und nur noch Schaden anrichtet.

Insofern kann wirkliche Systemkritik und Progressivität nur von links kommen, da können sich die Rechten noch so sehr selbst als „Alternative“ bezeichnen – sie sind es eben einfach per se nicht.

Diese Unterschiede sind also dermaßen elementar, dass es vollkommen unstatthaft ist, Linke und Rechte in einen Topf zu werfen oder gleichzusetzen. Wer das macht, der ist vor allem daran interessiert, linkes Denken zu diskreditieren – und in der Regel selbst mit reichlich rechter Schlagseite versehen.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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