Von der begegnenden zur konsumptiven Freizeit

Am Wochenende bin ich bei einem Gespräch über Kaffee (und das, obwohl ich überhaupt kein Kaffeetrinker bin) darauf gekommen, was unser heutiges Freizeitverhalten massiv von dem aus dem letzten Jahrtausend unterscheidet – und das ist etwas ausgesprochen Bezeichnendes für unseren Lebensstil und die damit einhergehende Selbstverständlichkeit, mit der wir zurzeit unseren Planeten ruinieren. War früher die Begegnung mit anderen der zentrale Aspekt vieler Freizeitaktivitäten, beispielsweise auch eines Cafébesuchs, so geht es heute vor allem darum, was konsumiert wird.

Ich erinnerte mich nämlich daran, dass man früher in einem Café meistens Filterkaffee, den man auch genauso gut zu Hause zubereiten kann, serviert bekam, während heute der Konsum von hunderttausend verschiedenen Kaffeespezialitäten zur Selbstverständlichkeit geworden ist – und oft den Ausschlag für die Wahl der Location gibt. Passend dazu: Selbst gebackener Kuchen galt früher auch noch meistens als leckerer als der gekaufte.

Sich also in ein Café zu begeben war in erster Linie ein Akt der Geselligkeit, weil man sich dort mit jemandem treffen oder einfach nur unter Menschen sein wollte.

Heute gibt es dafür alle Möglichen Spezialitäten in Cafés, mit denen die Kunden angelockt werden, diese sitzen dann allerdings, zumal in Zeiten des Smartphones, zunehmend vereinzelt und um sich selbst kreisend dort – beschäftigt mit ihrem Konsumgut, das sie verzehren.

Und das passt natürlich auch total zum neoliberalen Zeitgeist und dessen Dogmen wie „Jeder ist sich selbst der Nächste“ oder „Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht“, gepaart mit einem dem Wachstumswahn geschuldeten beständigen Befeuern des Konsums durch omnipräsente Werbung, Marketing und PR. Es war dann nicht nett im Café, weil man sich mit jemandem gut ausgetauscht hat, sondern weil der Kaffee so vortrefflich geschmeckt hat. Klar, zwischenmenschlicher Austausch kostet ja auch nichts und trägt nichts zum BIP bei – ist somit also nicht sonderlich erwünscht.

Dazu passt auch das von mir vor einiger Zeit schon mal geschilderte Zeitgeistphänomen der Eventisierung, als ich diesen Aspekt ja ebenfalls schon andeutete:

Wer zu Hause mit ein paar Freunden zusammensitzt und sich unterhält, Musik hört oder auch ein Glas Wein trinkt, der konsumiert nicht ansatzweise so viel wie derjenige, der ein oftmals kostenpflichtiges Event besucht und dort Getränke, Speisen, Souvenirs usw. konsumiert.

Auf Social-Media-Kanälen kann dann beobachtet werden, wozu das führt: Menschen fotografieren ihr Essen, um anderen zu zeigen, wie toll sie gerade konsumiert haben. Wer da noch dabei war, ist dann oftmals gar nicht Thema.

Vor diesem Hintergrund lässt sich dann auch der Boom von Craft-Bieren in den letzten Jahren erklären. Die bekommt man nämlich nicht überall, sodass es dann dabei auch weniger um eine nette Atmosphäre geht, in der man mit Freunden ein Bierchen trinkt, sondern um den Genuss genau dieses speziellen Biers. Das Konsumgut rückt in den Mittelpunkt, die Begleitung tritt in den Hintergrund.

Das ist vor allem deswegen ein ziemlich negativ zu bewertender Trend, da ja mittlerweile jedem denkenden Menschen klar sein sollte, dass ein „Weiter so“ mit immer mehr Konsum genau das Gegenteil von dem ist, was wir brauchen, wenn wir unsere Biosphäre noch irgendwie erhalten wollen. Aber klar: Wenn man auf so was aufmerksam macht, dann wird man vonseiten der neoliberal Dressierten vermutlich schnell darauf hingewiesen, eine Spaßbremse zu sein. Spaß ist nämlich mittlerweile für viele vor allem Konsum von Dingen.

Das heißt ja nun auch nicht, dass es jetzt unbedingt zu darben gilt, allerdings finde ich es sinnvoll, den Fokus doch mal wieder verschärft auf die Begegnung und den Austausch mit Freunden, Bekannten, Familienmitgliedern, Arbeitskollegen und wem auch immer zu legen. Und erst in zweiter Linie auf das Essen und die Getränke, die dabei gereicht werden.

Das wäre dann ja glatt eine Möglichkeit, ein bisschen subversiv zu sein und dabei auch noch richtig viel Spaß ohne Oberflächlichkeit zu haben …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Von der begegnenden zur konsumptiven Freizeit“

  1. Ich las letzte Woche einen passenden Spruch, ich denke auf einer Postkarte an der Wand eines Kunden, aber leider finde ich den Ausspruch gerade nicht im Internet (shame on me). Aber es lautete etwa so: „Wir kaufen keine Produkte, wir kaufen eine bessere Version von uns selbst“

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