Die Achse des Guten – Antijournalismus von rechts außen

Wer sich selbst schon als gut (und das auch noch im Titel) bezeichnet, vor dem sollte man sich in Acht nehmen. So verhält es sich auch mit der Hetzseite von Henryk M. Broder, einem stramm neoliberal Marktradikalen, der diese Ideologie dann noch mit Ausländerfeindlichkeit und Sozialdarwinismus mischt – also im Prinzip einen bunten Cocktail an Menschenverachtung braut und diesen wortgewaltig über das Volk erbricht (Broder schreibt zum Beispiel regelmäßig für Springer). Seine Webseite nennt sich Die Achse des Guten, und da merkt man schon, wo es langgeht: Tea-Party-Gedankengut, Antiislamismus, also vieles, was den einfach gestrickten Stammtischtölpel erfreut.

Natürlich treibe ich mich nicht auf solchen Seiten herum, allerdings bekomme ich über Facebook manchmal mit, was dort geschrieben wird, wenn irgendjemand dort diesem Geschmier (warum auch immer) ein Like verpasst. So war es auch mit Folgendem Artikel von Jennifer Nathalie Pyka, einer Journalistenkarikatur, die so schlecht und unreflektiert schreibt, dass sie selbst bei der Achse des Guten das hetzseiteninterne Niveaulimbo deutlich gewinnen dürfte. Damit keiner auf diese Seite klicken muss und dem Schmutz somit noch Klicks beschert, habe ich den Text hier mal zitiert und mit ein paar Anmerkungen versehen.

Es ist nicht alles schlecht im Zweistromland

Allmählich wird es eng für Vollzeit-Pazifisten und Teilzeit-Käßmannisten.

Gleich mal am Anfang zeigen, wo der Hammer hängt. Klar, Pazifisten sind ja sowieso scheiße, und der Käßmann mit ihrem Bemühen um religiöse Integration kann man ja auch gleich mal einen mitgeben. So was passt alles nicht in das doch recht schlicht gestrickte Weltbild von Frau Pyka.

Von Nigeria und Kenia über Gaza bis hin nach Kabul bringt sich mittlerweile jede sadistisch veranlagte Gestalt in Stellung, die bislang noch nicht zum Zug gekommen ist. Die Frage, ob man da mit Boko Haram, Hamas oder doch wie gewohnt den Taliban beten soll, ist keineswegs leicht zu beantworten.

Hier hätte sich Frau Pyka vielleicht mal ein bisschen informieren sollen, wen sie da alles in einen Topf schmeißt. Gut, für sie sind das vermutlich eh nur alles unzivilisierte Wilde, die irgendwas mit Islam zu tun haben (also prinzipiell schon mal böse sind), aber gerade Boko Haram ist dann doch ein sehr spezifisch nigerianisches Phänomen, was durchaus auch einen weltlichen machtpolitischen Bezug zu den dortigen Eliten hat und insofern nicht so ganz das Gleiche ist wie die anderen beiden genannten Gruppierungen. Ich empfehle hierzu diesen erhellenden Text von Marc Engelhardt, der in den Blättern für deutsche und internationale Politik erschienen ist.

Seit Kurzem gibt es jedoch wieder Hoffnung. Denn zwischen Raqqa und Mossul, inmitten des Zweistromlands, keimt nun wahre Menschlichkeit auf. So zumindest entwarnt die Süddeutsche Zeitung, deren Leser sich bei Bedarf über „Terror und Verbraucherschutz“ aus dem Hause ISIS informieren können.

Wir erfahren: Es ist nicht alles schlecht im Zweistromland. Anders als in Deutschland, wo Millionen Menschen an sozialer Kälte leiden (Tendenz: steigend), wissen die ISIS-Kämpfer nämlich noch, wie soziale Gerechtigkeit funktioniert. Wenn die sympathischen „Militanten“ nicht gerade öffentliche Massenexekutionen organisieren, beglücken sie ihre Umwelt durch ihre „verbraucherorientierte“ Ader und wohltuende „Sozialleistungen“. Denn bei ISIS gibt es nicht nur einen Günter Wallraff, der sich um Kebab-Stände und Gammelfleisch kümmert, sondern auch fähige Verkehrspolitiker, die Schlaglöcher beseitigen. Selbst an „Spaßtagen“ für die lieben Kleinen fehlt es nicht – Ölquellen und Banken, die sich unkompliziert enteignen lassen, sei Dank. Glauben Sie nicht? Bitte sehr:

Das soll jetzt hier wohl witzige Ironie sein, allerdings offenbart sich hier schon, was gleich beim Lesen des Zitats deutlich wird: Frau Pyka hat anscheinend die Zusammenhänge nicht so ganz verstanden. Man sollte sich vielleicht nicht unbedingt über Sachen lustig machen, die anscheinend den eigenen intellektuellen Horizont ein wenig übersteigen …

„Aber die Islamisten, so schildert es die Zeitschrift The Atlantic , haben in der Tat auch eine verbraucherorientierte, ja fast soziale Seite, auch dies lernt man aus dem syrischen Raqqa. Hier zwangen sie Frauen, sich bis zu den Augen zu verschleiern, setzten Gebetspflicht durch, aber sie richteten auch ein Verbraucherschutzbüro ein, schlossen Kebab-Stände wegen schlechter Qualität, konfiszierten gefälschte Medikamente, schütteten Schlaglöcher auf den Straßen zu und installierten neue Stromleitungen. Sie gründeten Koranschulen für Mädchen und Spaßtage für Kinder mit aufblasbaren Rutschen und Eis. Die Dschihadisten verteilten Gemüse an Bedürftige, betrieben eine Suchstelle für Waisen und eine Armenküche. Anders als die impfscheuen Taliban führte Isis in Raqqa sogar Kampagnen gegen Kinderlähmung durch, so der Bericht.“ http://www.sueddeutsche.de/politik/islamistengruppe-isis-terror-und-verbraucherschutz-1.2002712

Nun könnte man anhand dieses Artikels erläutern, warum denn wohl die ISIS diese Dinge macht, und dann käme man vermutlich zu dem Schluss, dass das zwar extremistische und radikale Islamisten sind mit deutlichem Hand zu bestialischer Gewalt (also wahrlich keine Sympathieträger), aber eben auch keine kompletten Volltrottel. Immerhin haben sie verstanden, dass eine Bewegung wie die ihre auch einen gewissen Rückhalt in der Bevölkerung braucht, um erfolgreich operieren und sich auch einmal zurückziehen zu können, und diesen Rückhalt bekommt man eben nicht, wenn man nur draufhaut und Leute massakriert oder verstümmelt, sondern eben dadurch, dass man die Bedürfnisse er Bevölkerung erkennt und dieser, gerade in so gebeutelten Regionen wie dem Irak, das Gefühl gibt, für die Menschen da zu sein und deren Leben zu verbessern. Das ist clever (und übersteigt damit vermutlich jedes Verständnis von doch anscheinend eher limitierten Denkern wie Frau Pyka) und macht so eine Gruppierung wie ISIS noch deutlich gefährlicher, als sie es eh schon ist.

Sollte ISIS sich jetzt noch für Mülltrennung stark machen und einen „Veggie Day“ einführen, dürfte dem Friedensnobelpreis wirklich nichts mehr im Wege stehen. Zumindest von München aus betrachtet.

Noch ein Schenkelklopfer zum Ausklang, die Stammtischler werden schon schmunzeln, denn Mülltrennung und Veggie Day finde die ja auch scheiße. Dass im Artikel der Süddeutschen gar nicht die Rede davon ist, dass das geschilderte Vorgehen der ISIS nun besonders toll oder lobenswert wäre, interessiert Frau Pyka auch nicht so wirklich, denn das hätte ihr ja die schwachbrüstige Pointe versaut.

Wir auf unterströmt sind ja durchaus dem medialen Mainstream gegenüber auch recht kritisch eingestellt, wenn die Medienkritik dann allerdings auf einem solchen unterirdischen Niveau stattfindet wie hier von Der Achse des Guten, dann ist das zum einen schon ein Stück weit beleidigend für jeden ernsthaften Blogger, zeigt aber andererseits auch, dass von rechts eben doch nur verbaler Durchfall kommt, der recht schnell als solcher zu enttarnen ist.

In jedem Fall ist hier eine Warnung auszusprechen: Die Achse des Guten und das Geschreibe von Frau Pyka gefährden Ihre geistige Gesundheit und verursachen intellektuellen Brechreiz. Also Vorsicht vor dieser Seite!

 

Der Korrektheit halber soll hier natürlich noch die Quelle des oben Zitierten genannt verlinkt werden. Aber, wie gesagt: bitte nicht draufklicken.

Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Die Achse des Guten – Antijournalismus von rechts außen“

  1. Interessanterweise gäbe es wirklich etwas an dem Artikel in der Süddeutschen zu kritisieren, nämlich dass es schon sehr dubios anmutet, dass Assad die ISIS unterstützt haben soll als Ablenkungsmanöver, wo er sich doch gerade im eigenen Land mit genau solchen Leuten im Bürgerkrieg auseinandersetzen muss. Zudem ist die gemeinsame Auswertung der Informationen, die zu diesen Rückschlüssen führen, mit der CIA nun doch durchaus ein Indiz dafür, dass hier eventuell interessengeleitet gearbeitet wurde.

    Interessanter ist da schon dies: Sen. Rand Paul (R-Ky.) said Sunday that the Sunni militants taking over Iraq have quickly gained power because the United States armed their allies in Syria.
    “I think we have to understand first how we got here,” he said on CNN’s “State of the Union.” “I think one of the reasons why ISIS has been emboldened is because we have been arming their allies. We have been allied with ISIS in Syria.”
    (Quelle: http://thehill.com/policy/international/210168-us-has-been-arming-isis-in-syria-sen-paul-claims)

    Demzufolge wäre also die Bewaffnung der ISIS vor allem durch die USA erfolgt, die deren syrische Verbündete mit Waffen ausgestattet haben. Aber so etwas hat im beschränkten Universum von Frau Pyka keinen Platz, denn die USA und insbesondere deren rechte kriegsgeile Fraktionen sind ja für sie generell die Guten.

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