Vom KindlICHen (ICH) zum Erwachsenen (WIR)

Wer viel mit Kindern zu tun hat, selbst Kinder aufzieht oder sich gut an seine eigene Entwicklung erinnern kann, der weiß: Kinder sind zwar offen für vieles, aber häufig geht es erst einmal um die eigenen Interessen und Motivationen. Mit zunehmendem Alter entwickelt man eine Vorstellung vom ICH und hat damit die Möglichkeit, sich über das WIR Gedanken zu machen. Findet diese Entwicklung nicht statt oder wird stark gestört, hat die Gesellschaft die asozialen oder egoistischen Verhaltensweisen mitzutragen. Dieses Verhalten ist weder gewollt, noch wird es aus reflektierten Gründen beibehalten, sondern es erhält sich selbst aus Mangel an Information, Reflexion und den eigenen Möglichkeiten, das Erlebte neu und im Zusammenhang einzuordnen.

Deshalb soll die folgende Tabelle nicht einer Polarisierung/Spaltung dienen, davon haben wir in unserer Gesellschaft bereits mehr, als gut für uns ist, sondern dem Verständnis und der Einordnung der eigenen Entwicklung und der unseres sozialen oder eben weniger sozialen Umfeldes. Deshalb auch gleich der Hinweis, dass durch bloßes Anprangern und Anfeinden keinerlei Entwicklung zu erwarten ist, sondern nur durch aktives Vorleben und echte Anteilnahme! Das ist nicht immer einfach, aber immer nötig.

Themenfeld Kindlich (ICH-bezogen) Grauzone Erwachsen (WIR-bezogen)
Weltbild
(eigene Meinung)
Polarisierend:
gut/böse, schwarz/weiß
von … bis Differenzierend:
keine Pauschalisierung
Konflikte Gewalt/Terror/Ablehnung
„Ich bin gegen …“
von … bis Diskurs/friedlicher Protest
„Ich bin für …“
Konsum Eigene Aufwertung/lustgesteuert von … bis Bedarfsorientiert
Politik Starke:r Führer:in gewünscht von … bis Eigen-/Mitverantwortung
Verantwortung (Schuldzuweisung) „Er hat …“ von … bis „Wir haben …“/“Ich habe …“
Gegensätzliche Meinungen sind … … ein Angriff auf die eigene Person von … bis … ein Aspekt der eigenen Meinung

 

Auch bei diesem Bild gibt es kein selbstverständlich klares Schema „Schwarz & Weiß“ (bzw. „Gut & Böse“), und die meisten Menschen werden sich wohl in der „Grauzone“ wiederfinden. Dieses Modell ist nicht darauf ausgelegt, die Gesellschaft in zwei gegensätzliche Positionen aufzuspalten, sondern soll helfen, die eigenen Handlungen und Meinungen besser einsortieren zu können. Nehmen wir z. B. den „Helden“, der sich selbst opfert, um die Menschheit zu retten (ein oft in Filmen heraufbeschworenes Bild). Eine solche Handlung kann von selbstlosem Handeln bis zur Selbstdarstellung als historisch relevante Person allem Möglichen dienen. Geht es darum, andere Personen oder Gruppen zu schädigen, kann es sich hierbei schwer um eine selbstlose und soziale Tat handeln, obgleich auch hier der größere Rahmen in Betracht gezogen werden sollte. Aber auch das ist kein sicherer Indikator, wie z. B. das Gedankenexperiment in Form des Fernsehspiels „Terror – Ihr Urteil“ aufzeigt. Überhaupt gibt es eine Menge Beispiele von fehlerhaft interpretierten Studien, wie z. B. Rutger Bregman in seinem Buch „Im Grunde gut“ darstellt und in der Sternstunde Philosophie (SRF) in einem 57-minütigem Interview teilweise erklärt.

Wie beschrieben, soll diese Tabelle dabei helfen, das eigene Verhalten zu reflektieren (nicht als Wertetabelle für sich und erst recht nicht für andere!). Wer sich von dieser Tabelle angegriffen fühlt, kann sich gleich mal überlegen, in welchem Themenfeld man sich (zu Unrecht?) kritisiert fühlt. Natürlich neigen wir Menschen dazu, unsere Meinung und unser Verhalten für angemessen zu erachten und finden bei Bedarf auch entsprechende Argumente und Erklärungen. Denn: Viele Entscheidungen werden aus emotionalen Gründen getroffen und erst im Nachhinein mit (für uns) logischen Argumenten begründet: „Natürlich sollte man bei einer Ampel nicht über Rot gehen, aber es ist doch mitten in der Nacht und jetzt ist doch eh keiner unterwegs!“

Für mich gibt es bestimmte Signale, an denen ich meine verurteilenden oder einseitigen Gedanken oft schnell entlarve. Das sind z. B. Schlagworte oder Extreme wie: „immer … nie … alle … keiner … ich hasse …“

Wer sich ausschließlich auf der rechten Seite der Tabelle wiederfindet, der sollte sein Selbstbild vielleicht einmal überprüfen. ;)

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Dirk

Jahrgang 1974, in erster Linie Teil dieser Welt und bewusst nicht fragmentiert und kategorisiert in Hamburger, Deutscher, Mann oder gar Mensch. Als selbstständiger IT-Dienstleister (Rechen-Leistung) immer an dem Inhalt und der Struktur von Informationen interessiert und leidenschaftlich gerne Spiegel für sich selbst und andere (als Vater von drei Kindern kommt dies auch familiär häufig zum Einsatz). Seit vielen Jahren überzeugter Vegetarier und trotzdem der Meinung: „Alles hat zwei Seiten, auch die Wurst hat zwei!“

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