Die Untauglichkeit des BIP

Da habe ich doch vorhin eine tolle Erfolgsmeldung gelesen: Biontech hat im vergangenen Jahr fast ein Fünftel zum deutschen Wirtschaftswachstum beigetragen. Na hurra, das klingt doch super! Wobei: Wenn man mal ein bisschen genauer darüber nachdenkt, dann kommt man schon zu dem Schluss, dass daran gut zu sehen ist, wie absurd das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Gradmesser für Wohlstand doch ist.

Das BIP misst nämlich nur quantitative monetäre Werte, wobei es komplett wurscht ist, ob diese ansonsten mit Schäden für Umwelt oder Menschen einhergehen.

So dürften sich beispielsweise auch die Aufräum- und Wiederaufbauarbeiten im Aartal und den anderen im letzten Jahr von verheerenden Fluten heimgesuchten Gegenden positiv aufs BIP auswirken. Schließlich fallen dafür ja viele Arbeitsstunden an und werden haufenweise Materialien benötigt. Das bringt dann eben Wachstum – auch wenn die Betroffenen darauf vielleicht doch lieber verzichtet hätten.

Genauso verhält es sich nun m. E. mit Biontech. Dass da nun in recht kurzer Zeit ein wirksamer Impfstoff entwickelt werden konnte, ist natürlich eine feine Sache. Andererseits: Ich kann mir kaum vorstellen, dass es viele Menschen gibt, die sich nicht wünschen würden, dass das überhaupt nicht notwendig gewesen wäre. Bis auf die sehr Vermögenden, die ihren Reichtum massiv vermehren konnten während der Pandemie (s. hier), die Pharmakonzerne, die Impfstoff bereitstellen, und ein paar weitere Corona-Nutznießer dürften ja eigentlich alle sich einig sein: Auf diese Pandemie hätte man auch gern verzichten können.

Das ist nämlich ein generelles Problem bei vielen wirtschaftlichen Parametern: Es wird nur auf reine Zahlen geschaut. Dass diese nicht immer sonderlich aussagekräftig sind, habe ich in Bezug auf die globale Armut vor einigen Jahren schon mal in einem Artikel dargestellt.

Ist ja auch nachvollziehbar: Wer in seiner Hütte lebt und dort, wie schon Generationen zuvor, Ackerbau betreibt, ist wahrscheinlich zufriedener als derjenige, der für wenig Geld 16 Stunden am Tag in einer Fabrikhölle schuftet – obwohl er offiziell als ärmer, da eben ohne monetäres Einkommen, gilt.

Dass nun der hohe Anteil von Biontech am deutschen BIP als Erfolgsgeschichte abgefeiert wird, zeigt, wie komplett merkbefreit man in wirtschaftlichen Kreisen ist. Und was für eine vollkommen reduzierte Sicht auf eine Gesellschaft und deren Wohlbefinden das BIP bietet. Was aber nach wie vor einer der zentralen Parameter ist, wenn es um die Gestaltung von Wirtschaftspolitik geht.

Also hoffen wir mal auf weitere Pandemien und auch Naturkatastrophen, denn die sind dann allesamt klasse fürs BIP und fürs Wachstum, ohne das im Kapitalismus ja gar nichts geht.

Ziemlich krank, oder?

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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