Erdgasnotstand

In Deutschland droht der Erdgasnotstand aufgrund der Sanktionen gegen unseren wichtigsten Lieferanten Russland. Und unsere Bundesregierung schwört uns schon mal darauf ein, im Winter die Heizung nicht so weit aufzudrehen und lieber einen warmen Pullover in der Bude anzuziehen (s. hier).

Doch auch über kalte Wohnungen von Menschen, die sich die hohen Energiekosten nicht mehr leisten können, hinaus drohen schwere wirtschaftliche Schäden im Land, wie es beispielsweise der CEO von BASF Martin Brudermüller beschreibt:

Wahr ist, dass die Existenz von Hunderten Betrieben und Hunderttausende Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Allein die gestiegenen Energiepreise haben unser Unternehmen 2021 mit 1,5 Milliarden Euro zusätzlich belastet. Wir als BASF können das eher aushalten, aber kleine Firmen, die sich ohnehin schon nach der Decke strecken, kommen da an den Anschlag. Ich glaube, dass viele Firmen daran bankrottgehen. (Quelle)

Ich dachte ja bisher immer, dass Sanktionen vor allem dazu gedacht sind, dem Sanktionierten zu schaden und nicht dem Sanktionierenden. In diesem Fall scheint dass allerdings genau andersrum zu sein, sodass ich mich frage, ob das Ganze wirklich so richtig durchdacht und sinnvoll ist.

Ich kann mir nämlich gerade nicht vorstellen, dass Russland nun komplett daran verzweifelt, kein Erdgas und auch Rohöl mehr nach Deutschland liefern zu können. Das sind ja schließlich generell auf dem Weltmarkt sehr begehrte Rohstoffe, die darüber hinaus auch nicht schnell schlecht werden oder so. Da dürften sich also auch andere Abnehmer finden, denn auch Deutschland sucht ja zurzeit nach anderen Lieferanten – so zum Beispiel den Vorzeigedemokraten aus der Kopf-ab-Monarchie Katar oder aber in den USA, von wo aus dann schön dreckiges (und teures) Fracking-Gas importiert werden soll.

Also sollte es wohl auch für Russland bei einer sich stark ändernden Weltmarktlage möglich sein, seine Rohstoffe anderswo loszuwerden. Da wären beispielsweise die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), die ja immerhin etwa die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren. Oder auch andere Staaten in Afrika, Asien oder Südamerika kämen da als potenzielle Abnehmer infrage, denn dort machen längst nicht alle bei den Wirtschaftssanktionen gegen Russland mit.

Ach ja, und auch ein europäisches Land wie beispielsweise Ungarn dürfte nach wie vor Russlands Erdgas allzu gern abnehmen.

Und wenn ich dann noch so etwas lese wie kürzlich auf der Facebook-Wall von Andre Cerny, dass nämlich Deutschland offensichtlich Polen mit Erdgas beliefert, um die dortigen Speicher zu füllen, dann frage ich mich, ob dieser Erdgasnotstand nicht sehenden Auges herbeigeführt wird.

Und vor allem finde ich ja nun auch die Reaktion auf diese Erdgasknappheit vollkommen fehlgeleitet. Man könnte zum Beispiel damit anfangen, dass man sich eingesteht, die Energiewende und den Ausbau erneuerbarer Energien in den letzten 15 bis 20 Jahren komplett vor die Wand gefahren zu haben. Klar, das lag zu einem Großteil an der CDU, die jetzt ja nicht mehr an der Bundesregierung beteiligt ist, aber auch die SPD und FDP haben mitregiert, und auch in den Bundesländern, in denen die drei Ampelparteien Regierungsbeteiligungen aufweisen, ist da nun nicht so richtig derbe was vorangegangen.

Das wäre zumindest mal ein ehrliches Eingeständnis den Bürgern gegenüber: „Sorry, Leute, wir haben es verkackt, jetzt haben wir den Salat!“

Und dann könnte man sich überlegen, wie man denn so eine verfahrene Situation, wie sie momentan vorliegt, zukünftig vermeiden könnte. Kleiner Tipp: Indem man einfach so weitermacht wie bisher, wird das eher nichts …

Aber genau das wird praktiziert, indem nun neue LNG-Terminals zum Import von Flüssiggas gebaut werden sollen (den Irrsinn dieses Vorhabens hat die Deutsche Umwelthilfe recht gut in einem Artikel zusammengefasst). Wenn die Dinger jetzt nämlich gebaut werden, dann müssen die auch noch viele Jahre lang laufen, um sich zu rentieren – und das passt dann überhaupt nicht mit den deutschen Klimazielen zusammen. Die ja vermutlich auch ohne diese LNG-Terminals nicht erreicht werden, aber das ist ein anderes Thema …

Vor allem fehlt die Kohle, die in diese Terminals fließt, dann an anderer Stelle, nämlich beim Ausbau von erneuerbaren Energien. Hier könnte man beispielsweise mal so eine Art Turbo zünden, die Einschränkungen für den Bau von Windrädern zurückfahren, Solarpanele verpflichtend für Neubauten machen und die Dächer aller öffentlichen Gebäude damit zupflastern. Und so dann die Energieerzeugung endlich kleinteilig gestalten, was nämlich zu einer deutlich höheren Effizienz von erneuerbaren Energien führen würde.

Aber klar, davon wären die Buddies von RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW wohl nicht so richtig schwer begeistert …

Für die Übergangszeit würde man dann noch weiter das Gas von Russland beziehen, auch wenn einem das Bauchschmerzen bereitet. Aber, wie schon gesagt: Die kriegen das Zeug vermutlich sowieso verkauft, sodass der Schaden bei uns größer ist als in Russland. Mit der oben bereits geschilderten Einsicht des eigenen Verbockens der Energiewende, gepaart mit der Aussicht, nun möglichst schnell unabhängig von irgendwelchen andren (oft genug fragwürdigen) Ländern und Regimes beim Energieimport zu werden, könnte das m. E. allerdings schon auch den Bürgern vermittelt werden.

Zudem war es ja bis vor ein paar Monaten aus Regierungssicht noch vollkommen o. k., Gas von Russland zu beziehen, auch wenn es gegen die Nordstream-2-Pipeline deutliche ökologische Einwände gab und Putin auch vor dem Krieg gegen die Ukraine beileibe kein tolle Typ war. Aber da ging es ja drum, wie ich in einem Artikel vor drei Monaten bereits beschrieb, das für Deutschland so wichtige Erdgas auf EU-Ebene einen grünen Anstrich zu verpassen. Mit ein bisschen Weitsicht hätte man also schon längst erkennen können, dass russisches Erdgas nicht so ganz das Gelbe vom Ei ist.

Aber Weitsicht spreche ich unserer zurzeit aktionistisch rumhühnernden Bundesregierung komplett ab. Und wenn man dann nebenbei noch die Menschen ein bisschen in Angst und Schrecken versetzen kann – umso besser, dann lassen sie sich leichter regieren.

Was allerdings noch schlimmer wäre: wenn das keine trottelige Kurzsichtigkeit wäre, sondern genau so geplant, um so ganz andere korrumpierte Ziele zu verfolgen, als man der Bevölkerung mitteilt.

Das überlasse ich jetzt Euch, zu überlegen, welche der beiden Varianten wohl zutreffen könnte: blöd oder böse?

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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