Die einen sparen, die anderen prassen

Zurzeit hagelt es ja überall Spartipps und Aufforderungen zum Verzicht, damit wir in Deutschland die vom Krieg in der Ukraine verursachte (oder verschärfte – je nach Sichtweise) Energiekrise bewältigen können. Doch wie so oft ist hier kein Zusammenhalt zwischen den Herrschenden und Wohlhabenden auf der einen und den normalen Bürgern auf der anderen Seite festzustellen. Da gelten offensichtlich ganz unterschiedliche Maßstäbe – so wie einst im Feudalismus.

Zum Thema Energiesparen habe ich ja vor ein paar Wochen schon mal einen Artikel geschrieben, und dabei kam ich dann ja auch schon auf die Tipps und Ratschläge zu sprechen, die seit Wochen ständig und überall präsent sind. Und das wird seitdem echt auch noch zunehmend penetranter, wie ich finde.

So bietet Spiegel Online seinen Lesern unter der Überschrift „Kochen ohne Kohle“ eine Menge Rezepte, die wenig Geld kosten. Daran ist natürlich grundsätzlich nichts verwerflich, nur bekommt so was in Zeiten wie diesen, in denen Verzicht und Sparen gepredigt werden, doch einen etwas schalen Beigeschmack, wie ich finde. Zumal man wohl davon ausgehen kann, dass im Grunde nicht nur die in dem Artikel launig erwähnten Studenten, Azubis oder Praktikanten gemeint sein dürften, denn durch die gestiegenen Energiekosten und Lebensmmittelpreise kommen ja auch immer mehr „Normalverdiener“ in existenzielle Nöte.

Und auch die Bundesregierung höchstselbst postuliert dann auf ihrem Facebook-Kanal, was die größten Stromfresser im Alltag sind:

Interessant vor allem der Text, da dabeisteht:

Kühlschrank, Waschmaschine, Ladegerät: In den eigenen vier Wänden sammeln sich schnell Stromfresser an. Und gerade jetzt belasten steigende Energiekosten viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Um den Geldbeutel zu schonen und das Klima zu schützen, kann jeder seinen Beitrag leisten. Wie und wo sparen Sie Energie?

Da wird ja tatsächlich auch mal was vom Klimaschutz gesagt – na so was! Wo hätte man denn zuvor mal gehört, dass Verzicht zum Klimaschutz eingefordert wird vonseiten der Regierung? Ist das nun ein deutlicher Gesinnungswechsel im Kanzleramt? Oder ist der Klimaschutz hier eher ein Feigenblatt, um den Leuten nicht allzu offensichtlich vor den Latz zu knallen, dass sie nun eben vielfach aus finanziellen Gründen sparen müssen? Ich tippe ja auf Letzteres …

Wer ein fürsorglicher Landesvater sein möchte, so wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der hat dann auch mal einen guten Ratschlag zur Hand, wie denn auf weitere pfiffige Art Geld gespart werden kann:

Quelle

Na so was! Klar, was sollen die verweichlichten Deutschen auch jeden Tag duschen? Konnte Opa damals an der Ostfront ja auch nicht, und der hat’s schließlich auch überlebt. Oder auch nicht … aber dann lag’s nicht an der fehlenden Dusche!

Nun kann man sich Gedanken über Kretschmanns geistige Gesundheit machen, wenn er allen Ernstes solche tollen Tipps in der Öffentlichkeit raushaut, aber die grundsätzliche Message ist auch da wieder: Stellt euch auf Entbehrungen ein! Stellt euch auf Verzicht ein! Und das nicht nur bei irgendwelchem überflüssigen Schnickschnack, sondern bei elementaren Dingen.

Doch keine Krise ohne Profiteure, und so wird auch aktuell gerade, wie schon bei der Corona-Pandemie, die Umverteilung von „unten nach oben“ mit großer Vehemenz fortgesetzt, wie ich kürzlich schon mal in einem Artikel feststellte.

Das hat natürlich dann auch Folgen, die man schon beobachten kann: Während die einen sich darauf einstellen, den Gürtel enger zu schnallen und im Winter in einer kalten, gern auch mal sparsam beleuchteten Bude zu hocken, prassen die anderen dann, „als gebe es kein Morgen“, wie ein Artikel auf Spiegel Online zu dem Thema titelt.

Luxusmarken verschiedenster Branchen erleben nämlich gerade einen ziemlichen Boom. Klar, diejenigen, die sich nun im Laufe der letzten Jahre üppig bereichert haben, wollen die Kohle ja auch irgendwie raushauen, und das gern auch für Statussymbole, damit man andere Vermögen übertrumpfen und den armen Schluckern mal zeigen kann, wie man stilecht im Wohlstand schwelgt. Inflation? Gestiegene Energiekosten? Das ist dieser Klientel doch komplett wurscht. Wer 5000 Euro für eine Handtasche und 400.000 Euro für ein Auto ausgeben kann, der zuckt auch nicht mit der Wimper, wenn der Kram dann 6000 bzw. 450.000 Euro kostet.

Und für die Damen und Herren Handlanger aus der Politik, die diese Zustände der Profimaximierung von einigen wenigen ermöglichen, bekommen ja auch ein paar Brosamen davon ab, sodass sie dann beispielsweise wie Bundesfinanzminister Christian Lindner eine schöne Protzhochzeit auf Sylt feiern können (s. treffend dazu hier) oder sich wie Jens Spahn vor einiger Zeit, als er noch Bundesgesundheitsminister war, eine fette Villa in Berlin kaufen können. Man muss Lindner dabei wenigstens zugutehalten, dass er seine Dekadenz schön öffentlich auslebt, während Spahn ja dann doch reichlich pikiert darauf reagierte, als der Preis für seine Luxusbude publik gemacht wurde (s. hier).

Aber vielleicht hat Linder auch nur kapiert, wie man die braven Untertanen zur Bewunderung erzieht. Klappt ja bei den ganzen Monarchen und ihren Hofschranzen auch immer recht gut. Mir kommt dabei ein schöner Song von den Housemartins von 1987 in den Sinn, bei dem es im Refrain heißt:

The people who grinned themselves to death
Smiled so much they failed to take a breath
And even when their kids were starving
They all thought the queen was charming.

Dass dieses nun der Queen zugeschriebene Verhalten auch von demokratisch gewählten Politikern praktiziert wird, zeigt, dass die Refeudlaisierung unserer Gesellschaft schon recht weit fortgeschritten ist und mit jeder Krise weiter vorangebracht wird.

Passend dazu, muss dann natürlich auch ein entsprechendes Protzgebäude für Ihre Majestät … äh … den Bundeskanzler her. Das Bundeskanzleramt in Berlin ist zwar schon der größte Regierungssitz der Welt, aber das reicht ja noch nicht aus, wenn sich Grinsekönig Olaf der Kurzbeinige dort selbst ein schickes Denkmal setzen möchte. So wird die Größe der Bude nun mal schlapp verdoppelt (von 25.000 auf 48.000 Quadratmeter), und wie sich das gehört, wird der Kostenrahmen natürlich gleich von Anfang an schon mal überschritten: War zunächst von 485 bis 600 Millionen Euro die Rede, so ist man jetzt doch schon mal bei 640 Millionen angekommen (s. hier).

Da sollen sich der Bundesrechnungshof und andere kleinkarierte Spießer mal nicht so anstellen – ein bisschen Repräsentanz gehört ja schließlich dazu. Und solange es nicht das eigene Geld kostet, sondern aus öffentlichen Kassen bezahlt wird, sitzt dann der Euro gleich noch mal viel lockerer. Außerdem sind das ja eh nur Peanuts im Vergleich zu den Milliardenbeträgen, von denen sonst immer mal die Rede ist.

Dieses Anliegen, immer größere Teile der Bevölkerung verarmen zu lassen, damit ein kleiner Teil immer mehr in Saus und Braus leben kann, wird mittlerweile nicht mal mehr zu kaschieren versucht. So fragte Tilo Jung gerade in einer Bundespressekonferenz die Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, was denn die Voraussetzungen dafür wären, dass sich Konzerne bei der Gas-Umlage, die für viele Bürger existenzielle finanzielle Einschnitte mit sich bringt, bedienen können (s. hier). Die Antwort ist sehr entlarvend:

Eine drohende Insolvenz zählt in der Tat nicht dazu. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass ein Unternehmen auch Gewinne machen muss, um sich breiter aufzustellen …

Starker Tobak, oder? Auf die Frage von Tilo Jung, ob es denn politisch klug sei, wenn die Profite von Konzernen nun von den Bürgern abgesichert werden sollen, gibt es dann nur noch ein bisschen Herumgedruckse und ein paar Allgemeinplätze.

Die Refeudalisierung ist im Neoliberalismus grundsätzlich angelegt. Daran dürften jetzt wohl keine Zweifel mehr bestehen. Wer also nicht in einem Feudalstaat aufwachen möchte, in dem sich der Geldadel und sein ausführendes Personal hinter immer martialischerer auftretender Polizei verschanzt, der sollte sich vielleicht mal zumindest anfangen zu überlegen, ob „Weiter so!“ wirklich eine so gute Idee ist …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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