Unterscheide zwischen Klimaaktivisten und Treckerrüpeln

Dass ich von den Bauernprotesten nicht allzu viel halte und auch die Reaktionen darauf vonseiten vieler Medien, Politiker und großer Teile der Öffentlichkeit recht fragwürdig finde, habe ich ja kürzlich schon mal ausführlicher dargestellt (s. hier und hier). Nun haben sich die Treckerrüpel allerdings etwas geleistet, was ich wirklich unglaublich finde – und was die unterschiedlichen Bewertungen vieler Deutscher von einerseits Wutbauern und andererseits Klimaaktivisten nur noch umso absurder erscheinen lässt.

Denn schließlich ernten die Bauern ja überall für ihre Proteste viel Verständnis, während Klimaaktivisten, vor allem von der Letzten Generation, wenn diese sich auf Straßen festkleben, in erster Linie geballter Hass entgegenschlägt.

Und dann kann man so was als Social-Media-Meldung der Feuerwehr Elstal lesen:

Echt jetzt mal – geht’s noch? Das ist nicht nur ein mutwilliger Eingriff in den Straßenverkehr, wie man es von den Traktordeppen ja mittlerweile seit Wochen gewohnt ist, sondern es werden auch noch Unbeteiligte massiv gefährdet – und das nicht mal fahrlässig (denn so dumm können selbst die Bauern, die das verzapft haben, nicht sein), sondern mit voller Absicht. Warum sollte man sonst ein nicht sichtbares großes Hindernis im Dunkeln auf einer Landstraße, auf der 100 km/h gefahren werden darf, platzieren?

Und als Krönung lässt man dann noch nicht mal die Rettungskräfte durch, indem man eine Rettungsgasse verhindert, und greift die Helfer dann auch noch aggressiv an.

Dass die Fans der Dummbatzen mit ihren Treckern selbst einen durch die Protestblockaden verursachten Unfall, bei dem ein Lkw-Fahrer ums Leben kam (s. hier), kleinredeten, durfte ich selbst in den sozialen Medien erleben. Da hieß es dann, dass der Lkw-Fahrer ja selbst schuld sei, der habe bestimmt nicht aufgepasst, sonst wäre er ja nichts aufs Stauende aufgefahren.

Dennoch hätte es ohne die Treckerblockaden diesen Stau eben gar nicht erst gegeben. Und wenn ich dann daran denke, wie sehr sich oftmals die gleichen Leute dann darüber aufregen, wenn es theoretisch möglich sein könnte, dass jemand aufgrund einer Protestaktion mit Straßensperre der Letzten Generation verletzt oder gar getötet werden könnte, dann sieht man, dass hier offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen wird.

Insofern finde ich es sinnvoll, mal komprimiert das Verhalten der Protestbauern und der Klimaaktivisten einander gegenüberzustellen.

Wutbauern Klimakativisten der Letzten Generation
Worum geht es?
Um die eigene Plauze – man will sein Geschäftsmodell so weiterbetreiben wie bisher und wird dazu von CDU-dominierten Verbänden und CDU-nahen Medien aufgestachelt sowie von CDU-Politikern (und noch weiter rechts Stehenden) unterstützt.
Worum geht es?
Um den Erhalt der Biosphäre für die jetzige und künftige Generationen, wobei man sich auf wissenschaftlichen Konsens berufen kann.
Gegen wen richtet sich der Prostest?
Gegen die Ampelregierung, weil man unter der seit Jahrzehnten vor allem von der CDU verantworteten Landwirtschaftspolitik leidet – irgendwie ziemlich irrational.
Gegen wen richtet sich der Protest?
Gegen alle neoliberalen Parteien aufgrund deren verfehlter bzw. unterlassener Klimaschutzpolitik. Damit hat der Protest eine systemkritische Variante und ist deswegen ausgesprochen rational.
Wie wirken sich die Protestaktionen aus?
Massive tagelange Verkehrsbehinderungen und damit Einschränkung von vielen Unbeteiligten inklusive des Verursachens von Unfällen mit Sachschäden, Verletzten und sogar einem Toten.
Wie wirken sich die Protestaktionen aus?
Punktuelle Verkehrsbehinderungen und damit Einschränkungen von einigen wenigen Unbeteiligten. Unfälle, Verletzte oder gar Tote gab es deswegen meines Wissens bisher noch nicht. Sachschäden wurden höchstens bei Plexiglasschutzwänden von Kunstwerken verursacht.
Wird eine Rettungsgasse ermöglicht?
Nein, die wird sogar noch verhindert.
Wird eine Rettungsgasse ermöglicht?
Ja, und es wird auch meines Wissens immer explizit dazu aufgefordert. Zudem werden Rettungsfahrzeuge auch durchgelassen.
Werden Unfälle in Kauf genommen?
Ja, und wie am oben gezeigten Beispiel zu sehen, auch nicht nur fahrlässig, sondern mutwillig herbeigeführt.
Werden Unfälle in Kauf genommen?
Nein, es sollen keine Unfälle verursacht werden.
Wie wird mit Einsatzkräften umgegangen?
Unfallhelfer werden aggressiv angegangen und an ihrer Arbeit gehindert, zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam es meines Wissens bisher so gut wie nie.
Wie wird mit Einsatzkräften umgegangen?
Keine Behinderung von Hilfskräften, auch bei polizeilichen Übergriffen bleiben die Aktivisten in der Regel passiv und friedlich.
Wie verhält sich die Polizei gegenüber den Protestierenden?
Laisser-faire, man lässt die Protestierenden eigentlich immer gewähren bei ihren teils gefährlichen Eingriffen in den Straßenverkehr.
Wie verhält sich die Polizei gegenüber den Protestierenden?
Da wird gern mal kräftig zugelangt – auch wenn es gegen Minderjährige geht (s. hier), die sich nicht zur Wehr setzen.
Wie reagieren weite Teile der Öffentlichkeit auf die Protestierenden?
Den Wutbauern wird sehr viel Verständnis entgegengebracht, deren Straßenblockaden werden als legitime Form von Protest angesehen, viele Menschen solidarisieren sich mit den Treckerrüpeln.
Wie reagieren weite Teile der Öffentlichkeit auf die Protestierenden?
Den Aktivisten wird oft mit Gewalt gedroht, Menschen wünschen ihnen den Tod oder Verstümmelungen, teilweise gibt es massive körperliche Übergriffe von Autofahrern bis hin zu einem Lkw-Fahrer, der einen Aktivisten mit seinem Laster mitschleifte (s. hier).
Und was macht die Politik?
Äußert Verständnis, solidarisiert sich zum Teil mit den Protestlern (je weiter rechts, desto anbiedernder) geht auf deren Forderungen ein (Abschwächung der Streichung der Agrardiesel-Subvention) und schiebt andere Sündenböcke vor (Migranten, Bürgergeldempfänger).
Und was macht die Politik?
Zeigt so gut wie kein Verständnis, bezeichnet die Aktivisten immer wieder gern als „Klimaterroristen“ bis hin zur Einschätzung, dass es sich bei der Letzten Generation um eine terroristische Organisation handeln würde, die entsprechend vom Sicherheitsapparat angegangen werden  müsste.

Tja, was sagt das nun insgesamt über unsere Gesellschaft aus, wenn da solche unterschiedlichen Maßstäbe angelegt werden? Ich schätze mal, dass dabei vor allem auch die Medien eine wichtige Rolle spielen, denn diese lenken die Stimmung ja nach wie vor gern mal in die eine oder andere Richtung. Und da ist es nun mal so, dass ein Großteil von denen auch viel Verständnis für die Wutbauern aufbringt, die Letzte Generation hingegen sehr kritisch sieht.

Klar, Klimaaktivisten stellen ja auch den neoliberalen Kapitalismus infrage, denn schließlich ist dieses Wirtschaftssystem ja für das Dilemma mit dem aus dem Ruder laufenden Weltklima verantwortlich – und dieses Problem wird sich vor allem auch nicht innerhalb dieses Wirtschaftssystems lösen lassen, da Klimaschutz eben mit dem Wachstumsdogma des Kapitalismus kollidiert. Und auf solche Systemkritik, die dann vor allem auch noch wissenschaftlich fundiert ist, haben viele Journalisten und Verleger nun mal gar keinen Bock, da sie oft genug nicht gerade zu den Verlierern dieses Systems gehören.

Bei den Bauern sieht das hingegen anders aus, da kann man schön ein bisschen die Stimmung anheizen sowie Politik- und daraus folgend dann auch Demokratieverdruss befördern. Das bringt Auflage bzw. Klicks, und damit schreckt man mit Sicherheit auch kaum Werbekunden ab, die ja oft genug auch kein Problem damit haben, wenn sich der Volkszorn gegen die Politik bzw. in diesem Fall die Ampel richtet, nur weil diese mal umweltschädliche Subventionen abbauen möchte. Die Bauern protestieren halt für ein „Weiter so!“, und das finden in der Politik, in den Unternehmen und in den Medien viele schon ganz prima.

Dabei fordern die Klimaaktivisten im Grunde nur das ein, was das Bundesverfassungsgericht der Politik schon 2021 vorgegeben hat (s. hier) – und was bisher weitgehend ignoriert wurde. Ziviler Ungehorsam zur Verteidigung unserer Verfassung ist also für viele Terrorismus, während das mutwillige Gefährden von Leib und Leben Unbeteiligter dann eine legitime Art des Protests ist.

Ganz schön krank, oder?

Der Postillon hat das Ganze auf satirische Art mal wieder hervorragend auf den Punkt gebracht:

Schon lustig, wenn es nicht so traurig wäre …

 

Ergänzung vom 7. März 2024:

Auf der Facebook-Wall von quer (BR) habe ich zu dem Thema gerade ein sehr treffendes Meme gefunden, was ich Euch nicht vorenthalten möchte:

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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