Viele fragen sich gerade, was CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz mit seinen gemeinsam mit der AfD zelebrierten Abstimmungen zum Asylrecht in der letzten Woche bezwecken wollte. Schließlich hat er dafür reichlich Gegenwind bekommen, und das auch noch mitten im Wahlkampf.
Ich hab den Eindruck, dass das nicht so etwas wie ein Eigentor war, wie viele meinen, sondern schon genau so geplant wurde. Und dass das zwei Zwecke erfüllen soll:
Fokussierung auf Migration statt auf andere Themen
Als Jurist sollte Merz eigentlich wissen, dass seine absurden Vorschläge so überhaupt nicht umsetzbar sind, da sie gegen Bundes-, EU- und Menschenrecht verstoßen. Zudem stellt sich ja auch die Frage, wie eine komplette Grenzkontrolle in einem Transitland wie Deutschland von jetzt auf gleich umgesetzt werden soll. Schließlich wachsen die dafür notwendigen Einsatzkräfte ja nicht auf Bäumen.
Zudem ist ja auch der Sinn einer solchen rabiaten Maßnahme ausgesprochen fragwürdig: Wir haben über 21 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, und 2024 wurde etwa 250.000 Asylanträge gestellt. Das heißt also, dass die Geflüchteten etwa 1,2 Prozent dieser Bevölkerungsgruppe ausmachen. Wenn man nun mal davon ausgeht, dass bei denen, die schon hier sind, und denen, die neu hinzukommen als Geflüchtete, der Anteil an Menschen mit krimineller Energie in etwa gleich hoch sein dürfte (und es gibt in der Tat nichts, was dagegen spricht), dann würde die Kriminalität durch Menschen mit Migrationshintergrund also erwartungsgemäß um gut ein Prozent zurückgehen. Ob man das nicht vielleicht mit anderen Maßnahmen, die weniger menschenverachtend, verfassungsfeindlich und auch aufwendig sind, besser hinbekommen könnte? Beispielsweise mit besseren Integrationsangeboten, besserer Ausstattung von Schulen und Kindergärten, mehr Jugendzentren usw.? Vermutlich schon, aber damit könnte man natürlich nicht so schön Ängste schüren.
Was aber der Erfolg der Aktion ist: Alle reden zurzeit nur noch über Migration und das Asylrecht, alle anderen viel relevanteren Themen, zu denen die CDU allerdings nichts zu sagen hat – wie beispielsweise hohe Mieten, verfallende Infrastruktur, Klimaschutz, zunehmende Armut vieler bei gleichzeitig immer mehr ausuferndem Reichtum einiger weniger – geraten so komplett aus der öffentlichen Diskussion.
Und auch für ihr armseliges Wirtschaftskonzept „Agenda 2030“ muss die CDU zurzeit nicht geradestehen. Immerhin wurde das ja schon von dem einen oder anderen Ökonomen als Mumpitz klassifiziert (s. beispielsweise hier), zumal das ja auch noch komplett auf der Trickle-down-Theorie basiert, die sich bisher noch nicht ein einziges Mal als zutreffend herausgestellt hat und in den letzten Jahrzehnten schon häufig widerlegt wurde – was sogar schon vom letzten US-Präsidenten Joe Biden so erkannt wurde: „Trickle-down economics has never worked“ (s. hier).
Wie schon seit Längerem wird hier also das Thema Migration als Nebelkerze genutzt, um von anderen Missständen abzulenken. Was ich dazu in einem Artikel vom letzten Oktober geschrieben habe, gilt leider nach wie vor – und wird immer rabiater und offensichtlicher von der CDU so praktiziert. Stets natürlich unter diensteifriger Mithilfe vieler Medien, gerade auch der öffentlich-rechtlichen (s. hier). Das spiegelt sich gerade auch darin wieder, wie nun vonseiten von ARD und ZDF auf die ganze Sache und den darauf stattfindenden Protest mit großen bundesweiten Demonstrationen gegen Rechts reagiert wird. Dazu ein paar Facebook-Fundstücke:
Das hat dann übrigens auch gleich schon politischen Wirkung bei den anderen Parteien, denn selbst Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck schwafelt mittlerweile von „illegaler Migration“ – und bedient damit das Rechtsaußen-Framing, das diesen Begriff für Geflüchtete nutzt. Klar, Geflüchtete sind irgendwie schützenswerte Menschen, illegale Migranten hingegen können ja schon nicht so ganz koscher sein, sonst wären sie ja nicht illegal. Was für eine perverse Täter-Opfer-Umkehr!
Das Signal an SPD und Grüne
Der zweite Aspekt von Merz‘ AfD-Kungelei richtet sich m. E. vor allem an die beiden Konkurrenzparteien SPD und Grüne. Noch gehen ja sehr viele Menschen davon aus, dass die CDU nicht mit der AfD koalieren würde nach der Bundestagswahl. Also muss Merz erst mal zumindest mit den beiden anderen größeren Parteien Koalitionsverhandlungen führen – ich hoffe ja immer noch, dass die FDP unter der Fünfprozenthürde bleiben wird.
Nun hat Merz ja deutlich gezeigt, dass er auch zur Zusammenarbeit mit Faschisten bereit ist. Seine Botschaft an die möglichen SPD- oder Grünen-Koalitionäre wäre dann: „Wenn ihr die AfD nicht an der Regierung haben wollt, dann müsst ihr vor mir kuschen und alle noch so ekligen Kröten schlucken, die ich euch hinhalte. Sonst mach ich’s eben mit den Blaubraunen!“
Sollten SPD und Grüne dann dazu nicht bereit sein, dann wird es vonseiten der CDU heißen: „Wir wollten ja, aber die halt nicht. Also müssen wir jetzt eben die AfD fragen, sonst kriegen wir ja keine Regierung zusammen.“ Das wurde ja so auch schon bei den Abstimmungen letzte Woche exerziert: Angeblich wollte man das ja mit SPD und Grünen gemeinsam beschließen, wenn die aber nicht wollen, die AfD hingegen schon …
Sollten sich SPD oder Grüne dennoch dazu bereiterklären, mit Merz zusammenzuarbeiten, dürfte das dann zur ziemlichen Marginalisierung des Koalitionärs führen. Wenn man es schon in einer Ampel-Koalition nicht geschafft hat, sich mit seinen sozialpolitischen und ökologischen Kernanliegen gegen die popelige FDP durchzusetzen, dann wird das als Steigbügelhalter der Merz-CDU mit Sicherheit erst recht nichts werden. Was dann die koalierende Partei von ihrer ursprünglichen Basis noch weiter entfernen dürfte.
Schließlich kann Merz ja immer auch die Knute rausholen: „Wenn ihr da nicht mitmacht, dann hol ich mir halt die Stimmen bei der AfD!“ Da Schwarz-Blaubraun vermutlich eine Mehrheit haben dürfte im kommenden Bundestag, wäre es also ein Leichtes, den kleineren Koalitionspartner entweder zu gängeln oder zu düpieren. Diese Message hat Merz nun in der letzten Woche zumindest klar und unmissverständlich rausgeschickt.
Der Zeitpunkt
Der Zeitpunkt für dieses Vorgehen ist recht günstig – ein besseres Timing hätte der Anschlag von Aschaffenburg für Merz nicht haben können. Es ist nun kurz vor der Wahl, damit werden die letzten Diskussionen sich nicht um Inhalte, zu denen die CDU nichts anzubieten hat, drehen, sondern um Migration, wo man mittlerweile ja genauso rechts und rassistisch drauf ist wie die AfD. Da kann dann ordentlich Stimmung geschürt werden.
Sollte das ein paar Wähler kosten, die diesen radikalisierten Kurs nicht mitgehen, dann dürfte das weniger relevant für die CDU sein als der oben geschilderte Nutzen. Zumal in den circa drei Wochen bis zur Wahl auch vonseiten der anderen Parteien nicht mehr zu erwarten ist, dass die noch eine Strategie zur adäquaten Reaktion auf dieses Gekungel von CDU und AfD auf den Weg bekommen werden.
Wer jetzt meint: „Puh, so ein Vorgehen ist aber schon ein Stück weit schäbig!“ Ja, genau das ist es. Aber dem Lügner und Lobbyisten Friedrich Merz ist eben alles zuzutrauen, um an die Macht zu kommen. Schlimm nur, dass so viele Menschen darauf reinfallen …