… scheint etwas zu sein, was Konservativen ausgesprochen schwerfällt. Anders lässt sich vieles politische Handeln nicht erklären.
Gut, eine weitere Erklärungsmöglichkeit ist natürlich vor allem bei Konservativen und noch weiter rechts Stehenden stets auch Korruption. Aber das gilt dann ja nur für die ausführenden Politiker und nicht für die Wähler, denn ich gehe mal davon aus, dass die allermeisten von denen Korruption auch nicht für eine gute Sache und somit nicht für eine politische Handlungslegitimation halten dürften.
Wie ich gerade jetzt auf dieses Thema komme? Ich las kürzlich in einem sehr lesenswerten Artikel von Yves Venedy in den Blättern für deutsche und internationale Politik, in dem er sich mit der als Bundeswirtschaftministerin getarnten Gaslobbyistin Katherina Reiche beschäftigte, folgenden, wie ich finde, sehr schlauen Satz:
Hätten wir nicht jahrelang Erdgas in Russland gekauft und so Putins Kriegskasse gefüllt, müssten wir jetzt vielleicht nicht immense Summen in unsere Verteidigung stecken.
Sehr überzeugend in der Schlichtheit der Folgerung, zeigt Venedy damit ein Dilemma der heutigen (vor allem von Konservativen und Rechten dominierten) Politik auf: Es wird oft nicht in Zusammenhängen gedacht, sondern nur in zumeist kurzfristigen einzelnen Aspekten.
Dass Wladimir Putin entgegen den Beteuerungen unseres Altbundeskanzlers Gerhard Schröder kein lupenreiner Demokrat ist, ist ja schon ein bisschen länger bekannt – und dennoch wurde bis zum Februar 2022 noch allzu gern das günstige Erdgas aus Russland bezogen. Das war nicht nur in puncto Klimaschutz nicht besonders pfiffig, sondern auch deswegen, weil man auf diese Weise einem despotischen Regime erhebliche finanzielle Mittel hat zukommen lassen. Tja, und nun haben wir den Salat: Jetzt heißt es, dass wir massiv aufrüsten müssen, weil wir uns vor demjenigen fürchten, den wir selbst fett gefüttert haben.
Ist jetzt insgesamt nicht so richtig clever, oder?
Und wenn man das dann noch mal weiterdenkt, dann kommt man zu solchen Überlegungen: Wäre es nicht konstruktiver (und vermutlich auch günstiger), wenn man, statt immer mehr Geld in Rüstung zu pumpen, lieber Investitionen tätigen würde, die kriegerische Auseinandersetzungen unwahrscheinlicher machten? Beispielsweise, indem man in despotischen Länder finanzielle Mittel zur Unterstützung von menschenrechtlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Bewegungen bereitstellen würde. Oder indem man Projekte fördert, die in ärmeren Ländern nachhaltigen und langfristig konstanten Wohlstand sicherten. Menschen, denen es gut geht und die keine Existenzängste haben, neigen nämlich normalerweise weniger dazu, sich für Kriege motivieren zu lassen – und begeben sich zudem auch seltener auf die Flucht aus ihrer Heimat, was ja auch immer wieder Spannungen hervorruft.
Man muss sich ja nur mal vor Augen halten, was der Afghanistan-Krieg so insgesamt an Geld gekostet hat. Da ist allein von US-Seite von einer knappen Billion Dollar die Rede (s. hier). Wow – hätte man mit dem Geld nicht vielleicht was Besseres anfangen können, als das Land 20 Jahre lang mit Krieg zu überziehen, nur um dann wieder den gleichen (wenn nicht gar einen schlimmeren) Zustand wie zu Beginn zu haben? Ich stell mir mal vor, es wären mit der Kohle Oppositionsgruppen unterstützt worden, die dann beispielsweise Infrastrukturprojekte anschieben könnten. Oder man hätte die Taliban direkt ein bisschen „erpresst“: „Hier, ihr könnt ein paar Milliarden bekommen für dies und jenes Projekt, aber dafür müsst ihr dann eben auch mal von eurer fundamentalistischen Linie abweichen.“ Den Menschen in Afghanistan dürfte es heute dann vermutlich besser gehen, als das jetzt gerade der Fall ist. Und das Ansehen der USA und ihrer Verbündeten (also des sogenannten „Wertewestens“) wäre vermutlich auch deutlich weniger ramponiert.
Stattdessen werden nach wie vor Geschäfte mit Despoten gemacht, gerade im Bereich fossile Energieträger. Die sind nun mal leider vor allem dort vorhanden, wo wenig coole Typen am Ruder sind. Und solche Typen sind nun mal immer auch ein potenzielles Sicherheitsrisiko – wie man ja an Putin mehr als deutlich gesehen hat.
Somit käme man dann auch zur Erkenntnis, dass Investitionen in erneuerbare Energien zugleich auch Investitionen in eine verbesserte Sicherheit sind. Aber dazu muss man eben in etwas größeren Zusammenhängen denken.
Dass das nicht hinhaut bei den Wählern von konservativen und rechten Parteien (bei deren Parteigranden wohl schon, aber da spielt eben Korruption eine große Rolle, und sowohl die Fossile-Energien-Industrie als auch die Rüstungsindustrie sind nun mal sehr, sehr zahlungskräftig), sieht man auch daran, dass sich diese Klientel immer wieder über Geflüchtete aufregt, die Politik der von ihnen präferierten Parteien aber eben immer mehr Menschen in die Flucht treibt. Das ist keine neue Erkenntnis, denn ich habe beispielsweise schon vor fast zehn Jahren einen Artikel darüber geschrieben. Wenn einem jedoch immer nur die eigene Plauze kurzfristig wichtiger ist (billige Produkte im Überfluss wie Schokolade, Bananen, Kaffee, Fisch, Fleisch Geräteakkus, alles Mögliche mit Palmöl usw.), als dass man mal versucht, solche Zusammenhänge zu durchschauen, dann verschließt man sich eben auch solcher eigentlich offenkundigen Erkenntnis.
Es gab ja immer schon mal Studien, die herausgefunden haben wollen, dass Konservative dümmer sind als Progressive (s. beispielsweise hier und hier) – und die auch entsprechend kontrovers diskutiert wurden. Mir scheint es allerdings schon logisch zu sein, dass es eine höhere intellektuelle Leistung ist, sich auf Neues einzulassen, als einfach an Altem festzuhalten – selbst wenn dieses Alte nicht mehr funktional oder sogar schädlich ist. Wenn man hierzu dann noch die generell zunehmende Verblödung (s. dazu hier) nimmt, dann wundert es einen nicht, dass Konservative immer mehr Probleme haben, selbst offensichtlichste Zusammenhänge zu erkennen.
Und genau das wird von konservativen und rechten Politikern – denen diese Zusammenhänger sehr wohl bewusst sind, allerdings passen sie ihnen eben nicht in den Kram – schamlos ausgenutzt, um ihre Anhängerschaft immer wieder dazu zu bringen, Dingen zuzustimmen, die sich bei näherer Betrachtung der Zusammenhänge als komplett dämlich erweisen.
Kaum jemand dürfte Bock auf Kriege, Wetterkatastrophen und menschliches Elend haben – aber die konservative/rechte Mehrheit stimmt leider immer genau dafür ab bei Wahlen. Genauso wie sie sich gern über verarmte Rentner, aussterbende Innenstädte und steigende Sozialausgaben echauffieren, ohne zu raffen, dass dies alles eine Konsequenz des von ihnen unterstützten Wirtschaftssystems ist. Weil sie eben nicht (mehr) in der Lage sind, Zusammenhänge zu erfassen, schon gar nicht, wenn diese etwas komplexer sind. Sie selbst werden dann auch darunter zu leiden haben, aber eben auch alle anderen, die sehenden Auges mit auf den sich deswegen auftuenden Abgrund zurasen.
Aber daran etwas zu ändern, würden eben genau das Denken in Zusammenhängen erfordern. Was für ein Teufelskreis …