Neoliberale Politik geht grundsätzlich zulasten von vielen Menschen, und je weiter diese sich nach rechts radikalisiert und somit unsozialer agiert, desto deutlicher wird das. Absurderweise glauben aber offenbar immer noch sehr viele Menschen, dass sie selbst von den so produzierten Verwerfungen schon irgendwie verschont bleiben würden. Klar, bisher hat es ja vor allem „die anderen“ getroffen, aber mittlerweile kommen die Einschläge für immer mehr Menschen näher und näher.
Auf Geflüchtete und Migranten wird ja schon länger verbal von Springer-Hetzmedien und rechten Politikern von CDU bis AfD eingedroschen, und damit kommen viele Deutsche offenbar auch ganz gut zurecht, denn sie selbst sind davon ja nicht betroffen. Genauso gelingt es dieser Kumpanei des sozialen Unanstands ja auch seit Jahren, ein dringend notwendiges Lieferkettengesetz zu verzögern und/oder zu verwässern. Auch hier sind diejenigen, die für unseren (Über-)Konsum wie Sklaven schuften und eine ramponierte Umwelt ertragen müssen, weit weg in Ländern des globalen Südens. Insofern fällt es vielen hierzulande eben auch leicht, derartige Missstände bzw. die Verweigerung, diesen beizukommen, zu ignorieren.
Beim Bürgergeld sieht das dann schon ein bisschen anders aus. Die Empfänger dieser Sozialleistung geraten ja auch immer mal wieder ins Visier von Ekelmedien wie BILD und Co., und zuletzt wird auch zunehmend von Sozialdarwinisten aller möglichen Parteien (CDU und AfD sowieso, aber auch Bärbel Bas von der SPD hat da nicht mit plumper Diffamierung gespart) massiv gegen diese Menschen gewettert und gehetzt. Und spätestens dann sollten die Menschen, die bisher die Menschenfeindlichkeit der Neoliberalen ignoriert haben, etwas hellhörig werden, denn ins Bürgergeld kann man schneller mal rutschen, als einem lieb ist. Beispielsweise wenn das Unternehmen, in dem man arbeitet, auf einmal feststellt, dass es sich in Bulgarien viel günstiger produzieren lässt. Oder eben pleitegeht. Und wenn man dann noch über 50 ist, dann wird es schwierig, eine neue Anstellung zu finden.
Dennoch ist es für viele Menschen noch attraktiv genug, nach unten zu treten und sich den Gehässigkeiten gegen Empfänger von Sozialleistungen anzuschließen. Die können sich offenbar nicht vorstellen, selbst einmal in die Tretmühle der sozialstaatlichen Alimentierung zu kommen, auch wenn dazu schon eine gehörige Portion Verdrängung gehört. Andererseits sind die Menschen ja darin sehr geübt, denn viele wollen ja auch nicht wissen, unter welchen Umständen ihre Billigklamotten zusammengeklöppelt werden oder das Schnitzel auf ihrem Teller landet.
Doch dieses Ignorieren wird zunehmend schwieriger, denn es geht immer mehr ans Eingemachte, soll heißen: Es werden immer mehr Menschen ins Visier genommen, um ihnen das Leben zu erschweren. Klar, irgendwo muss das ganze Geld ja auch kommen, um die stetig größer werdenden Vermögen einiger weniger zu füttern. Also werden sich immer neue Zielgruppen ausgesucht, bei denen man ja was einsparen könnte.
So zum Beispiel alte Menschen. Da hat doch glatt der CDU-Drogenbeauftragte Hendrik Streeck die Diskussion eröffnet, ob alte Menschen noch teure Medikamente erhalten sollten (s. hier). Menschenwürde scheint also für solche Typen nicht für alle zu gelten, zumindest schon mal nicht für diejenigen, die nicht (mehr) finanziell rentabel sind. Warum also dieser menschenverachtenden Logik nach noch viel Geld für die medizinische Versorgung solcher alten Nichtsnutze ausgegeben werden?
Hier vernimmt man nun allerdings schon lauteres Gemurre, denn alt will ja schließlich jeder mal werden – oder ist es schon. Oder kennt liebe Menschen, die schon reichlich betagt sind und die man dennoch gut medizinisch versorgt wissen möchte. Solche Ideen könnten einen also mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit auch selbst betreffen. Und schlagartig wird die ansonsten eher abstrakte neoliberale Menschenfeindlichkeit zu einer ganz konkreten Bedrohung.
Doch nicht nur alte kranke Menschen müssen um ihre Lebensqualität fürchten, auch gesunden älteren Menschen soll es nach dem Willen der CDU an die Finanzen gehen. Da wird nämlich gerade von den innerparteilichen Rechtsausleger-Greisen in den Körpern junger Männer (und auch einiger Frauen) der Jungen Union (JU) kritisiert, dass man Rentenkürzungen gerade für die nächsten Jahre ausgeschlossen hat (s. hier). Und dafür erntet man auch noch reichlich Zustimmung und setzt so den Bundeskanzler Friedrich „Fritzpiepe“ Merz (CDU) reichlich unter Druck, was unter Umständen sogar die gesamte Regierungskoalition gefährden könnte, wenn da nun die SPD in diesem Punkt massiv brüskiert würde.
Auch Gas-Kathi Reiche (CDU, im Nebenjob Bundeswirtschaftsministerin) haut da gleich mit drauf und meint doch tatsächlich: „Wenn wir auch künftig wirtschaftlich vorne mitspielen können … können … wollen, können wir nicht ein Drittel des Erwachsenenlebens auf Kosten der Allgemeinheit im Ruhestand verbringen“ (s. hier). Ganz schön starker Tobak für eine Person, die sich auf Kosten der Allgemeinheit ihre inkompetente und korrupte Amtsführung bezahlen lässt, oder? Andererseits: Wer schon mit dem gegelten von und zu Guttenberg rummacht, was soll man da schon erwarten? Verständnis für „den Pöbel“, der arbeitet und solchen Leuten wie Reiche daher ihr unproduktives und destruktives Dasein beschert, bestimmt nicht. Also, liebe Rentner und alle, die das mal werden wollen: Zieht euch schon mal warm an!
Und damit ist noch lange nicht Schluss, wie ein Beitrag von Christina Christiansen auf ihrer Facebook-Wall zeigt:


Frauen, die Opfer von sexualisierter Gewalt waren, sind oder noch werden (und das sind leider mehr, als man so glaubt), können also zukünftig auch zusehen, wo sie bleiben, da die ohnehin schon nicht üppigen Hilfsangebote noch weiter zusammengestrichen werden. Mal von dem ekelhaften Zynismus abgesehen, dass unser rassistischer Bundeskanzler kürzlich noch Menschen, die nicht seinen arischen Vorstellungen eines gepflegten Stadtbildes entsprechen, als Haupttäter von sexueller Gewalt ausmachte (was nicht stimmt) und dabei dann an die Schutzwürdigkeit der „Töchter“ appellierte – und nun mit seiner Regierung dafür sorgt, dass tatsächlich praktizierter Schutz von Frauen weiter reduziert wird. Na ja, wer vor nicht so langer Zeit auch noch fand, dass Vergewaltigung, solange sie nur vom Ehemann verübt wird, keine Straftat sein sollte …
Auch hier wird wieder knallhart der finanzielle Aspekt über den menschlichen gestellt – wie eigentlich immer im Neoliberalismus. Deswegen heißt das, was durch diese kranke Ideoligie radikalisiert wurde, ja auch „Kapital“ismus. Geld first, Menschen dann irgendwann viel später, wenn es gerade mal passt.
Wie ich oben schrieb: Die Einschläge kommen näher. Es sind nicht mehr nur die teilweise wie Sklaven ausgebeuteten Menschen des globalen Südens oder die von dort zu uns Fliehenden, welche die Menschenverachtung, auf der unser Wirtschaftssystem basiert, ausbaden müssen, wir selbst kriegen das auch immer mehr zu spüren: Die Armen schon länger, die Alten dann wohl bald auch und die Frauen sowieso.
Wenn alle, die davon betroffen sind und mit großer Wahrscheinlichkeit sein könnten, mal zu der Erkenntnis gelangen würden, dass es eben nicht nur „die anderen“ sind, denen geschadet und die Menschenwürde aberkannt wird, und sie sich entschlössen, vielleicht mal keine neoliberalen Parteien mehr zu wählen, dann könnte sich eventuell auch mal etwas an diesem Kurs ändern.
Um diese Erkenntnis zu verhindern, werden jedoch immer wieder „andere“ ins Spiel gebracht, auf die man dann feindlich herabsehen soll – das sogenannte Othering. Nicht ganz neu, aber mittlerweile in immer groteskerem Ausmaß praktiziert, denn schließlich sind mittlerweile mehr als die Hälfte der Menschen hierzulande von Othering betroffen.
Zeit, mal wirklich diejenigen, die an den Missständen schuld sind, als „andere“ zu definieren und entsprechend deren Treiben ein Ende zu setzen.

