Journalismus in der Krise?

Kürzlich las ich einen Artikel von Frank Überall, dem Bundesvorsitzenden des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), in den Blättern für deutsche und internationale Politik (leider zurzeit nur noch als Bezahlbeitrag lesbar). Bitte lest Euch den Artikel zunächst einmal durch, da sich das nun Folgende darauf beziehen wird. Überall thematisiert dort die Anfeindungen und Kritik, die der Journalismus in Deutschland in letzter Zeit zunehmend über sich ergehen lassen muss, und liefert eine Analyse, warum das so sei und welche Gefahren aus der Diskreditierung des professionellen Journalismus für die Demokratie erwachsen können. Dabei schreibt er m. E. viel Richtiges, lässt allerdings jede Art der Selbstkritik an seinem Berufsstand außen vor: Schuld seien vor allem das Internet bzw. die sozialen Medien und die User, die professionellen Journalismus nicht zu schätzen wüssten. Es ist ja durchaus aller Ehren wert, dass Frank Überall seine Kollegen in Schutz nehmen möchte, nur kommt man so eben auch zu keiner umfassenden Sichtweise, wenn man die Defizite, die weiten Teilen des deutschen Journalismus innewohnen, einfach ausblendet.

Zunächst mal zu den Punkten, bei denen ich Überall zustimme: Natürlich geht es gar nicht, dass es immer häufiger zu gewalttätigen Übergriffen (gerade im Umfeld von rechten Demonstrationen wie Pegida- und AfD-Kundgebungen) auf Journalisten kommt, die einfach nur ihre Arbeit machen wollen. Ich glaube, da ergibt sich auch mit jedem halbwegs zivilisierten Menschen kein Diskussionsbedarf.

Dann werden korrekterweise die sich stetig verschlechternden Arbeitsbedingungen von Journalisten dargestellt: Die Verlage haben mit einbrechenden Auflagen zu kämpfen, sodass weniger Umsätze generiert werden, was zu einer schlechteren Bezahlung bei gleichzeitiger Arbeitsverdichtung vieler Journalisten führt. Recherche ist so oftmals kaum noch fundiert möglich, und die Informationsdichte und
-geschwindigkeit, die durch das Internet stark angestiegen sind, führen dann eben auch zu Ungeduld beim Publikum, das sofort umfassend über jeden Vorfall informiert sein möchte. Da bleibt dann die Genauigkeit der Berichterstattung gern mal auf der Strecke.

Und auch die politischen Entscheidungen wie Vorratsdatenspeicherung oder mangelhafter Schutz von Whistleblowern stehen einer guten journalistischen Arbeit entgegen, genauso wie die fragwürdigen Informationspraktiken öffentlicher Stellen, die Überall schildert.

Leider bleibt die Analyse dann bei diesen Punkten stehen und zeichnet somit ein m. E. unzutreffendes Bild: Auf der einen Seite steht der zu Unrecht gescholtene professionelle Journalismus, der unter widrigen Umständen versucht, die bestmögliche objektive Information zu bieten, auf der anderen Seite stehen die Krakeeler auf Stammtischniveau, die sich mittels unseriöser Quellen informieren, und eben auch die Betreiber dieser unseriösen Blogs und Informationsportale im Internet, die grundsätzlich nicht die Qualität von professionellem Journalismus bieten können – denn schließlich haben sie das Metier ja nicht erlernt.

Damit diskreditiert Überall alles, was veröffentlicht und womit kein oder nicht in erster Linie Geld verdient wird, also auch so etwas wie diesen Blog, den Ihr gerade lest, oder andere Informationsportale. Natürlich gibt es zahlreiche schwarze Schafe im Internet, bei denen Überalls Kritik durchaus zutrifft, gerade rechte Seiten sind ja nun schon oftmals durch einseitige Stimmungsmache und das Weglassen oder Hinzudichten von Sachverhalten aufgefallen. Andererseits gibt es auch genügend Informationsquellen jenseits der sogenannten Mainstream- oder Leitmedien, die durchaus besser recherchierte Berichte und Artikel anbieten, als in Hochglanzmagazinen oder Tageszeitungen zu finden sind. Diese werden nun von Frank Überall alle in einen Topf geschmissen als nicht professioneller und damit minderwertiger Journalismus – reichlich undifferenziert, wie ich finde. Vor allem etwas paradox bei jemandem, der sämtlichen Onlinemedien einen dominanten Hang zur Komplexitätsreduzierung vorwirft …

Und diese eher wenig differenzierte Sichtweise zieht sich durch den gesamten Artikel. So liefert Überall in einem Zitat von Norbert Schneider, dem ehemaligen Vorsitzenden der Direktorenrunde der Medienanstalten, ein Beispiel dafür, dass Internetnutzer, die sowieso alles umsonst haben wollen, den Berufsstand der Journalisten am liebsten abschaffen wollen. Um das Absurde dieser Forderung zu unterstreichen, benennt er als Beispiel Ärzte, die ja auch niemand ernsthaft würde abschaffen wollen, nur weil man sich eben auch im Internet über Krankheiten informieren kann.

Allerdings habe ich persönlich auch noch von niemandem gehört, der den professionellen Journalismus abschaffen will. Oder um mal bei dem Vergleich mit den Ärzten zu bleiben: Jemand, der mehrmals schlechte Erfahrungen mit ärztlicher Behandlung gemacht hat, beispielsweise indem ihm eine Operation aufgeschwatzt wurde, die nicht nötig war, gefolgt vielleicht noch von einer sogenannten „blutigen Entlassung“, der von einem Arzt Leistungen in Rechnung gestellt bekam, die nicht erbracht wurden, oder für den der Mediziner einfach nicht genug Zeit hatte, um eine zutreffende Diagnose zu stellen (alles Dinge, die im Zuge der Ökonomisierung des Gesundheitswesens leider nicht gerade selten vorkommen), der wird vielleicht auch eine gewisse Skepsis Ärzten gegenüber entwickeln. Das muss dann nicht gleich zu einer völligen Ablehnung führen, sodass nur noch selbst gezogene Kräuter zur Behandlung von Krankheiten verwendet werden, kann sich aber beispielsweise darin ausdrücken, vielleicht eher einmal eine zweite Meinung einzuholen bei einer Diagnose oder auch auf alternative Heilmethoden zu vertrauen.

Übertragen auf den Journalismus bedeutet das nun: Wer schlechte Erfahrungen mit journalistischer Arbeit gemacht hat, der schaut sich vielleicht mal bei anderen Informationsquellen um. Dabei gibt es bestimmt Menschen, die nur nach einer Bestätigung ihrer eigenen Meinung suchen und denen dabei Kriterien wie gute Recherche oder bedachtes Abwägen von Standpunkten egal sind, aber viele werden eben genau darauf Wert legen und dann durchaus bei alternativen Medien fündig.

Zwar wirft Überall Onlinemedien grundsätzlich mangelnde Qualität vor, und der professionelle Journalismus steht für ihn anscheinend ausnahmslos für hohe Qualität, doch lassen sich genug Beispiele für mangelhaften Journalismus in den sogenannten Mainstream- und Leitmedien finden. Dazu muss man nicht mal nur bei der BILD verharren (bildblog.de liefert diesbezüglich häufig genug beredtes Zeugnis), in deren Redaktion ja nun zweifelsohne Profis am Werk sind, die sich allerdings nicht zu schade sind, Falschmeldungen zu produzieren und plump Stimmung zu machen, sondern auch viele andere professionelle Publikationen weisen durchaus journalistische Qualitätsdefizite auf.

Ein paar Beispiele: Die Privatisierung der Rente (Riester und Co.) wurde bei deren Einführung vor etwa 15 Jahren fast durchweg als unumgänglich in fast allen größeren Medien bezeichnet, die kapitalgedeckte Altersvorsorge galt nahezu allen Profijournalisten als einzige sichere Möglichkeit zur Vermeidung von weit verbreiteter Altersarmut. Nun hat die Realität mittlerweile genau das belegt, was schon damals in erster Linie nur in Blogs und Onlineportalen zu lesen war. Während Fernsehen und Hochglanz-Printmagazine sich von sogenannten Experten wie Hans-Werner Sinn und Bernd Raffelhüschen aufs Glatteis führen oder sogar vielleicht gezielt in Kampagnen zur Diffamierung des gesetzlichen Umlageverfahrens einspannen ließen, berichteten die journalistischen Nicht- und Halbprofis im Internet über Ökonomen, welche die Privatisierung der Altersvorsorge als das benannten, was sie ja nun mittlerweile nachweislich ist: ein Konjunkturprogramm für Banken und Versicherungen zulasten der zukünftigen Rentner. Dass Prognosen auch tatsächlich so eintreten wie beschrieben, stellt für mich ein Qualitätskriterium für journalistische Arbeit dar. Der sogenannte professionelle Qualitätsjournalismus hat sich diesbezüglich bei diesem Thema nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Auch bei anderen, aktuelleren Themen ist eine Parteinahme von Journalisten über fast alle Medien hinweg festzustellen, die dann zu verzerrter oder einseitiger Berichterstattung, gern auch mal zum Ignorieren von Themen und Weglassen von anscheinend „ungeliebten“ Aspekten führt. Über den fragwürdigen Umgang deutscher Medien mit Bernie Sanders habe ich ja erst vor Kurzem einen Artikel hier auf unterströmt geschrieben, genauso über die einseitigen Pro-Glyphosat-Berichte, die anscheinend nur zur Relativierung und Beschwichtigung berechtigter Befürchtungen vor der anstehenden erneuten EU-Zulassung des Pestizids verfasst wurden – Journalismus im Dienste von Konzerninteressen. Auch ein Thema wie TTIP, das ja nun einen erheblichen Einfluss auf unser aller Leben haben dürfte, wenn dieses Abkommen verabschiedet werden sollte, wurde lange Zeit in Tages- und Wochenzeitungen sowie Funk und Fernsehen reichlich stiefmütterlich behandelt, selbst die Großdemonstration in Berlin von letztem Oktober mit etwa 250.000 Teilnehmern fand kaum medialen Widerhall. Wer sich darüber informieren wollte, war auf das Internet und die dortigen alternativen Quellen angewiesen.

Besonders unwürdig war vor einigen Monaten auch die Kampagne nahezu aller Hamburger Medien pro Olympiabewerbung der Stadt. Selbst die Süddeutsche Zeitung kam nicht umhin, dieses Gebaren, das mehr mit PR als mit journalistischer Berichterstattung zu tun hatte, in einem Kommentar von Thomas Hahn kritisch zu hinterfragen.

Apropos PR: In einem Gastbeitrag von Julia Reder zum europäischen Leistungsschutzrecht auf Zeit Online wird aus dem Schriftsatz der Anwälte in einem Prozess des Springer-Verlags gegen die Firma Adblock Plus, die einen Werbeblocker betreibt, zitiert:

Das Kerngeschäft der Klägerin ist die Vermarktung von Werbung. Journalistische Inhalte sind das Vehikel, um die Aufmerksamkeit des Publikums für die werblichen Inhalte zu erreichen.

Nicht nur, dass man hierüber auch kaum etwas bis gar nichts in den herkömmlichen Medien fand, so zeigt sich in dieser Aussage doch schonungslos, was nicht nur das Selbstverständnis von journalistischer Qualität des Springer-Verlages (und das ist ja nun nicht gerade ein kleines Medienunternehmen) ist, sondern es offenbart sich auch ein Dilemma des professionellen Journalismus: Man ist eben vom Geld abhängig, das durch Anzeigenkunden generiert wird, und in Zeiten von rückläufigen Auflagen umso mehr, da über die Leser immer weniger Umsätze generiert werden können. Ist da nun also wirklich eine um Objektivität bemühte kritische Berichterstattung über potenzielle oder tatsächliche Anzeigenkunden zu erwarten? Mal davon abgesehen, dass die großen Verlage in Deutschland auch alle sehr reichen Familien gehören, die es natürlich nicht so gern sehen, wenn in ihren Publikationen Dinge stehen, die vollkommen konträr zu den Interessen sehr reicher Familien stehen. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing …

Ein weiterer Umstand, der allerdings wohl eher den von Überall auch geschilderten schlechteren Arbeitsbedingungen von Journalisten zuzuschreiben ist, fördert ebenfalls nicht gerade das Vertrauen in den sogenannten Qualitätsjournalismus: Es wird immer mehr voneinander abgeschrieben oder es werden einfach Texte aus Pressemitteilungen/von Presseagenturen wortwörtlich übernommen, da keine Zeit für eine redaktionelle Aufarbeitung eines Themas vorhanden ist. Für den Leser, der nicht unbedingt weiß, wie es um die Arbeitsverdichtung bei Journalisten bestellt ist, bietet sich folgendes Bild, da er ja via Internet nicht nur Zugriff auf eine Publikation hat, sondern eben auf sehr viele: Bei allen steht exakt das Gleiche. Der letztlich falsche Rückschluss, dass es sich um eine „Systempresse“ handelt, ist da m. E. nicht unverständlich – und dieser Vorwurf wird ja nun auch häufig genug formuliert.

Wenn solche Leser nun in den Weiten des Internets nach anderen Quellen suchen und dabei auf für sie schlüssige Informationen stoßen, die eben einen anderen Tenor aufweisen als das, was sie aus ihren gewohnten Medien so erhalten, dann fühlen sie sich in ihren Zweifeln zunächst einmal bestärkt. Darüber wird dann nicht selten übersehen, doch auch diese neuen Quellen auf Glaubwürdigkeit hin zu überprüfen, was natürlich auch nicht ganz trivial ist – Medienkompetenz ist schließlich niemandem einfach so in die Wiege gelegt. Ein Blick ins Impressum oder auf andere verlinkte Seiten, eine kleine Suchmaschinenrecherche zu den schreibenden Personen (bzw. Zweifel, wenn solche gar nicht bei den Artikeln angegeben werden) oder denjenigen, die einen Blog oder ein Protal betreiben, sind da meistens schon recht hilfreich, werden aber nur selten von Nutzern durchgeführt.

Dabei bietet das Internet eigentlich viel bessere Möglichkeiten, Artikel und Berichte zu verifizieren: Wer etwas in seiner Tageszeitung liest oder in einer Nachrichtensendung hört, der geht erst mal davon aus, dass das schon so stimmen wird. Im Netz bieten sich da nun andere Möglichkeiten: Der Nutzer kann, wenn ihm eine Meldung suspekt vorkommt, nachschauen, ob er irgendwo anders auch etwas zu dem Thema findet, was bestätigend oder eventuell entkräftend ist, man kann sich also themenzentriert und nicht medienzentriert informieren. Der Schreiber von Artikeln hat hingegen die Möglichkeit, nicht nur auf andere Quellen, die seine Aussagen belegen, verbal zu verweisen, sondern kann diese gleich auch verlinken, sodass sich der Leser selbst eine Meinung bilden kann, ob das Geschilderte nun stimmig ist oder nicht – wobei natürlich die Gefahr der sogenannten Filter-Bubbles nicht außer Acht gelassen werden darf.

Doch das Internet zeigt sich hier erstaunlich flexibel, denn mittlerweile gibt es Webseiten, wie beispielsweise Mimikama, die sich gezielt darauf spezialisiert haben, Falschmeldungen, die gerade die virtuelle Runde machen, als solche zu entlarven und richtigzustellen. Spätestens jetzt wird deutlich, wie unsinnig es ist, alle Onlinemedien in einen Topf zu werfen, so wie Frank Überall dies macht.

So entsteht bei mir die Vermutung, dass es ihm bei seiner Analyse vor allem darum geht, Verbandsarbeit zu betreiben und die Interessen der DJV-Mitglieder zu vertreten. Diese Annahme wird bestärkt, wenn Überall ein Qualitätssiegel für Internetangebote fordert oder Presseausweise nur für hauptberufliche Journalisten.

Dabei ist seine zugrundeliegende Unterscheidung in Profis und Amateure gerade bei einem Beruf wie dem des Journalisten schon an sich reichlich fragwürdig. Journalismus ist ja nun durchaus ein Tätigkeitsfeld mit einer kreativen Komponente, weshalb Journalisten ja auch die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse offensteht. Auf andere künstlerische Berufe übertragen, würde diese Sichtweise beispielsweise bedeuten: Nur Germanisten würde gute Literatur zuwegebringen, und nur Absolventen von Konservatorien würden gute Musik machen.  Ich denke mal, jedem von uns fallen da etliche Gegenbeispiele ein.

Zudem gibt es ja nun auch genug Quereinsteiger in die journalistische Zunft, und auch Kolumnen in professionellen Publikationen werden gern mal von „Branchenfremden“ verfasst. Letztlich formuliert Überall seine Ansichten ja sogar in den Blättern, in denen alle möglichen Autoren schreiben, die häufig keinen journalistischen Backgrund haben, aber trotzdem mit Fachwissen bestechen und dieses auch adäquat vermitteln können.

Was für mich auch noch aus dem Artikel von Frank Überall spricht, ist das Beharren auf dem Status quo, was ja dem Verlagswesen durchaus sehr zu eigen ist und das sich beispielsweise auch in dem unter Einfluss der Großverlage entstandenen 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (hier ein Artikel dazu auf tagesschau.de, ebenfalls kritisch Wolfgang Lieb auf den NachDenkSeiten) manifestiert: Angebote der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in ihren Mediatheken dürfen, da Konkurrenz zu den eigenen entsprechenden Produkten befürchtet wurde, nur eine bestimmte Zeit aufrechterhalten werden. Hier wird also eine technische Möglichkeit, professionell erstellte journalistische Inhalte zur Verfügung zu stellen, beschnitten, da sie nicht mit den bisherigen Verdienstmöglichkeiten konform geht. Als Resultat dürften nicht wenige potenzielle Zuschauer dann auf Portale wie YouTube ausgewichen sein, um sich die Infos dort zu verschaffen …

Das Internet bietet neue Möglichkeiten des Austauschs und der vielfältigen Information, die allerdings von den meisten Verlagen (und anscheinend auch von Frank Überall) nur als Bedrohung wahrgenommen werden. Natürlich ergeben sich dadurch für den Berufsstand der Journalisten neue Voraussetzungen und Anforderungen, genauso wie für die Verlage, doch diese werden meistens nicht produktiv angenommen, sondern es wird versucht, das Konkurrenzmedium zu diffamieren, um so die eigene Position zu erhöhen und damit zu verteidigen.

Nun liegt es mir fern, als Gegenposition zur einseitigen Sichtweise von Frank Überall zu postulieren, dass Onlinejournalismus grundsätzlich super sei und aus renommierten Verlagshäusern nur Mist käme. Es gibt halt auf beiden Seiten schwarze Schafe und qualitätsbewusste Autoren, die möglichst gewissenhaft versuchen, einen Sachverhalt vielschichtig und ausgeglichen zu beleuchten. Natürlich ist auch die subjektive Meinungsäußerung durchaus sinnvoll und sollte ihren Platz haben, dann aber bitte auch namentlich gekennzeichnet und/oder in Kommentaren oder Kolumnen – und nicht „getarnt“ als vermeintlich um Objektivität bemühte Berichterstattung.

Dabei sind die Arbeitsweisen in Redaktionsstuben natürlich komplett andere als am heimischen Blogger-Schreibtisch, woraus ja auch unterschiedliche Voraussetzungen resultieren: Der professionelle Journalist kann auf bessere Kontakte und Netzwerke zurückgreifen, hat zudem mehr Zeit für seine Arbeit, da er sich nicht anderweitig ums Geldverdienen kümmern muss (es sei denn, er wird so schlecht bezahlt, dass er noch einen Nebenjob bestreiten muss), der Blogger hingegen steht nicht so sehr unter Veröffentlichungszeitdruck, da ihm niemand Stress macht, mindestens so schnell wie die Konkurrenz einen Bericht oder ein Statement rauszuschießen, sodass erst mal ein bisschen reflektiert werden kann und ausgiebig verschiedene Sichtweisen eines Geschehens eingeholt werden können.

Hier wäre es nun m. E. wichtig, diese Unterschiede anzuerkennen und wertzuschätzen, sodass diejenigen aus beiden Lagern, die um journalistische Qualität bemüht sind, an einem Strang ziehen. Pauschalisierte Medienschelte gehört genauso wenig dazu wie eine Diffamierung der Onlinemedien als generell nicht ernst zu nehmende und minderwertige Publikationen.

Schließlich ist es ja offensichtlich, dass diejenigen, die am lautstärksten den Journalismus attackieren und „Lügenpresse“ schreien (oder schreiben), diese Unterscheidung nicht machen: Wenn etwas ins eigene Weltbild passt, dann wird durchaus auch auf Artikel gängiger Presseorgane (oft beispielsweise BILDFocus oder Welt) verwiesen. Der darin liegende Widerspruch scheint den sich so Äußernden zumeist gar nicht bewusst zu sein. Ich habe z. B. selbst schon in einer Diskussion auf Facebook erlebt, dass ich zur Belegung einer Aussage einen Spiegel-Artikel verlinkte, woraufhin dann von jemandem mit anderer Ansicht sofort die Aussage kam, dass man den Spiegel ja nun nicht als seriöse Quelle heranziehen könnte. Ein Blick auf dessen Profil offenbarte dann, dass er selbst nur kurze Zeit zuvor noch einen Spiegel-Artikel gepostet hatte, der anscheinend mehr nach seinem Gusto war.

Das ist m. E. das zentrale Problem: Es geht nicht gegen den Journalismus an sich, wie es Frank Überall in seinem Artikel vermittelt, es geht um Aussagen, die nicht die eigene Ansicht oder das eigene Weltbild unterstützen, sondern diesem entgegenstehen. Und dabei geht es vor allem um eine Verrohung der Diskussionskultur, die dann eben darin gipfelt, dass Journalisten bedroht und angegriffen werden, weil sie dem „feindlichen Lager“ zugerechnet werden.

Zielführender wäre es also, nicht eine Krise des Journalismus zu beklagen, sondern sich zu fragen, wie es zu diesen festgefahrenen Feindbildern kommt, zu der Angst und der Aggression, die dahinterstehen – und was auch Teile des professionellen Journalismus zu dieser Entwicklung beigetragen haben durch aufstachelnde, simplifizierende und einseitige Berichterstattung sowie die Schaffung von Feindbildern und das Schüren von Ängsten.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

2 Gedanken zu „Journalismus in der Krise?“

  1. Georg Restle stellt ebenfalls eine Krise der deutschen Pressefreiheit fest auf der Facebook-Präsenz der ARD-Sendung Monitor, wobei er auch zu Schlüssen kommt, die denen von Frank Überall eher entgegenstehen:

    Pressefreiheit – so what?

    Müssen wir das wirklich? Über Pressefreiheit reden? In einem Land, in dem der Schutz der Meinungsfreiheit zum Standardrepertoire politischer Sonntagsreden gehört? Nicht verhandelbar? Schlechthin konstituierend, ergo Kern unserer Verfassung?

    Ja, wir müssen! Und zwar hier in diesem Land – wissend, dass Journalisten anderswo weitaus gefährlicher leben, wo sie für unbequeme Wahrheiten niedergeprügelt, inhaftiert oder gemeuchelt werden. Nein, die Pressefreiheit wird in diesem Land nicht durch Polizeiknüppel und Gewehrsalven bedroht. Und trotzdem müssen wir über Pressefreiheit in Deutschland reden, weil das Selbstverständliche eben längst nicht mehr selbstverständlich ist.

    Dabei geht es nicht um das Offensichtliche: Nicht um den Kotau der Kanzlerin vor dem türkischen Präsidenten. Auch nicht um einen Verfassungsschutzpräsidenten, der hinter unbequemem Journalismus gleich Landesverrat wittert. Und auch nicht um die „Lügenpresse“-Krakeeler, denen die Pressefreiheit nur dann heilig ist, wenn sie ihre eigene Weltsicht bestätigt.

    Die weiterreichende Gefahr droht von anderer Seite. Es ist eine schleichende Gefahr; eine, die von den meisten überhaupt nicht wahrgenommen wird – und die doch ganz real ist: Die Pressefreiheit in diesem Land, sie wird zunehmend zersetzt, weil aus Journalismus eine Ware gemacht wird, die mit Unabhängigkeit und Freigeist nur noch wenig zu tun hat.

    Längst schon haben deutsche Zeitschriftenverlage, Google oder Facebook aus der Grenzüberschreitung zwischen Journalismus und PR ein Geschäftsmodell entwickelt – ob es sich nun „Instant Article“, „Native advertising“ oder sonstwie nennt. Hinter all diesen Begriffen steckt im Grunde das Gleiche: Ein zum PR-Instrument mutierter Journalismus, der den Begriff – wenn überhaupt – nur noch dem Anschein nach verdient. Oder der seine Inhalte an die Algorithmen werbesüchtiger Internetgiganten und ihrer Auftraggeber verkauft. Transparenz? Unbestechlichkeit? Unabhängigkeit? Schnee von gestern in der schönen neuen Medienwelt von heute.

    Pressefreiheit aber setzt Unabhängigkeit voraus – ohne sie ist sie nichts wert. Genausowenig wie ein Journalismus, der seine Seele an die meistbietenden Anbieter schnöder Werbeverspechen verscherbelt. Darüber muss gesprochen werden, nicht anderswo, sondern hier in diesem Land!

    Georg Restle

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