Maaßen

Nach zahlreichen Verfehlungen musste gestern der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) Hans-Georg Maaßen seinen Posten räumen. Was zunächst einmal recht erfreulich erscheint – auch wenn nun nicht zu erwarten ist, dass jetzt jemand diesen Posten übernehmen wird, der weniger rechtslastig ist als Maaßen (immerhin hat der Verfassungsschutz per se ja nicht zuletzt beim NSU-Komplex seinen deutlichen Hang zum Rechtsextremismus unter Beweis gestellt) -, hinterließ allerdings sofort einen deutlich bitteren Beigeschmack, als bekannt wurde, dass Maaßen nun den sogar noch besser dotierten Posten eines Staatssekretärs im Bundesinnenministerium bekleiden wird. Dieser Vorgang ist zumindest ausgesprochen bezeichnend für die mittlerweile schamlos zur Schau gestellte arrogante Überheblichkeit der Mächtigen, wenn nicht sogar noch wesentlich mehr dahintersteckt.

Was hat Hans-Georg Maaßen in den letzten Wochen doch alles für Böcke geschossen: Er hat das Parlament angelogen im Fall des Attentäters vom Berliner Weihnachtsmarkt Anis Amri (s. hier), er hat sich andauernd mit AfD-Politikern getroffen und denen sogar noch nicht veröffentlichte Informationen aus dem Verfassungsschutzbericht zugesteckt (s. hier und hier), er hat fälschlicherweise in der BILD behauptet, in Chemnitz hätte es keine Hetzjagden gegeben, und damit das rechte Narrativ der „Lügenpresse“ befeuert (s. hier, hier und hier). Und auch schon in den Jahren zuvor ist Maaßen öfter aufgefallen als jemand, der anscheinend eine eigene politische Agenda verfolgt und dabei wenig integer und oftmals verschlagen agiert: So hatte er beispielsweise 2015 geheime Informationen an die BILD weitergegeben (s. hier), 2016 gemeinsam mit der BILD im Zuge der Ermittlungen zur NSA-Affäre unbelegte Behauptungen verbreitet, dass Edward Snowden ein russischer Spion sei (s. hier), und 2014 ein absurdes Verfahren wegen Landesverrat gegen die Enthüllungsjournalisten von Netzpolitik.org inszeniert (s. hier und hier). Schon 2014 hat Rayk Anders in seinem Videoblog (unbedingt noch mal ansehen!) das Treiben von Maaßen ein bisschen beleuchtet und dabei festgestellt, dass dieser Typ ein gewissenloser Technokrat mit eindeutiger politischer Schlagseite ist, dessen menschenverachtendes Treiben noch weiter zurückreicht, so zum Beispiel bis zum Fall Murat Kurnaz.

Da kommt nun so einiges zusammen, oder? Und so ein fieser Typ sitzt nun nicht nur jahrelang in exponierter Position, um angeblich unsere Verfassung zu schützen und unsere Bürgerechte zu wahren, wobei jeder mit Verstand jemanden wie Maaßen nicht mal für drei Minuten auf seinen Dackel aufpassen lassen würde. Das an sich ist schon skandalös genug, finde ich.

Doch wenn Maaßen dann zunehmend selbstbewusster und offensichtlich politisch rechtslastig agiert, dieses Verhalten auch öffentlich wird und somit Rücktrittsforderungen nachvollziehbarerweise laut werden und dann tatsächlich quasi eine Beförderung stattfindet, dann haben wir nicht nur einen Aufreger par excellence, sondern eben wieder einmal einen Vorgang, der die Politikverdrossenheit bei vielen Menschen (außer bei Rechten, die Maaßen natürlich ganz super finden) fördern dürfte.

Zusammen mit den Vorgängen im Hambacher Forst, über deren mögliche Auswirkungen Heinz gestern bereits einen Artikel hier auf unterströmt geschrieben hat,  habe wir zurzeit also zwei voneinander anscheinend unabhängige Geschehnisse in Deutschland, die doch einiges an Gemeinsamkeiten haben: Es wird überhaupt nicht mehr verhüllt, dass sich die Politik nicht um die Interessen der Menschen im Land schert, sondern recht skrupellos und offensichtlich ihre eigenen Interessen und die der sie bezahlenden Unternehmen durchsetzt – egal, was die Bevölkerung dazu sagen mag.

Das bestätigt leider ziemlich deutlich die Vermutung, die ich vor einem halben Jahr schon mal in einem Artikel ausformuliert habe: Es wird gezielt von den neoliberalen Eliten Politikverdrossenheit gefördert, um so die AfD und andere Demokratiefeinde zu stärken, damit man selbst zum Erhalt der eigenen immer offensichtlicher gescheiterten Ideologie einen zunehmend totalitären Staat gestalten kann. Das politische Agieren sowohl im Fall Maaßen als auch im Hambacher Forst passt m. E. genau in dieses Schema.

Und dann könnte es noch eine weitere Dimension geben bei der Personalie Maaßen, die allerdings auch nicht gerade angenehm ist: Wenn man in einem Artikel auf Telepolis liest, wie die Bundesregierung mit aller Macht die Arbeit des Untersuchungsausschusses zum Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt blockiert, wenn nicht gar torpediert, dann fragt man sich doch wirklich, warum da anscheinend ein so großes Interesse daran besteht, diesen Vorfall nicht hinreichend aufzuklären. Immerhin sollte man doch meinen, dass die Regierung das Interesse hat, ihre Bevölkerung zukünftig vor derartigen Terrorakten zu bewahren, und daher wäre es ja schon sinnvoll zu erfahren, inwieweit der eigene Inlandsgeheimdienst darin verstrickt war und etwas hätte dagegen unternehmen können, dies aber nicht gemacht hat.

Nun kam dieser grausame Anschlag mit zwölf Toten und vielen Verletzten allerdings unserer Bundesregierung auch nicht ganz ungelegen, da man auf diese Weise die gerade beschriebene Agenda gut voranbringen konnte, denn eine verängstigte Bevölkerung lässt sich schon immer leichter dazu bringen, die eigenen Freiheitsrechte aufzugeben für schärfere Sicherheitsgesetze. Ich halte es insofern für nicht ganz unwahrscheinlich, dass Maaßen als Leiter des Verfassungsschutzes einiges an Informationen haben könnte, die dem einen oder anderen aus der Bundesregierung sehr gefährlich werden könnten, wenn nämlich beispielsweise eine Verstrickung bis in höchste politische Kreise hinein mit dem Anschlag öffentlich würde. Auf diese Weise hätte er nicht nur Rückendeckung von „ganz oben“, was die Selbstgewissheit, mit der er seine Verfehlungen der letzten Zeit begangen hat, genauso erklären würde wie seine Beförderung zum Staatssekretär, nachdem der öffentliche und mediale Ruf nach Maaßens Rücktritt immer lauter wurde.

Klingt absurd, grotesk oder sogar verschwörerisch? Nun ja, bei Weitem nicht so absurd, grotesk und verschwörerisch wie ein rechtsextremer Verfassungsfeind, der jahrelang die deutsche Verfassung schützen sollte und dann bei offensichtlichem Versagen noch eine fette Belohnung in Form einer Beförderung einstreichen durfte …

 

PS: Was man dabei auch noch berücksichtigen sollte: Diese ganze Chose um Maaßen ist natürlich auch eine hervorragende Ablenkung des Zorns der Bevölkerung weg von den Geschehnissen im Hambacher Forst, die ja in der letzten Wochen die Öffentlichkeit massiv beschäftigten. Solche Nebelkerzenfunktionen sind natürlich auch immer mitzudenken und werden m. E. bestimmt auch von denen, die davon profitieren, mit einkalkuliert.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

2 Gedanken zu „Maaßen“

  1. Das ist schon wieder mal ein unglaubliches Stück, was die Elitendemokratie da wieder einmal aufführt! Die Phasen, wo ich die für völlig verblödet halte, wechseln direkt zu den Phasen, wo meine Vermutungen eher zu einer gesellschaftlichen Veränderung im Großen gedacht ausgehen (was aber am Ende nicht verblödeter ist als der erste Gedanke). Aber ohne einen geordneten Widerstand wird das immer so weitergehen, bis wir wirklich im Überwachungsstaat sitzen. Zu Maaßen hat sich auch Frontal21 (ZDF) mal etwas ausgelassen, ein guter Beitrag von knapp sechs Minuten.

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