Mal wieder ein „Einzeltäter“ …

Vor gut zwei Monaten schrieb ich hier auf unterströmt einen Artikel zur Alltäglichkeit rechten Terrors in Deutschland, die mittlerweile leider besteht. Und nun gab es schon wieder einen rechten Terroranschlag, diesmal in Halle und mit zwei Todesopfern. Dass schon beim Mord an Walter Lübcke vor einigen Monaten von einem Einzeltäter ausgegangen wurde (s. dazu hier), war hinreichend absurd, da der Mörder reichlich in rechten Netzwerken unterwegs war, zudem verleugnet es konsequent die rechtsextremen Strukturen in Deutschland, die zunehmend organisierter werden (Stichwort Uniter – s. dazu exemplarisch hierhier und hier). Und nun wird schon wieder – wenig überraschend – von einem Einzeltäter gesprochen.

Da frage ich mich doch ernsthaft, ob die Politiker, Sicherheitsbeamten und Journalisten, die das so kommunizieren, so komplett uninformiert sind über rechtsextreme Strukturen und das Vorgehen von rechtsextremen Terroristen (über so was kann man sich beispielsweise super mit einem Beitrag von Deutschlandfunk Kultur informieren). Ich würde ja so als Laie schon stutzig werden, wenn ich mir überlege, dass jemand sich einfach so mit Helm und Gewehr ausrüsten kann – das kriegt man ja schließlich nicht so einfach beim Edeka nebenan. Also werden da schon Netzwerke zum Bezug dieser Sachen bestehen, oder?

Und dann wird natürlich auch das gesellschaftliche Klima komplett ausgeblendet, dass allein schon deshalb als relevant angesehen werden muss, weil der Mörder seine entsetzliche Tat ja auch noch gefilmt und online gestellt hat. Der hat also gezielt die Öffentlichkeit damit gesucht, und zwar genau die, von der er sich Applaus dafür verspricht. Insofern muss es diese ihn in seiner Tat bestätigende oder dazu animierende Öffentlichkeit ja auch vorher schon gegeben haben.

Da ich das auch schon im oben verlinkten Artikel zur Alltäglichkeit rechten Terrors ausgeführt habe, will ich da nun gar nicht weiter drauf eingehen, sondern vielmehr darüber hinausgehend die Frage aufwerfen, ob dieser rechte Terror nicht eventuell vom Establishment (oder von mir aus auch: von den sogenannten Eliten) ganz gern gesehen wird. Schließlich trifft es ja in der Regel Mitglieder gesellschaftlicher „Randgruppen“, sodass man selbst wenig Angst davor haben muss, aber ein weiteres hervorragendes Mittel hat, um die Menschen im Land in Angst zu versetzen (s. dazu hier).

Zudem würde es mich nun nicht wundern, wenn mal wieder Teile des Sicherheitsapparates in diesen Anschlag verstrickt wären, denn das ist ja leider auch eher die Regel als die Ausnahme (allein schon der NSU-Komplex würde hier als Beispiel ausreichen). Zumindest könnte ich mir vorstellen, dass man den Anschlag vielleicht hätte verhindern können, aber dann doch lieber hat laufen lassen. Dass der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Halle verwundert darüber war, dass die Polizei doch recht lange gebraucht hat, um am Ort des Geschehens einzutreffen (s. hier), erhärtet diese Vermutung zudem.

Insofern drängt sich m. E. die Überlegung auf, ob man den Rechtsterrorismus nicht langsam mal als eine Art Staatsterrorismus verstehen sollte, da er permanent verharmlost und von der Politik (und das nicht nur von der AfD) befeuert wird, darüber hinaus werden dahinterstehenden Strukturen permanent ignoriert und geleugnet, genauso wie rechtsextreme Strukturen in Bundeswehr, Polizei und Geheimdiensten nicht ernsthaft bekämpft und auch beständig bagatellisiert werden (auch da ist ja immer wieder von Einzelfällen die Rede).

Klingt jetzt nach einer steilen These? Na ja, vielleicht hat ja jemand eine bessere Erklärung dafür – mir fällt zumindest keine ein …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

6 Gedanken zu „Mal wieder ein „Einzeltäter“ …“

  1. Bei aller berechtigten Kritik hier im Artikel, vor allem an der ewigen Litanei des Einzeltäters, aber mir fallen durchaus andere Begründungen ein, als hier von Staatsterrorismus in der Verschwörung sprechen zu wollen.
    Eine will ich nennen: die Sparpolitik des neoliberalen Staates. Wer so viel spart, spart nicht nur quantitativ (was schon zu Engpässen und damit Fokussierungen führen muss), sondern er spart auch qualitativ (was dann zu weiteren Fokussierungen führt). Wenn dann, wie bei uns, der Staatsapparat gerade sicherheitstechnisch aus dem Abwehrkampf gegen den Kommunismus im kalten Krieg entstanden ist (Gehlen sei hier erwähnt), so ist klar in welche Richtung die Fokussierung dann läuft. Wenn man dann bedenkt, dass gewachsene Strukturen nicht so einfach zu verändern sind, man auch Zeit dafür braucht, sollte man sich auch nicht wundern, wenn sich hier dann Lücken auftun und zwar gedankliche (ideologische) und auch tatsächliche. Eine neue Herausforderung (und für die Sicherheitskräfte und die Eliten ist sie neu) schafft diese Wirrnisse, auch wenn wir beide wissen, dass sie eigentlich nicht neu ist. Dass sie solange unter den Teppich gekehrt werden konnte, auch mit medialer Unterstützung, das ist deshalb der eigentliche Skandal, der schon groß genug ist, nicht noch die Verschwörung braucht.

  2. Ein Artikel der Deutschen Welle beschäftigt sich mit sogenannten „einsamen Wölfen“, also als Einzeltätern agierenden Mördern. Dies ist typisch für die rechte Szene, wobei diese Menschen durchaus Kontakte haben und in Netzwerken unterwegs sind, die sie in ihrem Entschluss, einen Terrorakt zu begehen, fördern, unterstützen und bestärken.

    Hier wäre es eben wichtig, diese Strukturen zu beleuchten, die eben anders sind, als sie beispielsweise bei der RAF waren.

  3. In seinem Leitartikel in der Frankfurter Rundschau findet Hanning Voigts deutliche Worte für die offen zur Schau getragene Betriebsblindheit deutscher Politiker nach dem Terroranschlag von Halle, genauso wie er die Bezeichnung als „Einzeltäter“ unangebracht findet angesichts der Kenntnisse der Struktur der rechtsterroristischen Szene (die allerdings nach wie vor nur zu gern von Politik und Sicherheitsapparat ignoriert werden) und deren Vernetzung.

    Diesen oben erwähnten Leitartikel nimmt Wolf Wetzel in einem Artikel auf den NachDenkSeiten dann zum Anlass, um aufzuzeigen, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus vor allem auch erst mal in den staatlichen Institutionen geführt werden muss. Aber da wird lieber nach mehr Polizei, mehr Überwachung und mehr Geld für Geheimdienste geschrien, was allerdings, wenn man sich wie Wetzel einige Stationen des NSU-Komplexes betrachtet, alles wenig zielführend wäre. So folgen auf die zur Schau gestellte Betroffenheit nach dem Anschlag nur hohle Phrasen, die nicht nur ein weiteres Erstarken des Rechtsextremismus nicht verhindern werden, sondern zudem im Gegensatz zum tatsächlichen politischen Regierungshandeln der letzten Jahre stehen.

  4. Ein interessanten Einblick in die virtuellen Räume, in denen sich Rechtsoffene, Rassisten, Homophobe usw. radikalisieren (und in denen vermutlich auch der Halle-Attentäter Stephan B. unterwegs gewesen sein dürfte), bietet ein Artikel der österreichischen Website stoppt die rechten.

    Indem allerdings immer wieder auf das Narrativ Einzeltäter fokussiert wird, dürfte es kaum gelingen, diese terroristischen Hintergrundstrukturen zu bekämpfen.

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