Kürzlich las ich einen Artikel von der WELT (ja, ich weiß, Springer – ist auch nicht gerade meine Lieblingszeitung), der dann allerdings auch von anderen Quellen, beispielsweise der Frankfurter Rundschau und Telepolis, bestätigt wurde und bei dem mir schlichtweg die Spucke wegblieb: Das Bundesinnenministerium (BMI) von Horst Seehofer (CSU) hat im März im Zuge der Corona-Pandemie auf zahlreiche Wissenschaftler eingewirkt, dass diese ein Szenario erstellen sollten, mit dem die Bevölkerung schockiert und verängstigt würde, sodass man repressive Maßnahmen gegen die Menschen durchsetzen kann. Das muss man erst mal sacken lassen, oder?
Um diese Informationen zu erhalten, war ein monatelanger Rechtsstreit notwendig, der von einer Gruppe von Juristen geführt wurde, um an einen umfangreichen E-Mail-Verkehr zwischen dem BMI und den Forschern, u. a. vom Robert Koch Institut (RKI), zu gelangen. In einer Pressemitteilung des Juristen Prof. Niko Härting, dessen Kanzlei bei diesem Vorgang federführend war, wird das Geschehen etwas ausführlicher geschildert, zudem werden dort auch noch einige Juristen zitiert, die das Ganze bewerten. So findet sich dort beispielsweise die Aussage des ehemaligen Richters am Bundesgerichtshof Stefan Leupertz:
Gefährlich wird die Lage, wenn der Staat beginnt, schon die Generierung der Informationen und ihre Interpretation durch dann eben nicht mehr unabhängige Experten zu organisieren. Genau das ist hier geschehen. Das BMI hat ersichtlich und am Ende mit großem Erfolg versucht, ein Informations- und Meinungskartell zu organisieren, das es den politischen Entscheidungsträgern in schwieriger Lage ermöglicht, durch eine Politik der Angst Entscheidungskompetenz auch ohne belastbare sachliche Rechtfertigung zu erlangen. Das muss die Öffentlichkeit erfahren. Wir versuchen, diese Kenntnis zu vermitteln.
Und zum RKI äußert sich die Rechtsanwältin Kerstin Horstmann wie folgt:
Es drängt sich der Verdacht auf, dass das RKI nicht unabhängig ist, sondern politisch gesteuert ist und mit der Verbreitung der ‚Zahlen‘, bestimmte politische Ziele verfolgt werden. Dies wiegt umso schwerer, weil zahlreiche Gerichte diesen Zahlen bislang völlig unkritisch gefolgt sind und das RKI als unabhängiges Institut respektieren, was es augenscheinlich nicht ist.
Da wird uns also die ganze Zeit erzählt, dass die Politik mit ihren Maßnahmen, die ja zum Teil erhebliche Grundrechtseinschränkungen zur Folge haben und etliche Menschen ihrer Existenz berauben, der Wissenschaft folgen würde, sodass man eben nicht anders könne, und dann stellt sich heraus, dass genau diese Wissenschaft instrumentalisiert wurde, um eine Legitimationsgrundlage für die ergriffenen Maßnahmen zu schaffen.
Das bedeutet: Nicht der Schutz der Menschen steht im Mittelpunkt des Agierens der Bundesregierung (das habe ich ja schon vor Monaten in einem Artikel gemutmaßt), sondern es geht darum, repressiv gegen die eigene Bevölkerung vorgehen zu können – vermutlich um so die eigenen politische Agenda besser umsetzen zu können.
Das erklärt einiges, wirft einige Fragen auf und dürfte einige recht gravierende Folgen haben.
Erkenntnisse
Es wird dann zum Beispiel klar, warum der Chef vom RKI Lothar H. Wieler zur Rechtfertigung des Lockdowns Light Anfang November so offensichtlichen Unfug von sich gab, dass Menschen bei Kulturveranstaltungen mehr kommunizieren würden als in öffentlichen Verkehrsmitteln und sich deswegen dort auch eher mit dem Coronavirus infizieren könnten (s. hier).
Es wird dann auch klar, warum Christian Drosten munter von notwendigen Freiheitsbeschränkungen plauderte, zunächst, als keine Schutzmasken vorhanden waren aufgrund der Fehlplanung des Bundesgesundheitsministeriums von Jens Spahn (CDU), meinte, dass Masken ja auch gar nicht schützen würden (bei einer Tröpfcheninfektion – dass das Unsinn ist, weiß man auch ohne medizinische Fachkenntnisse), und, als dann Masken en masse vorhanden waren, auf einmal umschwenkte und das Gegenteil behauptete. Und Drostens Aussagen zur notwendigen Einschränkung der Freiheit, die ich vor einiger Zeit schon mal kritisch in einem Artikel beleuchtete, bekommen dann einen ganz anderen Beigeschmack.
Es wird klar, warum der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach beständig Horroszenarien in die Welt keift und weitere Grundrechtseinschränkungen fordert – wenn schon regierungsexterne Wissenschaftler damit beauftragt werden, Panik zu schüren, dann werden die regierungsinternen davon mit Sicherheit nicht ausgenommen sein.
Auch der wenig transparente und undifferenzierte Umgang mit Zahlen bekommt so seinen Sinn, wenn es nicht darum geht, zielgerichtet gegen die Pandemie vorzugehen, sondern Angst zu schüren. Da wurden dann immer wieder die gemeldeten Toten an einem Tag mit den tatsächlich in diesen 24 Stunden Verstorbenen gleichgesetzt, wobei dann für die Verkündigung stets ein Tag genommen wurde, an dem viele Tote vom Wochenende nachgemeldet wurden, was Christoph Kuhbandner in einer lesenswerten Analyse auf Telepolis darlegt. Darin geht er auch darauf ein, dass nicht hinreichend differenziert wird, ob jemand an oder mit Covid-19 gestorben ist, was ebenfalls zu Ungenauigkeiten und gesteigerten Opferzahlen führt. Und auch die Fixierung auf bestimmte einzelne Werte, die anscheinend so verwendet werden, wie es gerade am besten ins politische Konzept passt, ist dann auf einmal stimmig: Mal ist der Inzidenzwert von 50 (der zudem recht willkürlich festgelegt wurde) der entscheidende Parameter, und wenn dieser dann sinkt, wird auf einmal der R-Wert, also wie viele Personen von einem Infizierten angesteckt werden, als Begründung für einen weiteren Lockdown herangezogen (s. hier). Dabei weist dieser Wert, wie man an einer Grafik auf der auch darüber hinaus recht informativen Themen-Webseite der Berliner Morgenpost entnehmen kann, keine Korrelation zu den Lockdowns auf: Am 10. März war der Höchstwert von 3,22 erreicht, danach fiel der R-Wert dann rapide ab, und als am 23. März der erste Lockdown erfolgte, betrug der R-Wert bereits nur noch 0,92. Ende Juni ging der R-Wert dann noch mal nach oben, genauso im Oktober, nur um dann vor Beginn des Lockdowns Light Anfang November schon wieder deutlich gesunken zu sein.
Dass die Lockdown-Maßnahmen nicht in sich stimmig erscheinen, stellt sich nun auch in einem anderen Licht dar, wenn man bedenkt, dass es vor allem um Angsterzeugung und Repression geht: Warum werden Betriebe mit guten Hygienekonzepten geschlossen, während sich die Menschen gleichzeitig in überfüllte öffentliche Verkehrsmittel ohne Hygienemaßnahmen quetschen? Warum werden für Senioren- und Pflegeheime, aus denen immerhin etwa ein Drittel der Covid-19-Toten in Deutschland stammt, keine Sicherheitskonzepte erarbeitet und personellen Aufstockungen durchgeführt? Weil man so viele Tote bekommt und alle die Pandemie immer wieder vor Augen gehalten bekommen aufgrund der alltäglichen Einschränkungen – und das erzeugt weitere Angst.
Und praktischerweise sterben so ja vor allem alte Menschen, also solche, die im Sinne der neoliberalen Ideologie ja ohnehin nutzlos sind. Klingt zynisch? Nö, ist schon länger menschenverachtende Realität der „marktkonformen Demokratie“ (Angela Merkel), denn schließlich war der abscheuliche Begriff des „sozialverträglichen Frühablebens“ ja schon 1998 das Unwort des Jahres.
Auch die Missstände in den Krankenhäusern, die schon seit Jahren bekannt sind und dort immer wieder zu Versorgungsengpässen geführt haben, verschärfen sich nun in der Corona-Pandemie noch einmal deutlich. Doch unsere Bundesregierung steuert weder mit einem langfristigen Kurswechsel noch mit kurzfristigen zielführenden Maßnahmen entgegen, wie Kalle Kunkel in einem Artikel in den Blättern für deutsche und internationale Politik darlegt:
Die Coronakrise verschärft so die schon länger kritikwürdigen Zustände im kommerzialisierten deutschen Krankenhaussystem. Sie offenbart besonders eindrücklich, dass die marktförmige Steuerung nicht nur schädlich für die Gesundheit der Menschen, sondern auch ineffizient ist.
Dessen ungeachtet hält die Bundesregierung unbeirrbar an diesem System fest. Ihre Ablehnung des Finanzierungsvorschlags der Deutschen Krankenhausgesellschaft ist offensichtlich maßgeblich von der Sorge geprägt, ein vorübergehend ausgesetztes Fallpauschalensystem nicht mehr reaktivieren zu können.
Damit werden also höhere Opferzahlen bewusst in Kauf genommen vonseiten der Bundesregierung – und Rat von Fachleuten wird ignoriert. Klar, wenn man lieber die Fachleute gewünschte Meinungen verlautbaren lässt, um die eigenen politischen Ziele damit zu legitimieren, dann ist so ein Verhalten natürlich stimmig – und nichtsdestotrotz hochgradig menschenverachtend und verwerflich. Aber dass die Regierung nur ihr genehme Stimmen als Berater hinzuzieht, hat ja kürzlich schon Lydia Rosenfelder in einem Kommentar auf Spiegel Online festgestellt.
Dass die Pandemie Anfang des Jahres noch nicht ernst genommen wurde und beispielsweise Gesundheitsminister Jens Spahn vor allem durch Abwiegelungen und Verharmlosungen aufgefallen war (was Rayk Anders in einem Video sehr zutreffend kritisierte), passt nun auch ins Bild: Wenn man Covid-19 also vor allem als günstige Gelegenheit ansieht, um repressive Maßnahmen zu implementieren, dann muss die Krankheit natürlich erst mal ins Land gelassen werden. Immer wieder wichtig, darauf hinzuweisen: Die Bundesregierung wusste genau, was mit dieser Pandemie auf uns zukommt, das geht zumindest aus der für den Bundestag erstellten Risikoanalyse zu genau diesem Szenario einer SARS-Pandemie, die aus Ostasien kommt, von Anfang 2013 hervor.
Zudem lassen sich die ganzen „Pannen“ jetzt auch erklären und als absichtsvolles Handeln erkennen. Die nicht wirklich funktionierende Corona-App beispielsweise. Wer vor allem Repression im Hinterkopf hat statt Gesundheitsschutz, dem ist es wurscht, ob diese App was nützt oder nichts – Hauptsache, man hat schon mal einen Zugang zu den Smartphones vieler Bürger. Dass diese App dann auch anders, nämlich für Überwachungsmaßnahmen, genutzt werden kann, macht Singapur ja gerade schon mal vor (s. hier). Was dann wieder dazu passt, dass der Überwachungsstaat ja auch zunehmend ausgebaut wird in den letzten Jahren, indem Polizei und Geheimdienste ständig neue Befugnisse erhalten und in immer größerem Maße anlasslos auf die Daten unbescholtener Bürger zugegriffen werden soll. Ein weiterer Mosaikstein dafür: der Zugriff auf Gesundheitsdaten. Da passt dann natürlich die immer lauter werdende Forderung nach einem Impfnachweis, mit dem man nach einer Impfung seine Grundrechte ein Stück weit zurückbekommen soll, ebenfalls gut ins Bild.
Und auch das Impfdesaster fügt sich nun trefflich in die Strategie ein: Erst Hoffnungen zu erwecken bei den Menschen und diese dann in der Praxis zu enttäuschen ist ein probates Mittel, um Angst zu verbreiten.
Diese Methode des Regierens durch Angst ist übrigens gut bekannt und wurde auch vereinzelt kritisiert, so zum Beispiel vom Politologen Wolfgang Merkel in einem Interview mit Zeit Online.
Somit ergibt sich dann vor allem auch eine ganz entscheidende Erkenntnis: Repressionen gegen die eigene Bevölkerung sind für unsere Bundesregierung ein erstrebenswertes Ziel ihres politischen Handelns! Und diesem Ziel werden andere Ziele, wie der Schutz von Menschenleben, gnadenlos untergeordnet.
Fragen
Vor allem eine Frage drängt sich mir gerade auf: Warum wird nur so verhalten über dieses ungeheuerliche Geschehen berichtet?
Die oben genannten Quellen sind auch schon mit die einzigen, die sich dazu gerade im Internet finden lassen. Dabei würde das eigentlich auf die Titelseiten aller Zeitungen und als Topmeldung an den Anfange von Nachrichtensendungen gehören. Sind die Medien, die dies nun einfach links liegen lassen, so obrigkeitshörig oder möchte man dort einfach nicht eingestehen, ja selbst an dieser Kampagne beteiligt gewesen zu sein, ohne das durchschaut zu haben? Beides in jedem Fall einer „vierten Gewalt“ in einer Demokratie nicht würdig, wie ich finde.
Woraus sich dann die nächste Frage ergibt: Gibt es politische Einflussnahme wie bei den Wissenschaftlern auch auf Medien? Die Vermutung liegt zumindest nahe, finde ich, wenn man sich nicht nur das aktuelle „Schweigen im Walde“ betrachtet, sondern auch die allzu oft unkritische Haltung auf Regierungskurs von vielen Medien. Zumindest ARD und ZDF sind ja in ihrer Corona-Berichterstattung vor allem durch Panikmache aufgefallen (s. dazu hier). Und damit wären wir dann auch bei einem Kennzeichen von totalitären Regimen, in denen die Berichterstattung von der Regierung gesteuert wird. Klar, so weit sind wir natürlich noch nicht, aber die Einflussnahme vonseiten der Herrschenden auf die freie Berichterstattung wäre in jedem Fall schon ein deutlicher Schritt in diese Richtung.
Was mir auch dabei aufgefallen ist: Warum interessiert das so viele Menschen überhaupt nicht?
Die Resonanz, die ich darauf erhalte, wenn ich digital oder auch im Gespräch berichte, dass das BMI Wissenschaft zur Repression der Bevölkerung instrumentalisiert, ist sehr bescheiden. Dabei ist das doch nun wirklich etwas, was auch jeden direkt betrifft, denn die Pandemie hat schließlich unser aller Leben im letzten Jahr massiv beeinflusst. Und es zeigt vor allem, wie wenig unsere Regierung noch an demokratischem Anstand oder dem Allgemeinwohl zuträglichen Handeln interessiert ist – von Aufrichtigkeit und Transparenz mal ganz zu schweigen. Ich finde nicht, dass das etwas ist, was man einfach so mit einem Achselzucken abtun und dann zum nächsten Thema übergehen sollte.
Daraus leitet sich eine weitere Frage ab: Sind die Menschen mittlerweile in unserem Land schon so abgestumpft, dass sie sich für derartige Zusammenhänge gar nicht mehr interessieren, wenn sie ihnen nicht prominent und in Hochglanz serviert werden, wenn sie nicht mit entsprechendem Theaterdonner skandalisiert werden? Reicht die Ungeheuerlichkeit einer Meldung gar nicht mehr aus, um überhaupt Aufmerksamkeit zu erregen?
Oder ist der Untertanengeist mittlerweile schon wieder so stark ausgeprägt, dass auch bei eindeutigen Nachweisen der geliebten Obrigkeit so ein schäbiges Verhalten gar nicht erst zugetraut wird? Auch das würde mich nicht überraschen, da ich diese Tendenz ja in den vergangenen Monaten immer wieder beobachten konnte (s. beispielsweise hier und hier).
Und bezüglich unserer Regierungspolitiker sind natürlich auch ein paar Fragen angebracht: Wie unterscheiden sie sich noch von Despoten wie Trump, dessen „alternative Fakten“ und Lügen zu Recht kritisiert werden, wenn man selbst so eine durchorganisierte Fake-News-Kampagne (wobei natürlich nicht alle darin verwendeten Aussagen Fake News sind) inszeniert? Wie unterscheidet man sich noch von Despoten wie Erdogan, Putin, Bolsonaro und Co., wenn man die Repression als Handlungsmaxime ausgibt? Inwieweit ist da überhaupt noch eine Achtung demokratischer Prinzipien vorhanden? Und müsste diese Regierung nun nicht eigentlich, wenn noch ein Funken demokratischer Anstand vorhanden wäre, nach dem Bekanntwerden dieser Ungeheuerlichkeit komplett und geschlossen zurücktreten?
O. k., die letzte Frage ist eher rhetorischer Natur, denn wer derartige Machttaktiken gebraucht, von dem ist wohl auch nicht eine freiwilliger, wenn auch zwingend angebrachter Verzicht auf Macht zu erwarten.
Und daraus ergeben sich dann noch zwei elementare Fragen:
Wie viel ist unserer Bundesregierung das Leben von Menschen überhaupt noch wert?
Und wie gefährdet ist unsere Demokratie, wenn man ihnen diese Nummer nun auch einfach wieder so durchgehen lässt? Denn den Anschein hat es ja leider zurzeit …
Folgen
Die erste negative Folge dieses Skandals liegt natürlich auf der Hand: die Diskreditierung der Wissenschaft.
Dass Gefälligkeitsgutachten vergeben werden, dass Konzerne Studien finanzieren und dafür dann ihren Zielen entsprechende Ergebnisse erwarten, dass Think Tanks mit vermeintlichem wissenschaftlichem Anstrich PR und Lobbyismus betreiben (EIKE oder die INSM beispielsweise) – daran hat man sich ja mittlerweile leider schon gewöhnt. Dass nun aber vonseiten eines Ministeriums von der Wissenschaft Schreckensszenarien eingefordert werden, um die Bevölkerung zur Zustimmung zu Restriktionen zu bewegen, das ist noch mal ein neues Kaliber. Vor allem weil sich damit diejenigen, die eigentlich die Interessen der Bürger gegen derartige Machenschaften von skrupellosen profitgeilen Konzernen verteidigen und durchsetzen sollen, genau derselben schäbigen Methoden bedienen wie Exxon-Mobile, Mosanto/Bayer und Co.
Zumal ja auch immer wieder betont wurde, wie sehr in diesem Fall der Pandemie die Politik auf die Wissenschaft hören würde. Tja, nun zeigt sich, dass es genau andersrum ist …
Das ist im Hinblick auf den Klimawandel fatal. Bei diesem Thema wird nämlich leider bisher von der Politik viel zu wenig auf die Wissenschaft gehört, und das Standing von Experten dürfte sich nun nicht gerade verbessern, wenn diejenigen, die Klimaforschung schon immer als im Dienste der Windenergiebranche mutmaßten, nun Wasser auf die Mühlen ihrer absurden Behauptung bekommen durch Wissenschaftler, die eben vollkommen unmoralisch auf politischen Zuruf reagieren.
Und dann dürfte auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik weiter schwinden, was ja leider immer öfter dann auch zu generellem Politikverdruss, der sich gegen „die da oben“ richtet, führt und nicht wirklich zielführend ist (was Moritz Neumeier in einem Video auf seiner Facebook-Seite recht gut und auf amüsante Art erläutert). Auch das ist fatal, denn gerade in Krisensituationen, von denen wir wohl in den nächsten Jahren eher mehr als weniger erleben werden, ist es wichtig, dass ein Vertrauensverhältnis von den Bürgern zur politischen Führung besteht. In Neuseeland hat die Pandemiebekämpfung unter anderem auch deshalb so gut funktioniert, weil die Ministerpräsidentin Jacinda Ardern ein sehr hohes Ansehen bei der Bevölkerung genießt.
Ansonsten fürchte ich, dass die Aufdeckung dieses Skandals keine weiteren Folgen haben wird, denn unser politisches Führungspersonal ist es ja gewohnt, keine Konsequenzen aus eigenem Fehlverhalten zu ziehen. Wenn das so wäre, würde wohl kaum noch einer der aktuellen Bundesministerriege in seinem Amt sein. Auch das ist fatal, wenn man diese skrupellosen Machtmenschen und Betonkopf-Ideologen noch darin bestärkt, dass sie quasi unantastbar sind. Die machen dann nämlich einfach so weiter – und genau das können wir uns in vielerlei Hinsicht nicht leisten.
Und dann wäre da noch die Nützlichkeit der Rechten …
Spätestens jetzt wird auch klar, warum ständig so prominent über Querdenker und andere Rechtsaußen berichtet wurde (so wie – passenderweise – aktuell wieder mit der Meldung, dass die Querdenker-Demos erheblich zur Verbreitung des Virus beigetragen haben): Die Kritik an den Maßnahmen der Bundesregierung wurde somit ins rechte Spektrum gerückt. Das habe ich im Mai letzten Jahres schon mal in einem Artikel ausgeführt, und seitdem ist das leider nicht besser geworden.
Und natürlich melden sich auch gleich Stimmen von Rechtsaußen zu Wort, welche die Machenschaften des BMI verurteilen. Tja, und da kann man denen dann in der Sache auch gar nicht widersprechen. Das Problem dabei: So wird das Thema schnell zu einer Sache, die dem rechten Rand zugeordnet wird, sodass es für alle demokratisch gesinnten Menschen ein Stück weit „verbrannt“ wird und man sich besser nicht dazu äußert, wenn man nicht sofort mit AfD und Co. in einen Topf geschmissen werden möchte.
Ich hab selbst schon erlebt, dass ich für die Nutzung einer Primärquelle angefeindet wurde, weil diese auch schon mal von einer rechten Website verwendet wurde. Diese Kontaktschuld ist mittlerweile nämlich leider sehr weit verbreitet, sodass auf diese Weise gern mal vom Inhalt abgelenkt wird – wie praktisch für diejenigen, die dann ungestört weiter ihre unlauteren Machenschaften betreiben können.
Insofern ist es m. E. wichtig, dass dieser ungeheuerliche Vorfall nicht nur publik gemacht wird, sondern dass man das eben auch nicht den Rechten überlässt, sondern als progressiv denkender Demokrat eindeutig Stellung bezieht, Konsequenzen einfordert und die Menschenverachtung unserer Regierung, die nun durch das dokumentierte Verhalten des BMI schwarz auf weiß belegt wurde, anprangert.
Was nun hiermit geschehen sein soll!
In der Tat tue ich mich mehr als schwer der Hetzerei der WELT nicht mehr als kritisch gegenüber zu stehen (weil das Blatt für mich die seriös wirkende Kopie der BILD ist, wie die WELT selbst schreibt). Reichelt und Poschardt spielen mit den Wirecard-Heuchlern in einer Liga.
Ich halte mich selbst nicht für einen regierungstreuen Schergen, denn seit über 30 Jahren entwickelt sich das System „Politik“ mehr und mehr zu einem System zur Selbstbereicherung und Konzernförderung gegen den Sozialstaat. Politiker*innen sind zum überwiegenden Teil Jurist*innen (Rechtsverdreher*innen) und der Schutz der Bevölkerung ist nicht einmal mehr sekundäres Interesse, von Verantwortungsbewusstsein keine Spur! Oder wie es die Kids sagen würden: „Das sind keine Ehrenmänner und -frauen!“
Trotzdem tue ich mich aus mehreren Gründen schwer mit dem Beitrag der WELT und deren Interpretation (nicht mit der grundsätzlichen Aussage des Beitrags, denn die neoliberale Handlungsweise unserer Regierung ist erschreckend und erschütternd, wie es hier auch geschildert wird).
Unter Umständen ist es nicht verkehrt eine Studie in der Hand zu haben, um nötige (!) Maßnahmen zur Eindämmung einer Pandemie auch begründen zu können (nicht „jede“ Maßnahme). Die zweite Welle zeigt, wie schnell wir 1.000 Tote am Tag haben können! Zum anderen ist das Handeln von Horst Seehofer nicht als allgemeiner Leitfaden der Regierung zu verstehen, der die Marschrichtung aller Akteur*innen vorgibt. Außerdem war im März 2020 die Faktendichte und Wissensgrundlage über das unbekannte Virus dermaßen dünn, dass eigentlich eine aussagekräftige Studie überhaupt nicht möglich war und deshalb jeder halbwegs wache Geist solchen Studien kritisch gegenüber stehen sollte. Und zuletzt hat WELT mit seinem nicht sehr aufschlussreichen Artikel genau das bekommen, was sie wollten: Eine riesige Ladung Aufmerksamkeit für einen Schriftwechsel von mäßiger Bedeutung in Relation zu der noch immer tödlichen Pandemie, die man weiterhin nicht unterschätzen sollte und deren Ausmaß auch 10 Monate nach diesem Schriftwechsel von zu vielen Menschen unterschätzt wird.
Wenn es nur in der WELT gestanden hätte, wäre ich auch deutlich skeptischer gewesen, aber die Frankfurter Rundschau und Telepolis sind für mich nun durchaus seriöse Quellen, und auch die Aussagen von Juristen auf der Website von Niko Härting sind ja recht eindeutig, wie ich finde.
Was hinzukommt: Eigentlich sollte das Vorgehen so sein, dass man aufgrund von wissenschaftlichen Szenraien daraufhin sinnvolle Maßnahmen ableitet – das wurde hier komplett umgekehrt, nämlich dass die Wissenschaft eine Legitimation für von vornherein angestrebte Maßnahmen liefern sollte. Dass diese dann auch noch repressiver Natur sind, setzt dem Ganzen die Krone auf.
Zudem kann wohl davon ausgegangen werden, dass das BMI nicht im komplett luftleeren Raum agiert, schon mal gar nicht, was so eine umfassende Sache wie die Corona-Pandemie betrifft. Dass das losgelöst von anderen Teilen der Regierung stattgefunden hat, kann ich mir daher irgendwie nicht so recht vorstellen.
Die Artikel von Der Volksverpetzer habe ich oft gern gelesen und hier ja auch schon öfter mal verlinkt. In letzter Zeit fielen mir diese aber vor allem unangenehm durch eine vollkommen unkritische Haltung gegenüber der Corona-Maßnahmen der Bundesregierung auf, und was ich nun gerade zum Thema dieses Artikels hier dort gelesen habe, lässt mich dann doch reichlich verwundert, wenn nicht gar entsetzt zurück.
So wirft Thomas Laschyk der WELT „Querdenker-Framing“ vor – nur um dann selbst erst mal mit reichlich plumpem Framing in seinen Artikel einzusteigen, indem er alle, die diesen Vorfall weiterverbreitet haben, in die Ecke von Rechtsextremen und Corona-Leugnern stellt. Und natürlich wird auch mit dem Begriff der „Fake News“ recht inflationär um sich geschmissen. Das ist journalistisch m. E. ausgesprochen unsauber, da so dem Leser schon gleich mit dem Holzhammer suggeriert wird, was er von dem Vorgang zu denken hat.
Dann sieht Laschyk auch keinen Skandal darin, wobei er irgendwie komplett außer Acht lässt, dass es dem BMI offensichtlich nicht darum ging, einfach nur ein Worst-Case-Szenario zu beauftragen, sondern dieses eben einforderte, um repressive Maßnahmen begründen zu können.
Und wenn Laschyk dann auch immer wieder betont, dass das BMI ja so schön transparent agiert hätte, dann stellt sich mir doch die Frage, warum es denn dann notwendig war, einen Einblick diese Korrespondenz überhaupt erst einzuklagen – und warum dann große Teile davon geschwärzt wurden. Transparenz sieht für mich in jedem Fall anders aus …
Und am Schluss schließt Laschyk dann noch mal seinen Farming-Zirkel, indem er darauf hinweist, dass ja vor allem Rechtsaußen diese Meldung geteilt hätten.
Keine Ahnung, ob sich nun bei Laschyk auch das Untertanenvirus massiv ausgebreitet hat oder ob er mit seiner Seite nun einfach auf der gefälligen Welle der „Unsere Regierung macht das alles super“-Fraktion mitschwimmen und somit mehr Klicks generieren möchte – für mich hat sich damit Der Volksverpetzer leider fürs Erste als seriöse Quelle erledigt. Schade eigentlich …