Warum man alte weiße Männer auch als alte weiße Männer bezeichnen sollte

Über alte weiße Männer bzw. die dahinterstehende Geisteshaltung habe ich ja schon den einen oder anderen Artikel (zum Beispiel hier, hier, hier und hier) geschrieben. Und viele (vor allem als alte weiße Männer Bezeichnete) regen sich gern darüber auf. Dabei ist es sehr sinnvoll, das Kind auch beim Namen zu nennen.

Alte weiße Männer (beiderlei Geschlechts) meinen ja grundsätzlich, dass sie die Norm schlechthin in einer Gesellschaft seien – und alle, die nicht so ticken wie sie, sind eben irgendwie unnormal. Daher kommt auch diese selbstgerechte Besserwisserei, die alte weiße Männer stets kennzeichnet.

Und so schauen sie schön herab auf alle anderen: auf Migranten, auf Homosexuelle, auf Frauen, auf Muslime, auf (vor allem junge) Aktivisten, auf Vegetarier und Veganer, auf Transmenschen, auf Bürgergeldempfänger, auf Menschen mit Behinderungen usw. Immer in der vermeintlichen Gewissheit, das Maß aller Dinge zu sein und es somit grundsätzlich mit Randgruppen zu tun zu haben, wenn Menschen anders drauf sind.

Doch in der Tat sind alte weiße Männer nicht die Norm und oftmals auch gar nicht die Mehrheit. Sie empfinden das nur so, weil sie zum einen ihr Weltbild auf sehr tradierten Werten aufbauen („Das war schon immer so“) und zum anderen natürlich auch nicht diskriminiert werden können, da in unserem patriarchalischen Staat weiße heterosexuelle Männer, gern auch mit christlichem Glauben, an der Spitze der sozialen „Nahrungskette“ stehen (s. dazu hier).

Dass dem dann ein Weltbild zugrunde liegt, das vor 50 Jahren vielleicht noch einigermaßen gepasst haben mag, heute aber aufgrund einer bei den meisten Menschen doch liberalisierten Weltsicht nicht mehr so hinhaut, ist nur bezeichnend. Die aktuelle Welt ist allerdings eine andere, eine globalere, eine multikulturellere, eine internationalere, eine (wenn auch noch nicht im ausreichenden Maße) feministischere. Das mag der alte weiße Mann nicht einsehen, daher klammert er sich mit Vehemenz an seine Rechthaberei.

Allerdings sitzen leider in erster Linie alte weiße Männer in Machtpositionen, sei es in der Politik oder in der Wirtschaft. Und so sind es eben vor allem auch alte weiße Männer, die vom jetzigen Status quo profitieren, sodass eine Ablehnung von Änderungen, vor allem wenn diese gar sytemisch wären, bei ihnen zwingend dazugehört. Durch ihre exponierten Positionen bekommen alte weiße Männer leider auch überproportional viel Redezeit in Medien – oft eingeräumt von ebenfalls alten weißen Männern, die als Chefredakteure oder Alphajournalisten arbeiten. Es entsteht somit ein Eindruck von überhöhter Relevanz von alten weißen Männern, die ihrem tatsächlichen gesamtgesellschaftlichen Anteil überhaupt nicht entspricht.

Indem man nun alte weiße Männer auch als ebensolche bezeichnet steckt man sie dann auch in eine Schublade, so wie sie das mit allen anderen machen. Damit nimmt man ihnen den Nimbus der Unantastbarkeit aufgrund von vollkommener Normalität. Man zeigt auf, dass es sich um überholtes, ewiggestriges und egoistisch besitzstandswahrendes Denken handelt, was alte weiße Männer mit großer Überheblichkeit als „So ist das nun mal“-Ansichten in die Welt hinausposaunen.

Indem man sie als alte weiße Männer bezeichnet, zeigt man ihnen: Ihr seid auch nichts anderes als alle anderen gesellschaftlichen Gruppen, die alle ihre spezifischen Interessen und Vorstellungen haben. Kommt von eurem hohen Ross runter und stellt euch sachlicher Auseinandersetzung, dann schauen wir mal, was eure Standpunkte so taugen.

Darauf haben alte weiß Männer natürlich keine Lust, denn das könnte ja mit einem Verlust der eigenen Privilegien einhergehen. Und insofern ist auch ihre vehemente Abneigung gegen die Bezeichnung, die so doch im Grunde nur als das benennt, was sie auch sind, zu verstehen. Die eigene Plauze ist alten weißen Männern nämlich grundsätzlich am nächsten. Das lässt sich in einer Diskussion natürlich nur schwer argumentativ vermitteln, also geht es für alte weiße Männer nicht um einen ergebnisoffenen Austausch, sondern immer nur ums Rechthaben um jeden Preis – die eigene Ansicht zu überdenken, zu relativieren oder gar zu revidieren kommt bei ihnen nicht infrage. Da Letzteres elementare Grundlagen eines offenen Diskurses sind, kann man den in der Regel auch vergessen, sobald alte weiße Männer dazukommen und herumpoltern.

Rein physisch gesehen bin ich ja auch ein alter (oder zumindest älterer mit 54 Jahren) weißer Mann, mit der so bezeichneten Geisteshaltung habe ich allerdings nichts am Hut. Deswegen ist es mir immer eine besondere Freude, alte weiße Männer in Diskussionen auch genau in die Alte-weiße-Männer-Ecke zu stellen, in die sie aufgrund ihrer Aussagen reingehören. Ihr Zetern ist dann für mich nur Bestätigung und Antrieb, das immer wieder zu machen.

Würde mich freuen, wenn das nun einige von euch auch so handhaben würden. ;o)

Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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