Recht und Ordnung – das ist ja eine grundsätzliche Forderung von rechten Politikern und Parteien. Damit meinen sie allerdings immer nur, dass dies für andere und nicht für sie selbst gelten soll – was gerade wieder mal sehr deutlich wird am Beispiel von Marine Le Pen.
Klar, Rechte sehen sich selbst immer ganz oben in einer vermeintlichen Hierarchie, nach der sie die Welt bzw. die darin lebenden Menschen einteilen (s. hier). Und dazu gehört dann auch, dass Menschen mit andere Herkunft, Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung oder auch schlichtweg anderen (in der Regel weiblichen) Geschlechts weniger Rechte zuerkannt werden. Wer sich also dermaßen über andere Menschen erhebt, für den liegt es dann auch nahe, sich über die für alle geltenden Regeln hinwegsetzen zu wollen.
Deswegen finden sich bei rechten Politikern auch oft kriminelle Gestalten, und Korruption ist dort sowieso an der Tagesordnung. Natürlich gibt es so was auch bei nicht rechten Politikern, aber nach wie vor gilt: je weiter rechts, desto krimineller.
Gerade hat Marine Le Pen, mehrfache Präsidentschaftskandidatin und bis 2022 Parteivorsitzende der rechtsextremen französischen Partei Rassemblement National, diese Aussage mal wieder bewiesen, denn sie wurde von einem Gericht schuldig gesprochen, EU-Gelder veruntreut zu haben, indem sie Parteigenossen zum Schein einstellte und sie so von öffentlichen EU-Geldern hat bezahlen lassen (s. hier).
Das ist nichts anderes, als schäbiger Diebstahl an der europäischen Allgemeinheit, und insofern ist es auch klar, dass so was verboten ist und dann sanktioniert wird, wenn das ans Licht kommt. Eigentlich also kein Grund zur Aufregung, und gerade rechte Parteien monieren ja oft die „korrupte Elite“ der sogenannten Altparteien oder Kartellparteien, wie alle nicht rechten Parteien von denen gern bezeichnet werden.
Doch nun kommt das aus rechtsextremer Sicht richtig große ABER: Marine Le Pen wäre 2027 erneut als Präsidentschaftskandidatin angetreten und hätte wohl auch gar nicht so schlechte Chance gehabt, die Nachfolge von Amtsinhaber Emmanuel Macron anzutreten. Nun ist sie allerdings im Zuge ihrer Verurteilung für fünf Jahre vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen worden, sodass sie bei dieser Wahl nicht antreten darf.
Und da geht nun auch gleich das große Geheule und Gejammer der internationalen Rechtsaußen los (s. hier), und zwar von Victor Orbán (Ungarn) über Matteo Salvini (Italien), Geert Wilders (Niederlande) und Donald Trump (USA) bis hin zu Moskauer Regierungskreisen. Da ist nun beständig von einer Politisierung der Justiz die Rede.
Da wird es nun richtig drollig, denn gerade das ist ja nun etwas, was rechte Regierungen immer so schnell wie möglich machen, wenn sie selbst die Gelegenheit dazu haben: die Justiz nach der eigenen politischen Fasson auszurichten und entsprechende Posten von Richtern und Staatsanwälten vor allem mit Gesinnungsgenossen zu besetzen. Eklatantestes Beispiel hierfür ist wohl der Oberste Gerichtshof der USA, den Donald Trump in seiner ersten Amtszeit so besetzt hat, dass von der Seite aus kaum Widerspruch gegen seine destruktive Politik zu erwarten ist, aber auch die rechte PiS in Polen hat die Justiz reichlich korrumpiert (deswegen gab es sogar Stress mit der EU – s. hier), und von Ungarn (s. hier) müssen wir hier wohl diesbezüglich gar nicht erst anfangen, oder?
Aber auch das ist mal wieder typisch für Rechte: Politisch motiviert ist Rechtsprechung nur, wenn sie sich gegen die Rechtsaußen richtet, wenn man hingegen selbst die entsprechenden juristischen Voraussetzungen für eine politische Recht(s)sprechung geschaffen hat, dann ist das natürlich was ganz anderes. Und so gerät dann auch beim rechten Gejammer über Urteil und Strafe für Le Pen komplett aus dem Blickfeld, worum es da eigentlich ging, nämlich um die Veruntreuung von Geldern, was ja erst mal nichts Politisches ist. Oder anders gesagt: Le Pen hätte ja einfach nur korrekt handeln und nicht ihren Parteigenossen Gelder zuschanzen müssen, die denen nicht zustehen, dann wäre sie auch nicht vor Gericht gelandet.
Das Urteil ist insofern also der Beleg für eine funktionierenden Rechtsstaat, da die exponierte politische Position von Le Pen nicht dazu geführt hat, dass sie nun etwa mit Samthandschuhen angefasst würde (s. hier von Minute 4 bis 10). Durchgreifende Justiz – das wollen doch Rechte sonst immer, oder?
Eine funktionierende Gewaltenteilung, die ja einer der Grundpfeiler der Demokratie ist, bedeutet ja gerade, dass die Justiz auch Politikern auf die Finger schaut und eingreift, wenn diese sich nicht an die Gesetze halten. Und hiermit haben nun Rechte offensichtlich ein großes Problem, da dann ja auch ihre eigene kriminelle Energie nicht so ausgelebt werden kann, wie sie es gern möchten. US-Präsident Trump und sein Vize J. D. Vance äußerten ja bereits ganz deutlich, dass sie der Ansicht sind, die Justiz hätte der Exekutive (also ihnen selbst) nichts zu sagen. Das hat dann nur eben mit Rechtsstaatlichkeit nichts mehr zu tun, sondern ist Despotie und Autoritarismus, wenn die Herrschenden quasi einfach machen können, was sie wollen, ohne dafür Konsequenzen fürchten zu müssen.
Insofern ist der rechte Furor bezüglich der Verurteilung Le Pens nun schon sehr entlarvend und zeigt, dass diese Gestalten trotz aller Lippenbekenntnisse mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nichts am Hut haben, sondern diese zivilisatorischen Errungenschaften aushöhlen wollen, um ihren eigenen Machtanspruch zur rechtfertigen – und natürlich auch, um sich und ihresgleichen ordentlich zu bereichern.
Diejenigen, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft eine ungleiche Behandlung von der Justiz angedeihen lassen wollen (Entzug der Staatsbürgerschaft, Verweisen des Landes), echauffieren sich nun darüber, dass sie vor Gericht genauso behandelt werden wie andere Kriminelle auch. Das wäre hochgradig lächerlich, wenn es nicht so abgrundtief bösartig und heuchlerisch wäre.
Das zieht sich dann mittlerweile leider auch schon durch die internationale Rechtsprechung. Wenn beispielsweise der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Vladimir Putin ausspricht (zu Recht, wie ich finde) aufgrund dessen Angriffskriegs gegen die Ukraine, wird dies von rechten Politikern anerkannt, die aber andererseits nicht anerkennen, wenn der IStGH einen Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erlässt aufgrund von dessen Kriegsführung in Gaza (ebenfalls zu Recht, wie ich finde). Das zeigt ja, dass Rechtsprechung sehr wohl politisch ausgelegt wird – nur eben nicht von den Richtern, sondern von der Exekutive, die so ein Urteil mal akzeptiert, mal nicht, je nachdem, wie es einem gerade in den Kram passt.
Zurück zum Fall Marine Le Pen: Um dem Ganzen jetzt echt noch die Krone des Grotesken aufzusetzen, sollte man berücksichtigen, dass die nun Verurteilte noch 2013 selbst gefordert hatte, dass Politiker, die der Hinterziehung öffentlicher Gelder überführt wurden, nicht nur für fünf Jahre, sondern lebenslang kein politisches Amt mehr bekleiden dürften (s. hier). Da kann sie ja mal froh sein, dass ihre Idee von damals nicht umgesetzt wurde …
Insofern zeigt dieses Urteil für mich, dass die Justiz und die Gewaltenteilung in diesem Fall in Frankreich hervorragend funktioniert haben. Es wurde bei dem Urteil keine Rücksicht auf die Prominenz und politische Wichtigkeit der Angeklagten genommen, sondern so nach dem Gesetz geurteilt, wie es auch bei einem „kleineren Fisch“ der Fall gewesen wäre. Daraus nun zu konstruieren, dass es sich um ein politisches Urteil handeln würde, ist aberwitzig, zeigt aber, dass Rechte keinen Respekt vor der Justiz und der für jede Demokratie so wichtigen Gewaltenteilung haben.
Die, die jetzt für Le Pen Partei ergreifen und sie in ihrem Opfergejammer bestätigen, zeigen damit nichts anderes, als dass sie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nicht verstanden haben oder eben in autoritärer Weise interpretieren – und dass sie selbst sich in übelster elitärer, wenn nicht gar neofeudalistischer Weise über die „Normalbürger“ erheben. Auch wenn die Justiz hierzulande oft genug sehr rechtslastig agiert (s. hier), ist es zum Glück noch nicht so weit, wie es die Rechtsaußen gern hätten.
Daher lohnt es sich auch, dafür einzustehen, dass aus der Rechtsprechung keine Rechtssprechung wird!