Altmaier, der Einkaufspatriot

Von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist man ja generell nicht unbedingt besonders intelligente und kompetente Aussagen gewohnt, als ich nun allerdings neulich auf der Facebook-Seite von Fabio de Masi (Die Linke) las, was Altmaier nun wieder von sich gegeben hat, war ich dann doch etwas überrascht ob des gleich auf mehreren Ebenen unterirdischen Niveaus.

Doch schaut selbst:

Gut ist natürlich, dass de Masi sich gleich erst mal über eine solche Aussage lustig macht und auf das anspielt, was ihn zurzeit sehr umtreibt, nämlich die Aufarbeitung des Wirecard-Skandals. Dennoch komme ich nicht darum herum, mir diesen von Altmaier proklamierten Einkaufspatriotismus mal ein bisschen genauer anzuschauen, denn das offenbart nicht nur eine groteske Geisteshaltung, sondern auch noch ein grobes ökonomisches Unverständnis – und das von jemandem, der immerhin Bundeswirtschaftsminister ist.

Was zunächst auffällt, ist die Betonung des Patriotismus, was ja normalerweise eher ins Repertoire der AfD fällt, zumal wenn es so platt daherkommt wie in diesem Fall. Das kann man nicht nur m. E. zu Recht als plumpes deutschtümelndes Fischen am rechten Rand verstehen, sondern zudem wird ja den Spießgesellen von Rechtsaußen mit dem Zusammenhang von Patriotismus und Einkaufen eine schöne Steilvorlage gegeben. Denn ein wahrer Deutscher kauft natürlich patriotisch nur in deutschen Geschäften ein.

Der Schritt zu „Deutsche, kauft nicht bei …“ dürfte somit für Rechtsausleger nicht allzu weit sein – und die können sich dann schön darauf berufen: „Der Altmaier hat’s ja gesagt!“

Was für ein geschichtsvergessener Müll also eine Aussage ist, die Derartiges zusammenbringt. Und nein, diesen Zusammenhang herzustellen finde ich nun nicht übertrieben, sondern einem gesellschaftlichen Klima, in dem rassistische Ressentiments und völkisches Geschwafel wieder zunehmend salonfähig geworden sind, durchaus angemessen.

Aber dann gibt es ja noch die zweite Ebene von Altmaiers Aussage, nämlich die ökonomische.

Da diese Aussage in einem Interview mit der BILD gefallen ist, verlinke ich natürlich nicht darauf (keine Klicks für diese Hetzer), sondern lieber auf einen recht pointierten Kommentar in der jungen Welt dazu. Und daraus geht hervor, dass Altmaier wohl eigentlich so was wie einen Lokalpatriotismus gemeint haben könnte, dies dann allerdings denkbar täppisch formulierte:

„Der Erhalt des stationären Handels ist eine nationale, ja auch eine patriotische Aufgabe.“

Nun ist der stationäre Handel ja nicht eben eine ganz homogene Sache, sondern da gibt es den kleinen Familienbetrieb genauso wie den transnationalen Konzern mit seinen Filialen. In einer globalisierten Welt, in dem Freihandel mit all seinen Nachteilen gerade von Altmaiers Partei immer wieder als Grundkonzept vertreten und auch durchgesetzt wird, nun auf eine nationale Ebene abzustellen, geht daher reichlich an der Realität unseres Welthandelssystems vorbei, wie ich finde. Wer also zum Shoppen bei H&M in ein ECE-Einkaufszentrum fährt, tut ganz sicher nichts für die regionalen Einzelhändler.

Vor allem suggeriert Altmaier mit seiner Aussage ja eines: Geht einkaufen, und alles wird gut (und bestätigt damit sogar einen Artikel, den ich neulich zu dem Thema mit Bezug auf den aktuellen Teil-Lockdown schrieb).

Was Altmaier entweder nicht weiß (was schlimm wäre) oder wider besseres Wissen einfach unter den Tisch fallen lässt (was noch schlimmer wäre): Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt, und zwar weg von einer Produktionsgesellschaft hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft. Und viele dieser Dienstleistungen, die täglich in Vor-Corona-Zeiten genutzt werden, sind nicht zwingend lebensnotwendig, sondern eher Ausdruck von Luxus: Nicht mehr Oma schneidet den Kindern die Haare, sondern man geht zum Friseur. Und zur Maniküre. Und ins Tattoo-Studio. Und wer keine Lust hat, selbst zu kochen, geht eben in ein Restaurant. Dazu kommt dann noch die Eventisierung unseres Freizeitverhaltens, woran ja auch haufenweise Dienstleistungsjobs hängen. Nur mal so ein paar ganz alltägliche Beispiele.

James K. Galbraith hat das gerade recht treffend für die USA geschildert in einem Artikel in den Blättern für deutsche und internationale Politik (leider hinter der Bezahlschranke – lohnt sich aber dennoch zu lesen). Das kann man so in weiten Teilen auch auf Deutschland übertragen, denn auch hier droht die von Galbraith beschriebene Abwärtsspirale: Menschen haben Angst und bleiben zu Hause, gewöhnen sich irgendwann daran, auf zuvor gern genutzte, aber eben nicht lebensnotwendige Dienstleistungen zu verzichten, eben auch aus Angst, sich dabei anzustecken, viele haben zudem weniger Geld zur Verfügung, da sie eben genau solche Dienstleistungen erbringen und nun weniger Kunden haben oder wegen des Teil-Lockdowns nicht arbeiten dürfen, es steht generell weniger Geld zur Verfügung bei Privatpersonen, um sich Dienstleistungen zu kaufen, es werden immer mehr Dienstleister arbeitslos oder verarmen usw.

Da dann mit dem Hinweis zu kommen, dass man nur ordentlich einkaufen müsste, dann würde schon wieder alles gut, geht nun reichlich am Kern der Sache vorbei.

Was noch hinzukommt: Shopping ist für viele Menschen eine Art Hobby und gehört als Tätigkeit selbst zum Lifestyle dazu. Das ist dann eben nicht nur, einfach in ein Geschäft zu gehen, um das zu erwerben, was man gerade benötigt. Das Erlebnis selbst steht im Mittelpunkt, und man muss sich nur Werbung anschauen, um festzustellen, dass dies ein recht verbreitetes Phänomen ist. Tja, und was gehört zu so einem Einkaufs-Event dann auch dazu? Dienstleistungen, zum Beispiel der Gastronomie.

Aber die wurde ja nun gerade dichtgemacht. Und das ist dann auch noch ausgesprochen umstritten und diskussionswürdig (s. hier). Und etliche dieser Betriebe werden auch nach den Lockdown-Maßnahmen nicht wieder aufmachen. Ups …

Altmaiers Aussage geht also an der Realität sowohl des deutschen Einzelhandels als auch der Konsumenten vorbei und kann somit als platter (Wirtschafts-)Populismus mit reichlich rechtspopulistischer Schlagseite durch die Betonung des Patriotischen klassifiziert werden.

Was für ein Armutszeugnis für einen Bundeswirtschaftsminister!

Und natürlich auch ein Armutszeugnis für dessen „Chefin“. Es ist mir ein Rätsel, wieso Angela Merkel immer noch als große Politikerin bezeichnet wird, wenn sie derartige inkompetente Typen (und Altmaier ist da ja nicht der einzige Blindgänger im aktuellen oder auch in vergangenen Ministerreigen) in ihr Kabinett beruft und ihnen somit eine Verantwortung überträgt, der diese Personen nicht ansatzweise gewachsen sind – sowohl in fachlicher als auch in charakterlicher Hinsicht. Da passt die Redewendung vom Fisch, der vom Kopf er stinkt, doch mal tatsächlich wie die Faust aufs Auge.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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